Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

kostbaren Edelstein gegraben war; der eine gehörte
Belsoren, der andere Alexis. Als sie nach Hause
kamen und der Graf vernahm, was mit ihnen gesche-
hen, und daß seine Tochter sollte zur Christin werden,
verwandelte sich seine Freude in Zorn und giftigen
Haß, er schwur, daß er sein Kind lieber würde mit
eigner Hand umbringen, eh' ein solcher sie heirathen
dürfe, und könnte sie dadurch zu einer Königin wer-
den. Belsore verging für Jammer, zumal sie nach
dem, was ihr Alexis vom neuen Glauben an's Herz
gelegt, ihre Seligkeit auch nur auf diesem Weg zu
finden meinte. Sie wechselten heimlich die Ringe und
gelobten sich Treue bis in den Tod, was auch immer
über sie ergehen würde. Der Graf bot Alexis Be-
denkzeit an, ob er etwa seinen Irrthum abschwören
möchte, da er ihn denn auf's Neue als lieben Schwie-
gersohn umarmen wolle. Der Jüngling aber verwarf
den frevelhaften Antrag, nahm Abschied von Belso-
ren
, und griff zum Wanderstab, um in geringer Tracht
bald da bald dort als ein Bote des Evangeliums um-
herzureisen. Da er nun überall verständig und kräftig
zu reden gewußt, auch lieblich von Gestalt gewesen,
so blieb seine Arbeit nicht ohne vielfältigen Segen.
Aber oft, wenn er so allein seine Straße fortlief, bei
Schäfern auf dem Felde, bei Köhlern im Walde über-
nachten blieb und neben so viel Ungemach auch wohl
den Spott und die Verachtung der Welt erfahren
mußte, war er vor innerer Anfechtung nicht sicher und

koſtbaren Edelſtein gegraben war; der eine gehörte
Belſoren, der andere Alexis. Als ſie nach Hauſe
kamen und der Graf vernahm, was mit ihnen geſche-
hen, und daß ſeine Tochter ſollte zur Chriſtin werden,
verwandelte ſich ſeine Freude in Zorn und giftigen
Haß, er ſchwur, daß er ſein Kind lieber würde mit
eigner Hand umbringen, eh’ ein ſolcher ſie heirathen
dürfe, und könnte ſie dadurch zu einer Königin wer-
den. Belſore verging für Jammer, zumal ſie nach
dem, was ihr Alexis vom neuen Glauben an’s Herz
gelegt, ihre Seligkeit auch nur auf dieſem Weg zu
finden meinte. Sie wechſelten heimlich die Ringe und
gelobten ſich Treue bis in den Tod, was auch immer
über ſie ergehen würde. Der Graf bot Alexis Be-
denkzeit an, ob er etwa ſeinen Irrthum abſchwören
möchte, da er ihn denn auf’s Neue als lieben Schwie-
gerſohn umarmen wolle. Der Jüngling aber verwarf
den frevelhaften Antrag, nahm Abſchied von Belſo-
ren
, und griff zum Wanderſtab, um in geringer Tracht
bald da bald dort als ein Bote des Evangeliums um-
herzureiſen. Da er nun überall verſtändig und kräftig
zu reden gewußt, auch lieblich von Geſtalt geweſen,
ſo blieb ſeine Arbeit nicht ohne vielfältigen Segen.
