gel unter einer Heerde wilder Raben. Etwas eitel denk' ich mir ihn gern, aber auf die Mädchen wenig- stens ging sein Absehn nicht; diese Leidenschaft blieb ihm fremd sein ganzes Leben; er sah die schönen Kin- der nur so wie mährchenhafte Wesen an, im Vor- übergehn, wie man ausländische Vögel sieht im Käfig. Keine Art von Sorge kam ihm bei; es war, als spielt' er mit den Stunden seines Tages wie er wohl zuweilen gerne mit bunten Bällen spielte, die er, mit flachen Händen schlagend, nach der Musik harmonisch in der Luft auf und nieder steigen ließ. Sein In- neres bespiegelte die Welt wie die Sonne einen Be cher goldnen Weines. Mitten selbst in der Gefahr pflegte er zu scherzen und hatte doch sein Auge aller Orten; ja, wäre er bei einem Löwenhetzen gewesen, wo es drunter und drüber geht, ich glaube, er hätte mit der einen Faust das reißende Thier bekämpft und mit der Linken den Sperling geschossen, der ihm just über'm Haupt wegflog. Hundert Geschichtchen hat man von seiner Freigebigkeit. So begegnet er ein- mal einem armen Bäuerlein, das, ihn erblickend, plötz- lich Reißaus nimmt. Den Hauptmann jammert des Mannes, ihn verdrießt die schlimme Meinung, die man von ihm zu haben scheint, er holt den Fliehen- den alsbald mit seinem schnellen Rosse ein, bringt ihn mit freundlichen Worten zum Stehen und wun- dert sich, daß der Alte in der strengsten Kälte mit unbedecktem Kahlkopf ging. Dann sprach er: vor
gel unter einer Heerde wilder Raben. Etwas eitel denk’ ich mir ihn gern, aber auf die Mädchen wenig- ſtens ging ſein Abſehn nicht; dieſe Leidenſchaft blieb ihm fremd ſein ganzes Leben; er ſah die ſchönen Kin- der nur ſo wie mährchenhafte Weſen an, im Vor- übergehn, wie man ausländiſche Vögel ſieht im Käfig. Keine Art von Sorge kam ihm bei; es war, als ſpielt’ er mit den Stunden ſeines Tages wie er wohl zuweilen gerne mit bunten Bällen ſpielte, die er, mit flachen Händen ſchlagend, nach der Muſik harmoniſch in der Luft auf und nieder ſteigen ließ. Sein In- neres beſpiegelte die Welt wie die Sonne einen Be cher goldnen Weines. Mitten ſelbſt in der Gefahr pflegte er zu ſcherzen und hatte doch ſein Auge aller Orten; ja, wäre er bei einem Löwenhetzen geweſen, wo es drunter und drüber geht, ich glaube, er hätte mit der einen Fauſt das reißende Thier bekämpft und mit der Linken den Sperling geſchoſſen, der ihm juſt über’m Haupt wegflog. Hundert Geſchichtchen hat man von ſeiner Freigebigkeit. So begegnet er ein- mal einem armen Bäuerlein, das, ihn erblickend, plötz- lich Reißaus nimmt. Den Hauptmann jammert des Mannes, ihn verdrießt die ſchlimme Meinung, die man von ihm zu haben ſcheint, er holt den Fliehen- den alsbald mit ſeinem ſchnellen Roſſe ein, bringt ihn mit freundlichen Worten zum Stehen und wun- dert ſich, daß der Alte in der ſtrengſten Kälte mit unbedecktem Kahlkopf ging. Dann ſprach er: vor
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gel unter einer Heerde wilder Raben. Etwas eitel
denk’ ich mir ihn gern, aber auf die Mädchen wenig-
ſtens ging ſein Abſehn nicht; dieſe Leidenſchaft blieb
ihm fremd ſein ganzes Leben; er ſah die ſchönen Kin-
der nur ſo wie mährchenhafte Weſen an, im Vor-
übergehn, wie man ausländiſche Vögel ſieht im Käfig.
Keine Art von Sorge kam ihm bei; es war, als
ſpielt’ er mit den Stunden ſeines Tages wie er wohl
zuweilen gerne mit bunten Bällen ſpielte, die er, mit
flachen Händen ſchlagend, nach der Muſik harmoniſch
in der Luft auf und nieder ſteigen ließ. Sein In-
neres beſpiegelte die Welt wie die Sonne einen Be
cher goldnen Weines. Mitten ſelbſt in der Gefahr
pflegte er zu ſcherzen und hatte doch ſein Auge aller
Orten; ja, wäre er bei einem Löwenhetzen geweſen,
wo es drunter und drüber geht, ich glaube, er hätte
mit der einen Fauſt das reißende Thier bekämpft und
mit der Linken den Sperling geſchoſſen, der ihm juſt
über’m Haupt wegflog. Hundert Geſchichtchen hat
man von ſeiner Freigebigkeit. So begegnet er ein-
mal einem armen Bäuerlein, das, ihn erblickend, plötz-
lich Reißaus nimmt. Den Hauptmann jammert des
Mannes, ihn verdrießt die ſchlimme Meinung, die
man von ihm zu haben ſcheint, er holt den Fliehen-
den alsbald mit ſeinem ſchnellen Roſſe ein, bringt
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/134>, abgerufen am 22.11.2024.
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