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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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je genauer ich um ihre frühere Berührung mit unserm
Freunde wußte, desto bedenklicher fand ich's, so ohne
Weiteres zur Erfüllung ihres Wunsches beizutragen,
welcher dahin ging, den "schönen herrlichen Jungen,"
wie sie ihn nannte, Einmal wieder zu sehen. Wenig-
stens, dacht ich, müßte der herrliche Junge vorbereitet
werden, und bei näherer Betrachtung schien mir die
Hintertreibung einer solchen Zusammenkunft das Si-
cherste und Zweckmäßigste. Ich gebrauchte allerlei Fin-
ten, sie ein für allemal von jedem Versuche abzuschre-
cken; da indessen das närrische Ding darauf bestand und
ihr Verlangen eben so gerecht als arglos und treuher-
zig erschien, so sann ich auf Mittel, wie Nolten ihr
gezeigt werden könnte, ohne daß jedoch er sie gewahr
würde. Das ließ sich nun wohl auf verschiedene
Weise machen. Mir gefiel aber, wie ich gern gestehen
will, ein etwas romantisch seltsamer Weg besser als
etwa ein simples Gucken durch Spalt und Schlüssel-
loch, kurz, die Neujahrsmaskerade kam mir eben recht
zu Statten und" --

"Was?" rief Leopold verwundert, "am Ende
wird noch der Nachtwächter vom Albanithurm aus der
Geschichte hervorspringen!"

"Das erräth sich nun leicht; so hören Sie kurz
noch den Hergang. Nachdem ich das Mädchen mit
meinem Plane bekannt gemacht, den sie Anfangs frei-
lich gar nicht fassen wollte; nachdem sie mir ferner auf
eine mir unvergeßlich rührende Weise das Versprechen

je genauer ich um ihre frühere Berührung mit unſerm
Freunde wußte, deſto bedenklicher fand ich’s, ſo ohne
Weiteres zur Erfüllung ihres Wunſches beizutragen,
welcher dahin ging, den „ſchönen herrlichen Jungen,“
wie ſie ihn nannte, Einmal wieder zu ſehen. Wenig-
ſtens, dacht ich, müßte der herrliche Junge vorbereitet
werden, und bei näherer Betrachtung ſchien mir die
Hintertreibung einer ſolchen Zuſammenkunft das Si-
cherſte und Zweckmäßigſte. Ich gebrauchte allerlei Fin-
ten, ſie ein für allemal von jedem Verſuche abzuſchre-
cken; da indeſſen das närriſche Ding darauf beſtand und
ihr Verlangen eben ſo gerecht als arglos und treuher-
zig erſchien, ſo ſann ich auf Mittel, wie Nolten ihr
gezeigt werden könnte, ohne daß jedoch er ſie gewahr
würde. Das ließ ſich nun wohl auf verſchiedene
Weiſe machen. Mir gefiel aber, wie ich gern geſtehen
will, ein etwas romantiſch ſeltſamer Weg beſſer als
etwa ein ſimples Gucken durch Spalt und Schlüſſel-
loch, kurz, die Neujahrsmaskerade kam mir eben recht
zu Statten und“ —

„Was?“ rief Leopold verwundert, „am Ende
wird noch der Nachtwächter vom Albanithurm aus der
Geſchichte hervorſpringen!“

„Das erräth ſich nun leicht; ſo hören Sie kurz
noch den Hergang. Nachdem ich das Mädchen mit
meinem Plane bekannt gemacht, den ſie Anfangs frei-
lich gar nicht faſſen wollte; nachdem ſie mir ferner auf
eine mir unvergeßlich rührende Weiſe das Verſprechen

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[271/0279] je genauer ich um ihre frühere Berührung mit unſerm Freunde wußte, deſto bedenklicher fand ich’s, ſo ohne Weiteres zur Erfüllung ihres Wunſches beizutragen, welcher dahin ging, den „ſchönen herrlichen Jungen,“ wie ſie ihn nannte, Einmal wieder zu ſehen. Wenig- ſtens, dacht ich, müßte der herrliche Junge vorbereitet werden, und bei näherer Betrachtung ſchien mir die Hintertreibung einer ſolchen Zuſammenkunft das Si- cherſte und Zweckmäßigſte. Ich gebrauchte allerlei Fin- ten, ſie ein für allemal von jedem Verſuche abzuſchre- cken; da indeſſen das närriſche Ding darauf beſtand und ihr Verlangen eben ſo gerecht als arglos und treuher- zig erſchien, ſo ſann ich auf Mittel, wie Nolten ihr gezeigt werden könnte, ohne daß jedoch er ſie gewahr würde. Das ließ ſich nun wohl auf verſchiedene Weiſe machen. Mir gefiel aber, wie ich gern geſtehen will, ein etwas romantiſch ſeltſamer Weg beſſer als etwa ein ſimples Gucken durch Spalt und Schlüſſel- loch, kurz, die Neujahrsmaskerade kam mir eben recht zu Statten und“ — „Was?“ rief Leopold verwundert, „am Ende wird noch der Nachtwächter vom Albanithurm aus der Geſchichte hervorſpringen!“ „Das erräth ſich nun leicht; ſo hören Sie kurz noch den Hergang. Nachdem ich das Mädchen mit meinem Plane bekannt gemacht, den ſie Anfangs frei- lich gar nicht faſſen wollte; nachdem ſie mir ferner auf eine mir unvergeßlich rührende Weiſe das Verſprechen

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/279>, abgerufen am 22.07.2024.