Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.Er ist der Thor nicht, daß er fragen wollte, Mag einst der Jugend Blume uns verbleichen, So war die Täuschung doch so himmlisch süße, Wir wollen ihr vorzeitig nicht entsagen. Und unsre Liebe muß dem Adler gleichen: Ob Alles, was die Welt gab, uns verließe -- Die Liebe darf den Flug in's Ew'ge wagen. Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage, Dem Kukuk horchend, in dem Grase liegen, Er scheint das Thal gemächlich einzuwiegen Im friedevollen Gleichklang seiner Klage. Da ist mir wohl; und meine schlimmste Plage, Den Fratzen der Gesellschaft mich zu fügen, Hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen, Wo ich auf eig'ne Weise mich behage. Und wenn die feinen Leute nur erst dächten, Wie schön Poeten ihre Zeit verschwenden, Sie würden mich zulezt noch gar beneiden. Denn des Sonnetts vielfält'ge Kränze flechten Sich wie von selber unter meinen Händen, Indeß die Augen in der Ferne weiden. In der Char-Woche. O Woche, Zeugin heiliger Beschwerde! Du stimmst so ernst zu dieser Frühlingswonne, Und breitest im verjüngten Strahl der Sonne Des Kreuzes dunkeln Schatten auf die Erde. Du hängest schweigend deine Flöre nieder, Der Frühling darf indessen immer keimen, Er iſt der Thor nicht, daß er fragen wollte, Mag einſt der Jugend Blume uns verbleichen, So war die Täuſchung doch ſo himmliſch ſüße, Wir wollen ihr vorzeitig nicht entſagen. Und unſre Liebe muß dem Adler gleichen: Ob Alles, was die Welt gab, uns verließe — Die Liebe darf den Flug in’s Ew’ge wagen. Am Waldſaum kann ich lange Nachmittage, Dem Kukuk horchend, in dem Graſe liegen, Er ſcheint das Thal gemächlich einzuwiegen Im friedevollen Gleichklang ſeiner Klage. Da iſt mir wohl; und meine ſchlimmſte Plage, Den Fratzen der Geſellſchaft mich zu fügen, Hier wird ſie mich doch endlich nicht bekriegen, Wo ich auf eig’ne Weiſe mich behage. Und wenn die feinen Leute nur erſt dächten, Wie ſchön Poeten ihre Zeit verſchwenden, Sie würden mich zulezt noch gar beneiden. Denn des Sonnetts vielfält’ge Kränze flechten Sich wie von ſelber unter meinen Händen, Indeß die Augen in der Ferne weiden. In der Char-Woche. O Woche, Zeugin heiliger Beſchwerde! Du ſtimmſt ſo ernſt zu dieſer Frühlingswonne, Und breiteſt im verjüngten Strahl der Sonne Des Kreuzes dunkeln Schatten auf die Erde. Du hängeſt ſchweigend deine Flöre nieder, Der Frühling darf indeſſen immer keimen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <pb facs="#f0290" n="604"/> <l>Er iſt der Thor nicht, daß er fragen wollte,</l><lb/> <l>Ob er das Haupt nicht an die Wölbung ſtoße.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Mag einſt der Jugend Blume uns verbleichen,</l><lb/> <l>So war die Täuſchung doch ſo himmliſch ſüße,</l><lb/> <l>Wir wollen ihr vorzeitig nicht entſagen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und unſre Liebe muß dem Adler gleichen:</l><lb/> <l>Ob Alles, was die Welt gab, uns verließe —</l><lb/> <l>Die Liebe darf den Flug in’s Ew’ge wagen.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Am Waldſaum kann ich lange Nachmittage,</l><lb/> <l>Dem Kukuk horchend, in dem Graſe liegen,</l><lb/> <l>Er ſcheint das Thal gemächlich einzuwiegen</l><lb/> <l>Im friedevollen Gleichklang ſeiner Klage.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Da iſt mir wohl; und meine ſchlimmſte Plage,</l><lb/> <l>Den Fratzen der Geſellſchaft mich zu fügen,</l><lb/> <l>Hier wird ſie mich doch endlich nicht bekriegen,</l><lb/> <l>Wo ich auf eig’ne Weiſe mich behage.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und wenn die feinen Leute nur erſt dächten,</l><lb/> <l>Wie ſchön Poeten ihre Zeit verſchwenden,</l><lb/> <l>Sie würden mich zulezt noch gar beneiden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Denn des Sonnetts vielfält’ge Kränze flechten</l><lb/> <l>Sich wie von ſelber unter meinen Händen,</l><lb/> <l>Indeß die Augen in der Ferne weiden.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">In der Char-Woche</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>O Woche, Zeugin heiliger Beſchwerde!</l><lb/> <l>Du ſtimmſt ſo ernſt zu dieſer Frühlingswonne,</l><lb/> <l>Und breiteſt im verjüngten Strahl der Sonne</l><lb/> <l>Des Kreuzes dunkeln Schatten auf die Erde.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du hängeſt ſchweigend deine Flöre nieder,</l><lb/> <l>Der Frühling darf indeſſen immer keimen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [604/0290]
Er iſt der Thor nicht, daß er fragen wollte,
Ob er das Haupt nicht an die Wölbung ſtoße.
Mag einſt der Jugend Blume uns verbleichen,
So war die Täuſchung doch ſo himmliſch ſüße,
Wir wollen ihr vorzeitig nicht entſagen.
Und unſre Liebe muß dem Adler gleichen:
Ob Alles, was die Welt gab, uns verließe —
Die Liebe darf den Flug in’s Ew’ge wagen.
Am Waldſaum kann ich lange Nachmittage,
Dem Kukuk horchend, in dem Graſe liegen,
Er ſcheint das Thal gemächlich einzuwiegen
Im friedevollen Gleichklang ſeiner Klage.
Da iſt mir wohl; und meine ſchlimmſte Plage,
Den Fratzen der Geſellſchaft mich zu fügen,
Hier wird ſie mich doch endlich nicht bekriegen,
Wo ich auf eig’ne Weiſe mich behage.
Und wenn die feinen Leute nur erſt dächten,
Wie ſchön Poeten ihre Zeit verſchwenden,
Sie würden mich zulezt noch gar beneiden.
Denn des Sonnetts vielfält’ge Kränze flechten
Sich wie von ſelber unter meinen Händen,
Indeß die Augen in der Ferne weiden.
In der Char-Woche.
O Woche, Zeugin heiliger Beſchwerde!
Du ſtimmſt ſo ernſt zu dieſer Frühlingswonne,
Und breiteſt im verjüngten Strahl der Sonne
Des Kreuzes dunkeln Schatten auf die Erde.
Du hängeſt ſchweigend deine Flöre nieder,
Der Frühling darf indeſſen immer keimen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |