Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

doch räthselhaft in allen Stücken, galt er bei seinen
Gesellen fast für ein überirdisches Wesen, und sein
durchdringender Blick mäßigte ihr Benehmen bis zur
Bescheidenheit herunter. Wär' ich damals im Lande
Herzog gewesen, wer weiß, ob ich ihn nicht geduldet,
nicht ein Auge zugedrückt hätte gegen seine Hantie-
rung. Es war, als führte er seine Leute nur zu
fröhlichen Kampfspielen an. Seht, hier dieser herr-
liche Hügel war sein Lieblingsplatz, wo er ausruhte,
wenn er einen guten Fang gethan hatte; und wie
er denn immer eine besondere Passion für gewisse
Gegenden hegte, so gängelt' er seine Truppe richtig
alle Jahr, wenn's Frühling ward, in dieß Revier,
damit er den ferndigen Gukuk wieder höre an dem-
selben Ort. Ein Spielmann war er wie Keiner,
und zwar nicht etwa auf der Zither oder dergleichen,
nein, eine alte abgemagerte Geige war sein Instru-
ment. Da saß er nun, indeß die Andern sich im
Wald, in der Schenke des Dorfs zerstreuten, allein
auf dieser Höhe unter'm lieben Firmament, musicirte
den vier Winden vor und drehte sich wie eine Wet-
terfahne auf'm Absatz herum, die Welt und ihren
Seegen musternd. Der Hügel heißt daher noch heut
zu Tag das Geigenspiel, auch wohl des Geigers
Bühl. -- Und dann, wenn er zu Pferde saß, mit
den hundertfarbigen Bändern auf dem Hute und an
der Brust, immer gepuzt wie eine Schäfersbraut, wie
reizend mag er ausgesehn haben! Ein Paradiesvo-

doch räthſelhaft in allen Stücken, galt er bei ſeinen
Geſellen faſt für ein überirdiſches Weſen, und ſein
durchdringender Blick mäßigte ihr Benehmen bis zur
Beſcheidenheit herunter. Wär’ ich damals im Lande
Herzog geweſen, wer weiß, ob ich ihn nicht geduldet,
nicht ein Auge zugedrückt hätte gegen ſeine Hantie-
rung. Es war, als führte er ſeine Leute nur zu
fröhlichen Kampfſpielen an. Seht, hier dieſer herr-
liche Hügel war ſein Lieblingsplatz, wo er ausruhte,
wenn er einen guten Fang gethan hatte; und wie
er denn immer eine beſondere Paſſion für gewiſſe
Gegenden hegte, ſo gängelt’ er ſeine Truppe richtig
alle Jahr, wenn’s Frühling ward, in dieß Revier,
damit er den ferndigen Gukuk wieder höre an dem-
ſelben Ort. Ein Spielmann war er wie Keiner,
und zwar nicht etwa auf der Zither oder dergleichen,
nein, eine alte abgemagerte Geige war ſein Inſtru-
ment. Da ſaß er nun, indeß die Andern ſich im
Wald, in der Schenke des Dorfs zerſtreuten, allein
auf dieſer Höhe unter’m lieben Firmament, muſicirte
den vier Winden vor und drehte ſich wie eine Wet-
terfahne auf’m Abſatz herum, die Welt und ihren
Seegen muſternd. Der Hügel heißt daher noch heut
zu Tag das Geigenſpiel, auch wohl des Geigers
Bühl. — Und dann, wenn er zu Pferde ſaß, mit
den hundertfarbigen Bändern auf dem Hute und an
der Bruſt, immer gepuzt wie eine Schäfersbraut, wie
reizend mag er ausgeſehn haben! Ein Paradiesvo-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="447"/>
doch räth&#x017F;elhaft in allen Stücken, galt er bei &#x017F;einen<lb/>
Ge&#x017F;ellen fa&#x017F;t für ein überirdi&#x017F;ches We&#x017F;en, und &#x017F;ein<lb/>
durchdringender Blick mäßigte ihr Benehmen bis zur<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit herunter. Wär&#x2019; ich damals im Lande<lb/>
