bäudes, jedoch meist nur von Holz und auf den Schein berechnet. Altan und Treppe waren dort verwittert und ohne Gefahr nicht mehr zu betreten.
Die Gesellschaft begab sich in's Innere des Hau- ses, und bis zum Abendessen trieb ein Jedes was ihm beliebte. Der Präsident ließ seinen Gästen Zeit, es sich bequem zu machen. Gleich Anfangs hatte er den Grundsatz erklärt, es müsse neben den Stunden der gemeinsamen Unterhaltung und des unmittelbaren Beieinanderseyns durchaus auch eine Menge Augen- blicke geben, die, so zu sagen, den zweiten und indi- rekten, gewiß nicht minder lieblichen Theil der Ge- selligkeit ausmachen, wo es erfreulich genug sey, sich mit einander unter Einem Dache zu wissen, sich zu- fällig zu begegnen und eben so nach Laune festzuhal- ten. Unseren beiden Frauenzimmern, welche dem Hausherrn gegenüber doch immer etwas von Schüch- ternheit bei sich verspürten, kam eine solche Freiheit zu ganz besonderm Troste, dem Maler war sie ohne- hin Bedürfniß, und sogleich gab der Präsident das Beispiel, indem er sich noch auf ein Stündchen in's Arbeitskabinet zurückzog.
Die Tischzeit versammelte Alle auf's Neue, und als man sich zulezt gute Nacht sagte, trat Jedem der Gedanke erstaunend vor die Seele, durch was für eine ungeheure Fügung sich die fremdesten Men- schen dergestalt haben zusammen finden können, daß es schon heute schien, als hätte man sich immerdar
bäudes, jedoch meiſt nur von Holz und auf den Schein berechnet. Altan und Treppe waren dort verwittert und ohne Gefahr nicht mehr zu betreten.
Die Geſellſchaft begab ſich in’s Innere des Hau- ſes, und bis zum Abendeſſen trieb ein Jedes was ihm beliebte. Der Präſident ließ ſeinen Gäſten Zeit, es ſich bequem zu machen. Gleich Anfangs hatte er den Grundſatz erklärt, es müſſe neben den Stunden der gemeinſamen Unterhaltung und des unmittelbaren Beieinanderſeyns durchaus auch eine Menge Augen- blicke geben, die, ſo zu ſagen, den zweiten und indi- rekten, gewiß nicht minder lieblichen Theil der Ge- ſelligkeit ausmachen, wo es erfreulich genug ſey, ſich mit einander unter Einem Dache zu wiſſen, ſich zu- fällig zu begegnen und eben ſo nach Laune feſtzuhal- ten. Unſeren beiden Frauenzimmern, welche dem Hausherrn gegenüber doch immer etwas von Schüch- ternheit bei ſich verſpürten, kam eine ſolche Freiheit zu ganz beſonderm Troſte, dem Maler war ſie ohne- hin Bedürfniß, und ſogleich gab der Präſident das Beiſpiel, indem er ſich noch auf ein Stündchen in’s Arbeitskabinet zurückzog.
Die Tiſchzeit verſammelte Alle auf’s Neue, und als man ſich zulezt gute Nacht ſagte, trat Jedem der Gedanke erſtaunend vor die Seele, durch was für eine ungeheure Fügung ſich die fremdeſten Men- ſchen dergeſtalt haben zuſammen finden können, daß es ſchon heute ſchien, als hätte man ſich immerdar
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0229"n="[543]"/>
bäudes, jedoch meiſt nur von Holz und auf den Schein<lb/>
berechnet. Altan und Treppe waren dort verwittert<lb/>
und ohne Gefahr nicht mehr zu betreten.</p><lb/><p>Die Geſellſchaft begab ſich in’s Innere des Hau-<lb/>ſes, und bis zum Abendeſſen trieb ein Jedes was<lb/>
ihm beliebte. Der Präſident ließ ſeinen Gäſten Zeit,<lb/>
es ſich bequem zu machen. Gleich Anfangs hatte er<lb/>
den Grundſatz erklärt, es müſſe neben den Stunden<lb/>
der gemeinſamen Unterhaltung und des unmittelbaren<lb/>
Beieinanderſeyns durchaus auch eine Menge Augen-<lb/>
blicke geben, die, ſo zu ſagen, den zweiten und indi-<lb/>
rekten, gewiß nicht minder lieblichen Theil der Ge-<lb/>ſelligkeit ausmachen, wo es erfreulich genug ſey, ſich<lb/>
mit einander unter Einem Dache zu wiſſen, ſich zu-<lb/>
fällig zu begegnen und eben ſo nach Laune feſtzuhal-<lb/>
ten. Unſeren beiden Frauenzimmern, welche dem<lb/>
Hausherrn gegenüber doch immer etwas von Schüch-<lb/>
ternheit bei ſich verſpürten, kam eine ſolche Freiheit<lb/>
zu ganz beſonderm Troſte, dem Maler war ſie ohne-<lb/>
hin Bedürfniß, und ſogleich gab der Präſident das<lb/>
Beiſpiel, indem er ſich noch auf ein Stündchen in’s<lb/>
Arbeitskabinet zurückzog.</p><lb/><p>Die Tiſchzeit verſammelte Alle auf’s Neue, und<lb/>
als man ſich zulezt gute Nacht ſagte, trat Jedem<lb/>
der Gedanke erſtaunend vor die Seele, durch was<lb/>
für eine ungeheure Fügung ſich die fremdeſten Men-<lb/>ſchen dergeſtalt haben zuſammen finden können, daß<lb/>
es ſchon heute ſchien, als hätte man ſich immerdar<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[543]/0229]
bäudes, jedoch meiſt nur von Holz und auf den Schein
berechnet. Altan und Treppe waren dort verwittert
und ohne Gefahr nicht mehr zu betreten.
Die Geſellſchaft begab ſich in’s Innere des Hau-
ſes, und bis zum Abendeſſen trieb ein Jedes was
ihm beliebte. Der Präſident ließ ſeinen Gäſten Zeit,
es ſich bequem zu machen. Gleich Anfangs hatte er
den Grundſatz erklärt, es müſſe neben den Stunden
der gemeinſamen Unterhaltung und des unmittelbaren
Beieinanderſeyns durchaus auch eine Menge Augen-
blicke geben, die, ſo zu ſagen, den zweiten und indi-
rekten, gewiß nicht minder lieblichen Theil der Ge-
ſelligkeit ausmachen, wo es erfreulich genug ſey, ſich
mit einander unter Einem Dache zu wiſſen, ſich zu-
fällig zu begegnen und eben ſo nach Laune feſtzuhal-
ten. Unſeren beiden Frauenzimmern, welche dem
Hausherrn gegenüber doch immer etwas von Schüch-
ternheit bei ſich verſpürten, kam eine ſolche Freiheit
zu ganz beſonderm Troſte, dem Maler war ſie ohne-
hin Bedürfniß, und ſogleich gab der Präſident das
Beiſpiel, indem er ſich noch auf ein Stündchen in’s
Arbeitskabinet zurückzog.
Die Tiſchzeit verſammelte Alle auf’s Neue, und
als man ſich zulezt gute Nacht ſagte, trat Jedem
der Gedanke erſtaunend vor die Seele, durch was
für eine ungeheure Fügung ſich die fremdeſten Men-
ſchen dergeſtalt haben zuſammen finden können, daß
es ſchon heute ſchien, als hätte man ſich immerdar
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. [543]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/229>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.