übte, denn wenn gleich unser Maler selbst an einer gewissen Einseitigkeit leiden mochte, so war doch sein sittlicher Grundcharakter unerschütterlich, und ein Stre- ben nach voller geistiger Gesundheit beurkundete sich zeitig in der mehr und mehr zum Allgemeinen auf- steigenden Richtung seiner Kunst, mit Bereinigung alles dessen, was ihm von einer phantastischen Entwicklungs- periode noch anklebte. Larkens schöpfte mit Lust aus dieser Quelle ein reines Wasser auf sein dürres Land, er hielt sich leidenschaftlich an den neuerworbe- nen Freund, ohne doch diese Inbrunst stürmisch im Worte zu verrathen; vielmehr gerieth er unwillkürlich in die gemäßigte Rolle eines Mentors hinein, eines Meisters, welcher durch eigenen unsäglichen Schaden klug geworden, dem Jüngern gar wohl gelegentlich auf die rechte Spur helfen zu können glaubt. Und indem er so am raschen Strom eines in jugendlicher Fülle strebenden Geistes Theil nahm, erwuchs ihm ein neues Zutrauen zu sich selber, die Schuppen seines veralteten Wesens fielen ab, eine frische Bildung er- schien darunter. Immer seltener wurden jene selbst- quälerischen Ausbrüche, ja sie verschwanden zulezt völlig; was Wunder, daß nun ein Gefühl von Dank- barkeit ihn unserem Freunde auf ewig verband, daß er sich's zur Pflicht machte, mit aller Kraft für das Wohl des Geliebten zu arbeiten? Mögen wir auch an einem auffallenden Beispiele, das er von diesem warmen Eifer gab, einen Hang zum Seltsamen keines-
übte, denn wenn gleich unſer Maler ſelbſt an einer gewiſſen Einſeitigkeit leiden mochte, ſo war doch ſein ſittlicher Grundcharakter unerſchütterlich, und ein Stre- ben nach voller geiſtiger Geſundheit beurkundete ſich zeitig in der mehr und mehr zum Allgemeinen auf- ſteigenden Richtung ſeiner Kunſt, mit Bereinigung alles deſſen, was ihm von einer phantaſtiſchen Entwicklungs- periode noch anklebte. Larkens ſchöpfte mit Luſt aus dieſer Quelle ein reines Waſſer auf ſein dürres Land, er hielt ſich leidenſchaftlich an den neuerworbe- nen Freund, ohne doch dieſe Inbrunſt ſtürmiſch im Worte zu verrathen; vielmehr gerieth er unwillkürlich in die gemäßigte Rolle eines Mentors hinein, eines Meiſters, welcher durch eigenen unſäglichen Schaden klug geworden, dem Jüngern gar wohl gelegentlich auf die rechte Spur helfen zu können glaubt. Und indem er ſo am raſchen Strom eines in jugendlicher Fülle ſtrebenden Geiſtes Theil nahm, erwuchs ihm ein neues Zutrauen zu ſich ſelber, die Schuppen ſeines veralteten Weſens fielen ab, eine friſche Bildung er- ſchien darunter. Immer ſeltener wurden jene ſelbſt- quäleriſchen Ausbrüche, ja ſie verſchwanden zulezt völlig; was Wunder, daß nun ein Gefühl von Dank- barkeit ihn unſerem Freunde auf ewig verband, daß er ſich’s zur Pflicht machte, mit aller Kraft für das Wohl des Geliebten zu arbeiten? Mögen wir auch an einem auffallenden Beiſpiele, das er von dieſem warmen Eifer gab, einen Hang zum Seltſamen keines-
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übte, denn wenn gleich unſer Maler ſelbſt an einer
gewiſſen Einſeitigkeit leiden mochte, ſo war doch ſein
ſittlicher Grundcharakter unerſchütterlich, und ein Stre-
ben nach voller geiſtiger Geſundheit beurkundete ſich
zeitig in der mehr und mehr zum Allgemeinen auf-
ſteigenden Richtung ſeiner Kunſt, mit Bereinigung alles
deſſen, was ihm von einer phantaſtiſchen Entwicklungs-
periode noch anklebte. Larkens ſchöpfte mit Luſt
aus dieſer Quelle ein reines Waſſer auf ſein dürres
Land, er hielt ſich leidenſchaftlich an den neuerworbe-
nen Freund, ohne doch dieſe Inbrunſt ſtürmiſch im
Worte zu verrathen; vielmehr gerieth er unwillkürlich
in die gemäßigte Rolle eines Mentors hinein, eines
Meiſters, welcher durch eigenen unſäglichen Schaden
klug geworden, dem Jüngern gar wohl gelegentlich
auf die rechte Spur helfen zu können glaubt. Und
indem er ſo am raſchen Strom eines in jugendlicher
Fülle ſtrebenden Geiſtes Theil nahm, erwuchs ihm
ein neues Zutrauen zu ſich ſelber, die Schuppen ſeines
veralteten Weſens fielen ab, eine friſche Bildung er-
ſchien darunter. Immer ſeltener wurden jene ſelbſt-
quäleriſchen Ausbrüche, ja ſie verſchwanden zulezt
völlig; was Wunder, daß nun ein Gefühl von Dank-
barkeit ihn unſerem Freunde auf ewig verband, daß
er ſich’s zur Pflicht machte, mit aller Kraft für das
Wohl des Geliebten zu arbeiten? Mögen wir auch
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/268>, abgerufen am 16.02.2025.
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