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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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war vergessen. Zu der Reise ließ sie sich willig fin-
den und mit den Vorbereitungen ward noch heute
der Anfang gemacht. Zur erheiternden Begleitung wollte
man unterwegs Nannetten, Theobalds jüngste
Schwester, aufnehmen, die er ohnedieß vor der Hand
zu sich zu nehmen entschlossen war.


Nunmehr überspringen wir einen Zeitraum von
wenigen Wochen, in denen der Wagen unsrer beiden
Liebenden schon eine gute Strecke weit auf landfremden
Wegen fortgerollt seyn mag. Man war um zwei muntere
Augen vermehrt und in der That um so viel reicher
geworden. Denn wenn das Glück eines Paares, wel-
chem vergönnt ist, auf unabhängige und bequeme Weise
ein größeres Stück Welt mit einander zu sehen, schon
an sich für den seligsten Gipfel des mit zarten Sor-
gen und Freuden so vielfach durchflochtenen Braut-
standes mit Recht gehalten wird, so gewinnt diese
glückliche Zweiheit gar sehr an herzinnigem Reiz durch
das Hinzutreten einer engbefreundeten jüngern Person,
deren lebendige, mehr nach Außen gerichtete Aufmerk-
samkeit den Beiden die vorüberfliegende Welt in er-
höhter Wirklichkeit zuführt, und jene wortlose Beschau-
lichkeit, worein Liebende in solcher Lage sich sonst so
gerne einwiegen lassen, immer wieder wohlthätig auf-
schüttelt. Eine solche Ableitung nun war unserm Paare
um so nöthiger, als gewisse schwere Stoffe auf dem
Grunde der Gemüther, so wenig man es einander ein-

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war vergeſſen. Zu der Reiſe ließ ſie ſich willig fin-
den und mit den Vorbereitungen ward noch heute
der Anfang gemacht. Zur erheiternden Begleitung wollte
man unterwegs Nannetten, Theobalds jüngſte
Schweſter, aufnehmen, die er ohnedieß vor der Hand
zu ſich zu nehmen entſchloſſen war.


Nunmehr überſpringen wir einen Zeitraum von
wenigen Wochen, in denen der Wagen unſrer beiden
Liebenden ſchon eine gute Strecke weit auf landfremden
Wegen fortgerollt ſeyn mag. Man war um zwei muntere
Augen vermehrt und in der That um ſo viel reicher
geworden. Denn wenn das Glück eines Paares, wel-
chem vergönnt iſt, auf unabhängige und bequeme Weiſe
ein größeres Stück Welt mit einander zu ſehen, ſchon
an ſich für den ſeligſten Gipfel des mit zarten Sor-
gen und Freuden ſo vielfach durchflochtenen Braut-
ſtandes mit Recht gehalten wird, ſo gewinnt dieſe
glückliche Zweiheit gar ſehr an herzinnigem Reiz durch
das Hinzutreten einer engbefreundeten jüngern Perſon,
deren lebendige, mehr nach Außen gerichtete Aufmerk-
ſamkeit den Beiden die vorüberfliegende Welt in er-
höhter Wirklichkeit zuführt, und jene wortloſe Beſchau-
lichkeit, worein Liebende in ſolcher Lage ſich ſonſt ſo
gerne einwiegen laſſen, immer wieder wohlthätig auf-
ſchüttelt. Eine ſolche Ableitung nun war unſerm Paare
um ſo nöthiger, als gewiſſe ſchwere Stoffe auf dem
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[481/0167] war vergeſſen. Zu der Reiſe ließ ſie ſich willig fin- den und mit den Vorbereitungen ward noch heute der Anfang gemacht. Zur erheiternden Begleitung wollte man unterwegs Nannetten, Theobalds jüngſte Schweſter, aufnehmen, die er ohnedieß vor der Hand zu ſich zu nehmen entſchloſſen war. Nunmehr überſpringen wir einen Zeitraum von wenigen Wochen, in denen der Wagen unſrer beiden Liebenden ſchon eine gute Strecke weit auf landfremden Wegen fortgerollt ſeyn mag. Man war um zwei muntere Augen vermehrt und in der That um ſo viel reicher geworden. Denn wenn das Glück eines Paares, wel- chem vergönnt iſt, auf unabhängige und bequeme Weiſe ein größeres Stück Welt mit einander zu ſehen, ſchon an ſich für den ſeligſten Gipfel des mit zarten Sor- gen und Freuden ſo vielfach durchflochtenen Braut- ſtandes mit Recht gehalten wird, ſo gewinnt dieſe glückliche Zweiheit gar ſehr an herzinnigem Reiz durch das Hinzutreten einer engbefreundeten jüngern Perſon, deren lebendige, mehr nach Außen gerichtete Aufmerk- ſamkeit den Beiden die vorüberfliegende Welt in er- höhter Wirklichkeit zuführt, und jene wortloſe Beſchau- lichkeit, worein Liebende in ſolcher Lage ſich ſonſt ſo gerne einwiegen laſſen, immer wieder wohlthätig auf- ſchüttelt. Eine ſolche Ableitung nun war unſerm Paare um ſo nöthiger, als gewiſſe ſchwere Stoffe auf dem Grunde der Gemüther, ſo wenig man es einander ein- 31

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/167>, abgerufen am 26.11.2024.