Aber bald nachher, verflucht! die garstige Niederträch- tigkeit!"
"Nun?"
"Ein zierlicher Laffe kam in's Haus, Geometer, oder was er ist, ein weitläuftiger Vetter aus der be- nachbarten Stadt. Mir ward von freundschaftlicher Hand ein Wink gegeben, daß man sich in dem Bur- scheu, nur auf gewisse Fälle, ein Schwiegersöhnchen reserviren wolle."
"Ist nicht möglich das!" rief Larkens erschrocken aufspringend.
"Und ist gewiß. Zwar Agnes wußt' Anfangs nicht um den saubern Plan, man wollt' abwarten, ob ihr s' Mäulchen nicht selber überliefe, man steckte die Leutchen recht geflissentlich zusammen, daß dem Mädel zulezt wirklich schwindlich ward, denn mein Rival trug ohne Zweifel eine brillante Vorstecknadel, wußte treff- liche Dinge von Bällen und dergleichen zu erzählen, wunderte sich recht mitleidig, daß Fräulein Agnes an solchen Herrlichkeiten keinen Theil nehme, worauf denn das gute Schäfchen sich ebenfalls im Stillen ver- wunderte, sich ganz tiefsinnig in die neue prächtige Welt verguckte, von welcher sie auf ihrem stillen Waldhäuschen bisher das Mindeste nicht geahnt. Mir entdeckten jedoch ihre sehr liebreichen, wiewohl etwas sparsamen, Briefe nichts von diesen Visionen, die Wischchen waren lieb und simpel und treuherzig, wie sonst auch, rochen weder nach eau de Portugal noch de
Aber bald nachher, verflucht! die garſtige Niederträch- tigkeit!“
„Nun?“
„Ein zierlicher Laffe kam in’s Haus, Geometer, oder was er iſt, ein weitläuftiger Vetter aus der be- nachbarten Stadt. Mir ward von freundſchaftlicher Hand ein Wink gegeben, daß man ſich in dem Bur- ſcheu, nur auf gewiſſe Fälle, ein Schwiegerſöhnchen reſerviren wolle.“
„Iſt nicht möglich das!“ rief Larkens erſchrocken aufſpringend.
„Und iſt gewiß. Zwar Agnes wußt’ Anfangs nicht um den ſaubern Plan, man wollt’ abwarten, ob ihr s’ Mäulchen nicht ſelber überliefe, man ſteckte die Leutchen recht gefliſſentlich zuſammen, daß dem Mädel zulezt wirklich ſchwindlich ward, denn mein Rival trug ohne Zweifel eine brillante Vorſtecknadel, wußte treff- liche Dinge von Bällen und dergleichen zu erzählen, wunderte ſich recht mitleidig, daß Fräulein Agnes an ſolchen Herrlichkeiten keinen Theil nehme, worauf denn das gute Schäfchen ſich ebenfalls im Stillen ver- wunderte, ſich ganz tiefſinnig in die neue prächtige Welt verguckte, von welcher ſie auf ihrem ſtillen Waldhäuschen bisher das Mindeſte nicht geahnt. Mir entdeckten jedoch ihre ſehr liebreichen, wiewohl etwas ſparſamen, Briefe nichts von dieſen Viſionen, die Wiſchchen waren lieb und ſimpel und treuherzig, wie ſonſt auch, rochen weder nach eau de Portugal noch de
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0065"n="57"/>
Aber bald nachher, verflucht! die garſtige Niederträch-<lb/>
tigkeit!“</p><lb/><p>„Nun?“</p><lb/><p>„Ein zierlicher Laffe kam in’s Haus, Geometer,<lb/>
oder was er iſt, ein weitläuftiger Vetter aus der be-<lb/>
nachbarten Stadt. Mir ward von freundſchaftlicher<lb/>
Hand ein Wink gegeben, daß man ſich in dem Bur-<lb/>ſcheu, nur auf gewiſſe Fälle, ein Schwiegerſöhnchen<lb/>
reſerviren wolle.“</p><lb/><p>„Iſt nicht möglich das!“ rief <hirendition="#g">Larkens</hi> erſchrocken<lb/>
aufſpringend.</p><lb/><p>„Und iſt gewiß. Zwar <hirendition="#g">Agnes</hi> wußt’ Anfangs<lb/>
nicht um den ſaubern Plan, man wollt’ abwarten, ob<lb/>
ihr s’ Mäulchen nicht ſelber überliefe, man ſteckte die<lb/>
Leutchen recht gefliſſentlich zuſammen, daß dem Mädel<lb/>
zulezt wirklich ſchwindlich ward, denn mein Rival trug<lb/>
ohne Zweifel eine brillante Vorſtecknadel, wußte treff-<lb/>
liche Dinge von Bällen und dergleichen zu erzählen,<lb/>
wunderte ſich recht mitleidig, daß Fräulein <hirendition="#g">Agnes</hi><lb/>
an ſolchen Herrlichkeiten keinen Theil nehme, worauf<lb/>
denn das gute Schäfchen ſich ebenfalls im Stillen ver-<lb/>
wunderte, ſich ganz tiefſinnig in die neue prächtige<lb/>
Welt verguckte, von welcher ſie auf ihrem ſtillen<lb/>
Waldhäuschen bisher das Mindeſte nicht geahnt. Mir<lb/>
entdeckten jedoch ihre ſehr liebreichen, wiewohl etwas<lb/>ſparſamen, Briefe nichts von dieſen Viſionen, die<lb/>
Wiſchchen waren lieb und ſimpel und treuherzig, wie<lb/>ſonſt auch, rochen weder nach <hirendition="#aq">eau de Portugal</hi> noch <hirendition="#aq">de<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[57/0065]
Aber bald nachher, verflucht! die garſtige Niederträch-
tigkeit!“
„Nun?“
„Ein zierlicher Laffe kam in’s Haus, Geometer,
oder was er iſt, ein weitläuftiger Vetter aus der be-
nachbarten Stadt. Mir ward von freundſchaftlicher
Hand ein Wink gegeben, daß man ſich in dem Bur-
ſcheu, nur auf gewiſſe Fälle, ein Schwiegerſöhnchen
reſerviren wolle.“
„Iſt nicht möglich das!“ rief Larkens erſchrocken
aufſpringend.
„Und iſt gewiß. Zwar Agnes wußt’ Anfangs
nicht um den ſaubern Plan, man wollt’ abwarten, ob
ihr s’ Mäulchen nicht ſelber überliefe, man ſteckte die
Leutchen recht gefliſſentlich zuſammen, daß dem Mädel
zulezt wirklich ſchwindlich ward, denn mein Rival trug
ohne Zweifel eine brillante Vorſtecknadel, wußte treff-
liche Dinge von Bällen und dergleichen zu erzählen,
wunderte ſich recht mitleidig, daß Fräulein Agnes
an ſolchen Herrlichkeiten keinen Theil nehme, worauf
denn das gute Schäfchen ſich ebenfalls im Stillen ver-
wunderte, ſich ganz tiefſinnig in die neue prächtige
Welt verguckte, von welcher ſie auf ihrem ſtillen
Waldhäuschen bisher das Mindeſte nicht geahnt. Mir
entdeckten jedoch ihre ſehr liebreichen, wiewohl etwas
ſparſamen, Briefe nichts von dieſen Viſionen, die
Wiſchchen waren lieb und ſimpel und treuherzig, wie
ſonſt auch, rochen weder nach eau de Portugal noch de
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/65>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.