Aber oft, wenn er ſo allein ſeine Straße fortlief, bei
Schäfern auf dem Felde, bei Köhlern im Walde über-
nachten blieb und neben ſo viel Ungemach auch wohl
den Spott und die Verachtung der Welt erfahren
mußte, war er vor innerer Anfechtung nicht ſicher und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="607"/>
ko&#x017F;tbaren Edel&#x017F;tein gegraben war; der eine gehörte<lb/><hi rendition="#g">Bel&#x017F;oren</hi>, der andere <hi rendition="#g">Alexis</hi>. Als &#x017F;ie nach Hau&#x017F;e<lb/>
kamen und der Graf vernahm, was mit ihnen ge&#x017F;che-<lb/>
hen, und daß &#x017F;eine Tochter &#x017F;ollte zur Chri&#x017F;tin werden,<lb/>
verwandelte &#x017F;ich &#x017F;eine Freude in Zorn und giftigen<lb/>
Haß, er &#x017F;chwur, daß er &#x017F;ein Kind lieber würde mit<lb/>
eigner Hand umbringen, eh&#x2019; ein &#x017F;olcher &#x017F;ie heirathen<lb/>
dürfe, und könnte &#x017F;ie dadurch zu einer Königin wer-<lb/>
den. <hi rendition="#g">Bel&#x017F;ore</hi> verging für Jammer, zumal &#x017F;ie nach<lb/>
dem, was ihr <hi rendition="#g">Alexis</hi> vom neuen Glauben an&#x2019;s Herz<lb/>
gelegt, ihre Seligkeit auch nur auf die&#x017F;em Weg zu<lb/>
finden meinte. Sie wech&#x017F;elten heimlich die Ringe und<lb/>
gelobten &#x017F;ich Treue bis in den Tod, was auch immer<lb/>
über &#x017F;ie ergehen würde. Der Graf bot <hi rendition="#g">Alexis</hi> Be-<lb/>
denkzeit an, ob er etwa &#x017F;einen Irrthum ab&#x017F;chwören<lb/>
möchte, da er ihn denn auf&#x2019;s Neue als lieben Schwie-<lb/>
ger&#x017F;ohn umarmen wolle. Der Jüngling aber verwarf<lb/>
den frevelhaften Antrag, nahm Ab&#x017F;chied von <hi rendition="#g">Bel&#x017F;o-<lb/>
ren</hi>, und griff zum Wander&#x017F;tab, um in geringer Tracht<lb/>
bald da bald dort als ein Bote des Evangeliums um-<lb/>
herzurei&#x017F;en. Da er nun überall ver&#x017F;tändig und kräftig<lb/>
zu reden gewußt, auch lieblich von Ge&#x017F;talt gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;o blieb &#x017F;eine Arbeit nicht ohne vielfältigen Segen.<lb/>
Aber oft, wenn er &#x017F;o allein &#x017F;eine Straße fortlief, bei<lb/>
Schäfern auf dem Felde, bei Köhlern im Walde über-<lb/>
nachten blieb und neben &#x017F;o viel Ungemach auch wohl<lb/>
den Spott und die Verachtung der Welt erfahren<lb/>
mußte, war er vor innerer Anfechtung nicht &#x017F;icher und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[607/0293] koſtbaren Edelſtein gegraben war; der eine gehörte Belſoren, der andere Alexis. Als ſie nach Hauſe kamen und der Graf vernahm, was mit ihnen geſche- hen, und daß ſeine Tochter ſollte zur Chriſtin werden, verwandelte ſich ſeine Freude in Zorn und giftigen Haß, er ſchwur, daß er ſein Kind lieber würde mit eigner Hand umbringen, eh’ ein ſolcher ſie heirathen dürfe, und könnte ſie dadurch zu einer Königin wer- den. Belſore verging für Jammer, zumal ſie nach dem, was ihr Alexis vom neuen Glauben an’s Herz gelegt, ihre Seligkeit auch nur auf dieſem Weg zu finden meinte. Sie wechſelten heimlich die Ringe und gelobten ſich Treue bis in den Tod, was auch immer über ſie ergehen würde. Der Graf bot Alexis Be- denkzeit an, ob er etwa ſeinen Irrthum abſchwören möchte, da er ihn denn auf’s Neue als lieben Schwie- gerſohn umarmen wolle. Der Jüngling aber verwarf den frevelhaften Antrag, nahm Abſchied von Belſo- ren, und griff zum Wanderſtab, um in geringer Tracht bald da bald dort als ein Bote des Evangeliums um- herzureiſen. Da er nun überall verſtändig und kräftig zu reden gewußt, auch lieblich von Geſtalt geweſen, ſo blieb ſeine Arbeit nicht ohne vielfältigen Segen. Aber oft, wenn er ſo allein ſeine Straße fortlief, bei Schäfern auf dem Felde, bei Köhlern im Walde über- nachten blieb und neben ſo viel Ungemach auch wohl den Spott und die Verachtung der Welt erfahren mußte, war er vor innerer Anfechtung nicht ſicher und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/293
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/293>, abgerufen am 09.05.2024.