Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.Tief aus dem Busen scheint er's anzusaugen, Scheiden von Ihr. Ein Irrsal kam in die Mondscheinsgärten Einer einst heiligen Liebe, Schaudernd entdeckt' ich verjährten Betrug; Und mit weinendem Blick, doch grausam Hieß ich das schlanke, Zauberhafte Mädchen Ferne gehen von mir. Ach, ihre hohe Stirn, Drin ein schöner, sündhafter Wahnsinn Aus dem dunkelen Auge blickte, War gesenkt, denn sie liebte mich. Aber sie zog mit Schweigen Fort in die graue, Stille Welt hinaus. Von der Zeit an Kamen mir Träume voll schöner Trübe, Wie gesponnen auf Nebelgrund, Wußte nimmer, wie mir geschah, War nur schmachtend, seliger Krankheit voll. Oft in den Träumen zog sich ein Vorhang Finster und groß in's Unendliche, Zwischen mich und die dunkle Welt. Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland, Hinter ihm hört' ich's wie Nachtwind sausen; Tief aus dem Buſen ſcheint er’s anzuſaugen, Scheiden von Ihr. Ein Irrſal kam in die Mondſcheinsgärten Einer einſt heiligen Liebe, Schaudernd entdeckt’ ich verjährten Betrug; Und mit weinendem Blick, doch grauſam Hieß ich das ſchlanke, Zauberhafte Mädchen Ferne gehen von mir. Ach, ihre hohe Stirn, Drin ein ſchöner, ſündhafter Wahnſinn Aus dem dunkelen Auge blickte, War geſenkt, denn ſie liebte mich. Aber ſie zog mit Schweigen Fort in die graue, Stille Welt hinaus. Von der Zeit an Kamen mir Träume voll ſchöner Trübe, Wie geſponnen auf Nebelgrund, Wußte nimmer, wie mir geſchah, War nur ſchmachtend, ſeliger Krankheit voll. Oft in den Träumen zog ſich ein Vorhang Finſter und groß in’s Unendliche, Zwiſchen mich und die dunkle Welt. Hinter ihm ahnt’ ich ein Haideland, Hinter ihm hört’ ich’s wie Nachtwind ſauſen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0245" n="559"/> <l>Tief aus dem Buſen ſcheint er’s anzuſaugen,</l><lb/> <l>Dort mag ſolch’ Gold in heil’gem Gram gedeihn.</l><lb/> <l>In dieſe Nacht des Blickes mich zu tauchen,</l><lb/> <l>Unſchuldig Kind, du ſelber lädſt mich ein,</l><lb/> <l>Willſt, ich ſoll kecklich dich und mich entzünden —</l><lb/> <l>Reichſt lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Scheiden von Ihr</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Ein Irrſal kam in die Mondſcheinsgärten</l><lb/> <l>Einer einſt heiligen Liebe,</l><lb/> <l>Schaudernd entdeckt’ ich verjährten Betrug;</l><lb/> <l>Und mit weinendem Blick, doch grauſam</l><lb/> <l>Hieß ich das ſchlanke,</l><lb/> <l>Zauberhafte Mädchen</l><lb/> <l>Ferne gehen von mir.</l><lb/> <l>Ach, ihre hohe Stirn,</l><lb/> <l>Drin ein ſchöner, ſündhafter Wahnſinn</l><lb/> <l>Aus dem dunkelen Auge blickte,</l><lb/> <l>War geſenkt, denn ſie liebte mich.</l><lb/> <l>Aber ſie zog mit Schweigen</l><lb/> <l>Fort in die graue,</l><lb/> <l>Stille Welt hinaus.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Von der Zeit an</l><lb/> <l>Kamen mir Träume voll ſchöner Trübe,</l><lb/> <l>Wie geſponnen auf Nebelgrund,</l><lb/> <l>Wußte nimmer, wie mir geſchah,</l><lb/> <l>War nur ſchmachtend, ſeliger Krankheit voll.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Oft in den Träumen zog ſich ein Vorhang</l><lb/> <l>Finſter und groß in’s Unendliche,</l><lb/> <l>Zwiſchen mich und die dunkle Welt.</l><lb/> <l>Hinter ihm ahnt’ ich ein Haideland,</l><lb/> <l>Hinter ihm hört’ ich’s wie Nachtwind ſauſen;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [559/0245]
Tief aus dem Buſen ſcheint er’s anzuſaugen,
Dort mag ſolch’ Gold in heil’gem Gram gedeihn.
In dieſe Nacht des Blickes mich zu tauchen,
Unſchuldig Kind, du ſelber lädſt mich ein,
Willſt, ich ſoll kecklich dich und mich entzünden —
Reichſt lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!
Scheiden von Ihr.
Ein Irrſal kam in die Mondſcheinsgärten
Einer einſt heiligen Liebe,
Schaudernd entdeckt’ ich verjährten Betrug;
Und mit weinendem Blick, doch grauſam
Hieß ich das ſchlanke,
Zauberhafte Mädchen
Ferne gehen von mir.
Ach, ihre hohe Stirn,
Drin ein ſchöner, ſündhafter Wahnſinn
Aus dem dunkelen Auge blickte,
War geſenkt, denn ſie liebte mich.
Aber ſie zog mit Schweigen
Fort in die graue,
Stille Welt hinaus.
Von der Zeit an
Kamen mir Träume voll ſchöner Trübe,
Wie geſponnen auf Nebelgrund,
Wußte nimmer, wie mir geſchah,
War nur ſchmachtend, ſeliger Krankheit voll.
Oft in den Träumen zog ſich ein Vorhang
Finſter und groß in’s Unendliche,
Zwiſchen mich und die dunkle Welt.
Hinter ihm ahnt’ ich ein Haideland,
Hinter ihm hört’ ich’s wie Nachtwind ſauſen;
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