Larkens! war vergiftet von diesem Augenblicke. Kann ich es ändern? kann sie es ändern? Sie selbst mag zu entschuldigen seyn, auch ich entschuldige sie, aber die Bedeutung des Ganzen ist mir verloren, ist weg, unwiederbringlich. Und wenn ihre Liebe, gött- lich neugeboren, mir entgegen weinte, ich müßte die Hände sinken lassen, sie fände ihre alte Wohnung nicht mehr."
Larkens schwieg einige Zeit nachdenklich. "Aber," fing er nun an, "was verbrach denn das Mädchen ei- gentlich? wo streckte denn der Satan, der in sie gefah- ren seyn soll, zuerst sein Horn heraus? wo sind die Indicia?"
"Meinst du," fuhr Nolten fort, "es sey mir nicht schon fatal gewesen, da es bereits vor einem Jahre bei meinem lezten Besuch in Neuburg sehr deutlich das Ansehen hatte, als ob dem Närrchen bange würde um eine genügende Versorgung durch mich? und wenn mir der Vater mit kritischem Gesichte zu verstehen gab, es wolle nirgends recht fort mit meiner Kunst, mit mei- nem Erwerbe, er selber könne uns nur wenig unter die Arme greifen, ich möge mich doch wohl bedenken, ob ich mir eine Familie zu nähren getraue, und was des Geschwätzes mehr war, so nahm das Töchterchen mich zwar zärtlich genug in eine Ecke, küßte mir die Runzeln von der Stirn, lächelte und verbarg doch nur mit Müh' und Noth ihre Sorgen, ihre Thränen. Das ließ ich denn so gehen und hielt's ihnen zu Gute.
Larkens! war vergiftet von dieſem Augenblicke. Kann ich es ändern? kann ſie es ändern? Sie ſelbſt mag zu entſchuldigen ſeyn, auch ich entſchuldige ſie, aber die Bedeutung des Ganzen iſt mir verloren, iſt weg, unwiederbringlich. Und wenn ihre Liebe, gött- lich neugeboren, mir entgegen weinte, ich müßte die Hände ſinken laſſen, ſie fände ihre alte Wohnung nicht mehr.“
Larkens ſchwieg einige Zeit nachdenklich. „Aber,“ fing er nun an, „was verbrach denn das Mädchen ei- gentlich? wo ſtreckte denn der Satan, der in ſie gefah- ren ſeyn ſoll, zuerſt ſein Horn heraus? wo ſind die Indicia?“
„Meinſt du,“ fuhr Nolten fort, „es ſey mir nicht ſchon fatal geweſen, da es bereits vor einem Jahre bei meinem lezten Beſuch in Neuburg ſehr deutlich das Anſehen hatte, als ob dem Närrchen bange würde um eine genügende Verſorgung durch mich? und wenn mir der Vater mit kritiſchem Geſichte zu verſtehen gab, es wolle nirgends recht fort mit meiner Kunſt, mit mei- nem Erwerbe, er ſelber könne uns nur wenig unter die Arme greifen, ich möge mich doch wohl bedenken, ob ich mir eine Familie zu nähren getraue, und was des Geſchwätzes mehr war, ſo nahm das Töchterchen mich zwar zärtlich genug in eine Ecke, küßte mir die Runzeln von der Stirn, lächelte und verbarg doch nur mit Müh’ und Noth ihre Sorgen, ihre Thränen. Das ließ ich denn ſo gehen und hielt’s ihnen zu Gute.
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Larkens! war vergiftet von dieſem Augenblicke.
Kann ich es ändern? kann ſie es ändern? Sie ſelbſt
mag zu entſchuldigen ſeyn, auch ich entſchuldige ſie,
aber die Bedeutung des Ganzen iſt mir verloren, iſt
weg, unwiederbringlich. Und wenn ihre Liebe, gött-
lich neugeboren, mir entgegen weinte, ich müßte die
Hände ſinken laſſen, ſie fände ihre alte Wohnung nicht
mehr.“
Larkens ſchwieg einige Zeit nachdenklich. „Aber,“
fing er nun an, „was verbrach denn das Mädchen ei-
gentlich? wo ſtreckte denn der Satan, der in ſie gefah-
ren ſeyn ſoll, zuerſt ſein Horn heraus? wo ſind die
Indicia?“
„Meinſt du,“ fuhr Nolten fort, „es ſey mir
nicht ſchon fatal geweſen, da es bereits vor einem
Jahre bei meinem lezten Beſuch in Neuburg ſehr deutlich
das Anſehen hatte, als ob dem Närrchen bange würde um
eine genügende Verſorgung durch mich? und wenn mir
der Vater mit kritiſchem Geſichte zu verſtehen gab, es
wolle nirgends recht fort mit meiner Kunſt, mit mei-
nem Erwerbe, er ſelber könne uns nur wenig unter
die Arme greifen, ich möge mich doch wohl bedenken,
ob ich mir eine Familie zu nähren getraue, und was
des Geſchwätzes mehr war, ſo nahm das Töchterchen
mich zwar zärtlich genug in eine Ecke, küßte mir die
Runzeln von der Stirn, lächelte und verbarg doch nur
mit Müh’ und Noth ihre Sorgen, ihre Thränen. Das
ließ ich denn ſo gehen und hielt’s ihnen zu Gute.
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/64>, abgerufen am 25.11.2024.
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