Herzog gewe&#x017F;en, wer weiß, ob ich ihn nicht geduldet,<lb/>
nicht ein Auge zugedrückt hätte gegen &#x017F;eine Hantie-<lb/>
rung. Es war, als führte er &#x017F;eine Leute nur zu<lb/>
fröhlichen Kampf&#x017F;pielen an. Seht, hier die&#x017F;er herr-<lb/>
liche Hügel war &#x017F;ein Lieblingsplatz, wo er ausruhte,<lb/>
wenn er einen guten Fang gethan hatte; und wie<lb/>
er denn immer eine be&#x017F;ondere Pa&#x017F;&#x017F;ion für gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gegenden hegte, &#x017F;o gängelt&#x2019; er &#x017F;eine Truppe richtig<lb/>
alle Jahr, wenn&#x2019;s Frühling ward, in dieß Revier,<lb/>
damit er den ferndigen Gukuk wieder höre an dem-<lb/>
&#x017F;elben Ort. Ein Spielmann war er wie Keiner,<lb/>
und zwar nicht etwa auf der Zither oder dergleichen,<lb/>
nein, eine alte abgemagerte Geige war &#x017F;ein In&#x017F;tru-<lb/>
ment. Da &#x017F;aß er nun, indeß die Andern &#x017F;ich im<lb/>
Wald, in der Schenke des Dorfs zer&#x017F;treuten, allein<lb/>
auf die&#x017F;er Höhe unter&#x2019;m lieben Firmament, mu&#x017F;icirte<lb/>
den vier Winden vor und drehte &#x017F;ich wie eine Wet-<lb/>
terfahne auf&#x2019;m Ab&#x017F;atz herum, die Welt und ihren<lb/>
Seegen mu&#x017F;ternd. Der Hügel heißt daher noch heut<lb/>
zu Tag das Geigen&#x017F;piel, auch wohl des Geigers<lb/>
Bühl. &#x2014; Und dann, wenn er zu Pferde &#x017F;aß, mit<lb/>
den hundertfarbigen Bändern auf dem Hute und an<lb/>
der Bru&#x017F;t, immer gepuzt wie eine Schäfersbraut, wie<lb/>
reizend mag er ausge&#x017F;ehn haben! Ein Paradiesvo-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0133] doch räthſelhaft in allen Stücken, galt er bei ſeinen Geſellen faſt für ein überirdiſches Weſen, und ſein durchdringender Blick mäßigte ihr Benehmen bis zur Beſcheidenheit herunter. Wär’ ich damals im Lande Herzog geweſen, wer weiß, ob ich ihn nicht geduldet, nicht ein Auge zugedrückt hätte gegen ſeine Hantie- rung. Es war, als führte er ſeine Leute nur zu fröhlichen Kampfſpielen an. Seht, hier dieſer herr- liche Hügel war ſein Lieblingsplatz, wo er ausruhte, wenn er einen guten Fang gethan hatte; und wie er denn immer eine beſondere Paſſion für gewiſſe Gegenden hegte, ſo gängelt’ er ſeine Truppe richtig alle Jahr, wenn’s Frühling ward, in dieß Revier, damit er den ferndigen Gukuk wieder höre an dem- ſelben Ort. Ein Spielmann war er wie Keiner, und zwar nicht etwa auf der Zither oder dergleichen, nein, eine alte abgemagerte Geige war ſein Inſtru- ment. Da ſaß er nun, indeß die Andern ſich im Wald, in der Schenke des Dorfs zerſtreuten, allein auf dieſer Höhe unter’m lieben Firmament, muſicirte den vier Winden vor und drehte ſich wie eine Wet- terfahne auf’m Abſatz herum, die Welt und ihren Seegen muſternd. Der Hügel heißt daher noch heut zu Tag das Geigenſpiel, auch wohl des Geigers Bühl. — Und dann, wenn er zu Pferde ſaß, mit den hundertfarbigen Bändern auf dem Hute und an der Bruſt, immer gepuzt wie eine Schäfersbraut, wie reizend mag er ausgeſehn haben! Ein Paradiesvo-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/133
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/133>, abgerufen am 27.04.2024.