Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Reichlich durchwirket mit Laubwerk,
Die stolzen Leiber
Sechs gezähmter, riesiger Schlangen,
Tragend und stützend das
Leicht gegitterte Dach.

Aber die Braut noch wartet bescheiden
In dem Kämmerlein ihres Hauses.
Endlich bewegt sich der Zug der Hochzeit,
Fackeln tragend,
Feierlich stumm.
Und in der Mitte,
Mich an der linken Hand,
Schwarzgekleidet geht einfach die Braut;
Schöngefaltet ein Scharlachtuch
Liegt um den zierlichen Kopf geschlagen,
Lächelnd geht sie dahin;
Das Mahl schon duftet.
Später, im Lärmen des Fests,
Stahlen wir seitwärts uns Beide
Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd,
Wo im Gebüsche die Rosen brannten,
Wo der Mondstrahl um Lilien zuckte,
Wo die Bäume vom Nachtthau trofen.
Und nun strich sie mir, stillestehend,
Seltsamen Blicks mit dem Finger die Schläfe:
Jählings versank ich in tiefen Schlummer.
Aber gestärkt vom Wunderschlafe
Bin ich erwacht zu glückseligen Tagen,
Führte die seltsame Braut in mein Haus ein.

Warnung.
Der Spiegel dieser treuen braunen Augen
Ist wie von innrem Gold ein Widerschein;

Reichlich durchwirket mit Laubwerk,
Die ſtolzen Leiber
Sechs gezähmter, rieſiger Schlangen,
Tragend und ſtützend das
Leicht gegitterte Dach.

Aber die Braut noch wartet beſcheiden
In dem Kämmerlein ihres Hauſes.
Endlich bewegt ſich der Zug der Hochzeit,
Fackeln tragend,
Feierlich ſtumm.
Und in der Mitte,
Mich an der linken Hand,
Schwarzgekleidet geht einfach die Braut;
Schöngefaltet ein Scharlachtuch
Liegt um den zierlichen Kopf geſchlagen,
Lächelnd geht ſie dahin;
Das Mahl ſchon duftet.
Später, im Lärmen des Feſts,
Stahlen wir ſeitwärts uns Beide
Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd,
Wo im Gebüſche die Roſen brannten,
Wo der Mondſtrahl um Lilien zuckte,
Wo die Bäume vom Nachtthau trofen.
Und nun ſtrich ſie mir, ſtilleſtehend,
Seltſamen Blicks mit dem Finger die Schläfe:
Jählings verſank ich in tiefen Schlummer.
Aber geſtärkt vom Wunderſchlafe
Bin ich erwacht zu glückſeligen Tagen,
Führte die ſeltſame Braut in mein Haus ein.

Warnung.
Der Spiegel dieſer treuen braunen Augen
Iſt wie von innrem Gold ein Widerſchein;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0244" n="558"/>
              <l>Reichlich durchwirket mit Laubwerk,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;tolzen Leiber</l><lb/>
              <l>Sechs gezähmter, rie&#x017F;iger Schlangen,</l><lb/>
              <l>Tragend und &#x017F;tützend das</l><lb/>
              <l>Leicht gegitterte Dach.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Aber die Braut noch wartet be&#x017F;cheiden</l><lb/>
              <l>In dem Kämmerlein ihres Hau&#x017F;es.</l><lb/>
              <l>Endlich bewegt &#x017F;ich der Zug der Hochzeit,</l><lb/>
              <l>Fackeln tragend,</l><lb/>
              <l>Feierlich &#x017F;tumm.</l><lb/>
              <l>Und in der Mitte,</l><lb/>
              <l>Mich an der linken Hand,</l><lb/>
              <l>Schwarzgekleidet geht einfach die Braut;</l><lb/>
              <l>Schöngefaltet ein Scharlachtuch</l><lb/>
              <l>Liegt um den zierlichen Kopf ge&#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>Lächelnd geht &#x017F;ie dahin;</l><lb/>
              <l>Das Mahl &#x017F;chon duftet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Später, im Lärmen des Fe&#x017F;ts,</l><lb/>
              <l>Stahlen wir &#x017F;eitwärts uns Beide</l><lb/>
              <l>Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd,</l><lb/>
              <l>Wo im Gebü&#x017F;che die Ro&#x017F;en brannten,</l><lb/>
              <l>Wo der Mond&#x017F;trahl um Lilien zuckte,</l><lb/>
              <l>Wo die Bäume vom Nachtthau trofen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und nun &#x017F;trich &#x017F;ie mir, &#x017F;tille&#x017F;tehend,</l><lb/>
              <l>Selt&#x017F;amen Blicks mit dem Finger die Schläfe:</l><lb/>
              <l>Jählings ver&#x017F;ank ich in tiefen Schlummer.</l><lb/>
              <l>Aber ge&#x017F;tärkt vom Wunder&#x017F;chlafe</l><lb/>
              <l>Bin ich erwacht zu glück&#x017F;eligen Tagen,</l><lb/>
              <l>Führte die &#x017F;elt&#x017F;ame Braut in mein Haus ein.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#g">Warnung</hi>.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Der Spiegel die&#x017F;er treuen braunen Augen</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t wie von innrem Gold ein Wider&#x017F;chein;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[558/0244] Reichlich durchwirket mit Laubwerk, Die ſtolzen Leiber Sechs gezähmter, rieſiger Schlangen, Tragend und ſtützend das Leicht gegitterte Dach. Aber die Braut noch wartet beſcheiden In dem Kämmerlein ihres Hauſes. Endlich bewegt ſich der Zug der Hochzeit, Fackeln tragend, Feierlich ſtumm. Und in der Mitte, Mich an der linken Hand, Schwarzgekleidet geht einfach die Braut; Schöngefaltet ein Scharlachtuch Liegt um den zierlichen Kopf geſchlagen, Lächelnd geht ſie dahin; Das Mahl ſchon duftet. Später, im Lärmen des Feſts, Stahlen wir ſeitwärts uns Beide Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd, Wo im Gebüſche die Roſen brannten, Wo der Mondſtrahl um Lilien zuckte, Wo die Bäume vom Nachtthau trofen. Und nun ſtrich ſie mir, ſtilleſtehend, Seltſamen Blicks mit dem Finger die Schläfe: Jählings verſank ich in tiefen Schlummer. Aber geſtärkt vom Wunderſchlafe Bin ich erwacht zu glückſeligen Tagen, Führte die ſeltſame Braut in mein Haus ein. Warnung. Der Spiegel dieſer treuen braunen Augen Iſt wie von innrem Gold ein Widerſchein;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/244
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/244>, abgerufen am 02.05.2024.