Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.In deinem Arm! o seliger Gewinn! Doch wird auch hier die alte Wehmuth rege, Ich schwindle trunken auf dem Himmelsstege, Die Gegenwart flieht taumelnd vor mir hin. So denk' ich oft: dieß schnell bewegte Herz, Vom Ueberglück der Liebe stets beklommen, Wird wohl auf Erden nie zur Ruhe kommen; Im ew'gen Lichte löst sich jeder Schmerz, Und all' die schwülen Leidenschaften fließen Wie ros'ge Wolken, träumend, uns zu Füßen. Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt, Mich stumm an deinem heil'gen Werth vergnüge, Da hör' ich oft die leisen Athemzüge Des Engels, welcher sich in dir verhüllt. Und ein erstaunt, ein selig Lächeln quillt Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge, Daß nun in dir, zu himmlischer Genüge, Mein kühnster Wunsch, mein einz'ger, sich erfüllt. Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn, Ich höre aus der Gottheit nächt'ger Ferne Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen; Betäubt kehr' ich den Blick nach oben hin, Zum Himmel auf -- da lächeln alle Sterne! Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen. Schön prangt im Silberthau die junge Rose, Den ihr der Morgen in den Busen rollte, Sie blüht, als ob sie nie verblühen sollte, Sie ahnet nichts vom lezten Blumen-Loose. Der Adler strebt hinan in's Grenzenlose, Sein Auge trinkt sich voll von sprüh'ndem Golde, In deinem Arm! o ſeliger Gewinn! Doch wird auch hier die alte Wehmuth rege, Ich ſchwindle trunken auf dem Himmelsſtege, Die Gegenwart flieht taumelnd vor mir hin. So denk’ ich oft: dieß ſchnell bewegte Herz, Vom Ueberglück der Liebe ſtets beklommen, Wird wohl auf Erden nie zur Ruhe kommen; Im ew’gen Lichte löst ſich jeder Schmerz, Und all’ die ſchwülen Leidenſchaften fließen Wie roſ’ge Wolken, träumend, uns zu Füßen. Wenn ich, von deinem Anſchaun tief geſtillt, Mich ſtumm an deinem heil’gen Werth vergnüge, Da hör’ ich oft die leiſen Athemzüge Des Engels, welcher ſich in dir verhüllt. Und ein erſtaunt, ein ſelig Lächeln quillt Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge, Daß nun in dir, zu himmliſcher Genüge, Mein kühnſter Wunſch, mein einz’ger, ſich erfüllt. Von Tiefe dann zu Tiefen ſtürzt mein Sinn, Ich höre aus der Gottheit nächt’ger Ferne Die Quellen des Geſchicks melodiſch rauſchen; Betäubt kehr’ ich den Blick nach oben hin, Zum Himmel auf — da lächeln alle Sterne! Ich kniee, ihrem Lichtgeſang zu lauſchen. Schön prangt im Silberthau die junge Roſe, Den ihr der Morgen in den Buſen rollte, Sie blüht, als ob ſie nie verblühen ſollte, Sie ahnet nichts vom lezten Blumen-Looſe. Der Adler ſtrebt hinan in’s Grenzenloſe, Sein Auge trinkt ſich voll von ſprüh’ndem Golde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0289" n="603"/> <lg n="2"> <l>In deinem Arm! o ſeliger Gewinn!</l><lb/> <l>Doch wird auch hier die alte Wehmuth rege,</l><lb/> <l>Ich ſchwindle trunken auf dem Himmelsſtege,</l><lb/> <l>Die Gegenwart flieht taumelnd vor mir hin.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So denk’ ich oft: dieß ſchnell bewegte Herz,</l><lb/> <l>Vom Ueberglück der Liebe ſtets beklommen,</l><lb/> <l>Wird wohl auf Erden nie zur Ruhe kommen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Im ew’gen Lichte löst ſich jeder Schmerz,</l><lb/> <l>Und all’ die ſchwülen Leidenſchaften fließen</l><lb/> <l>Wie roſ’ge Wolken, träumend, uns zu Füßen.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn ich, von deinem Anſchaun tief geſtillt,</l><lb/> <l>Mich ſtumm an deinem heil’gen Werth vergnüge,</l><lb/> <l>Da hör’ ich oft die leiſen Athemzüge</l><lb/> <l>Des Engels, welcher ſich in dir verhüllt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und ein erſtaunt, ein ſelig Lächeln quillt</l><lb/> <l>Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge,</l><lb/> <l>Daß nun in dir, zu himmliſcher Genüge,</l><lb/> <l>Mein kühnſter Wunſch, mein einz’ger, ſich erfüllt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Von Tiefe dann zu Tiefen ſtürzt mein Sinn,</l><lb/> <l>Ich höre aus der Gottheit nächt’ger Ferne</l><lb/> <l>Die Quellen des Geſchicks melodiſch rauſchen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Betäubt kehr’ ich den Blick nach oben hin,</l><lb/> <l>Zum Himmel auf — da lächeln alle Sterne!</l><lb/> <l>Ich kniee, ihrem Lichtgeſang zu lauſchen.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Schön prangt im Silberthau die junge Roſe,</l><lb/> <l>Den ihr der Morgen in den Buſen rollte,</l><lb/> <l>Sie blüht, als ob ſie nie verblühen ſollte,</l><lb/> <l>Sie ahnet nichts vom lezten Blumen-Looſe.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Adler ſtrebt hinan in’s Grenzenloſe,</l><lb/> <l>Sein Auge trinkt ſich voll von ſprüh’ndem Golde,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [603/0289]
In deinem Arm! o ſeliger Gewinn!
Doch wird auch hier die alte Wehmuth rege,
Ich ſchwindle trunken auf dem Himmelsſtege,
Die Gegenwart flieht taumelnd vor mir hin.
So denk’ ich oft: dieß ſchnell bewegte Herz,
Vom Ueberglück der Liebe ſtets beklommen,
Wird wohl auf Erden nie zur Ruhe kommen;
Im ew’gen Lichte löst ſich jeder Schmerz,
Und all’ die ſchwülen Leidenſchaften fließen
Wie roſ’ge Wolken, träumend, uns zu Füßen.
Wenn ich, von deinem Anſchaun tief geſtillt,
Mich ſtumm an deinem heil’gen Werth vergnüge,
Da hör’ ich oft die leiſen Athemzüge
Des Engels, welcher ſich in dir verhüllt.
Und ein erſtaunt, ein ſelig Lächeln quillt
Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge,
Daß nun in dir, zu himmliſcher Genüge,
Mein kühnſter Wunſch, mein einz’ger, ſich erfüllt.
Von Tiefe dann zu Tiefen ſtürzt mein Sinn,
Ich höre aus der Gottheit nächt’ger Ferne
Die Quellen des Geſchicks melodiſch rauſchen;
Betäubt kehr’ ich den Blick nach oben hin,
Zum Himmel auf — da lächeln alle Sterne!
Ich kniee, ihrem Lichtgeſang zu lauſchen.
Schön prangt im Silberthau die junge Roſe,
Den ihr der Morgen in den Buſen rollte,
Sie blüht, als ob ſie nie verblühen ſollte,
Sie ahnet nichts vom lezten Blumen-Looſe.
Der Adler ſtrebt hinan in’s Grenzenloſe,
Sein Auge trinkt ſich voll von ſprüh’ndem Golde,
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