die ersten Stockungen und Unordnungen in seinem Leben hervor; aus Verdruß über die Unausführbar- keit seiner höhern Geisteswelt warf er sich in den Strudel der gemeinen, und die Leidenschaften, welche er durch kunstmäßige Darstellung im schönen Gleich- gewichte mit seinem bessern Selbst zu erhalten gedacht hatte, ließ er jezt in zügelloser Wirklichkeit rasen.
Um jene Zeit hatte sich unter seinen Freunden die eigene Sucht hervorgethan, sich durch Erfindung und Durchführung fein angelegter Intriguen zu zeigen. Larkens spielte in einem gutartigen Sinne hierin gerne den Meister, aber leider verwickelte ihn dieß Unwesen bald mit einer, als schön und witzig gleich bekannten, Schauspielerin, ein Umgang, der ihn bald in einen Wirbel der verderblichsten Genüsse niederzog. Sein Beruf ward ihm leidige Nebensache, und, mehr als Einmal im Begriffe, verabschiedet zu werden, er- hielt er sich nur dadurch, daß er von Zeit zu Zeit durch eine Vorstellung, worin er allem Genie aufbot, die Gunst seiner Leute gewaltsam an sich riß. Mit Schmerzen blickte man ihm nach, als er freiwillig den Ort verließ, welcher Zeuge seiner traurigen Ver- sunkenheit gewesen. Er entsagte dem unwürdigen Leben, raffte sich zu neuer Thätigkeit auf, und ward ein erfreulicher Gewinn für die Stadt, worin wir ihn später als Noltens Freund kennen lernten. Aber jene fleckenvolle Zeit seines Lebens hinterließ auch dann noch eine unüberwindliche Unruhe, eine Leere
die erſten Stockungen und Unordnungen in ſeinem Leben hervor; aus Verdruß über die Unausführbar- keit ſeiner höhern Geiſteswelt warf er ſich in den Strudel der gemeinen, und die Leidenſchaften, welche er durch kunſtmäßige Darſtellung im ſchönen Gleich- gewichte mit ſeinem beſſern Selbſt zu erhalten gedacht hatte, ließ er jezt in zügelloſer Wirklichkeit raſen.
Um jene Zeit hatte ſich unter ſeinen Freunden die eigene Sucht hervorgethan, ſich durch Erfindung und Durchführung fein angelegter Intriguen zu zeigen. Larkens ſpielte in einem gutartigen Sinne hierin gerne den Meiſter, aber leider verwickelte ihn dieß Unweſen bald mit einer, als ſchön und witzig gleich bekannten, Schauſpielerin, ein Umgang, der ihn bald in einen Wirbel der verderblichſten Genüſſe niederzog. Sein Beruf ward ihm leidige Nebenſache, und, mehr als Einmal im Begriffe, verabſchiedet zu werden, er- hielt er ſich nur dadurch, daß er von Zeit zu Zeit durch eine Vorſtellung, worin er allem Genie aufbot, die Gunſt ſeiner Leute gewaltſam an ſich riß. Mit Schmerzen blickte man ihm nach, als er freiwillig den Ort verließ, welcher Zeuge ſeiner traurigen Ver- ſunkenheit geweſen. Er entſagte dem unwürdigen Leben, raffte ſich zu neuer Thätigkeit auf, und ward ein erfreulicher Gewinn für die Stadt, worin wir ihn ſpäter als Noltens Freund kennen lernten. Aber jene fleckenvolle Zeit ſeines Lebens hinterließ auch dann noch eine unüberwindliche Unruhe, eine Leere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0266"n="258"/>
die erſten Stockungen und Unordnungen in ſeinem<lb/>
Leben hervor; aus Verdruß über die Unausführbar-<lb/>
keit ſeiner höhern Geiſteswelt warf er ſich in den<lb/>
Strudel der gemeinen, und die Leidenſchaften, welche<lb/>
er durch kunſtmäßige Darſtellung im ſchönen Gleich-<lb/>
gewichte mit ſeinem beſſern Selbſt zu erhalten gedacht<lb/>
hatte, ließ er jezt in zügelloſer Wirklichkeit raſen.</p><lb/><p>Um jene Zeit hatte ſich unter ſeinen Freunden<lb/>
die eigene Sucht hervorgethan, ſich durch Erfindung<lb/>
und Durchführung fein angelegter Intriguen zu zeigen.<lb/><hirendition="#g">Larkens</hi>ſpielte in einem gutartigen Sinne hierin<lb/>
gerne den Meiſter, aber leider verwickelte ihn dieß<lb/>
Unweſen bald mit einer, als ſchön und witzig gleich<lb/>
bekannten, Schauſpielerin, ein Umgang, der ihn bald<lb/>
in einen Wirbel der verderblichſten Genüſſe niederzog.<lb/>
Sein Beruf ward ihm leidige Nebenſache, und, mehr<lb/>
als Einmal im Begriffe, verabſchiedet zu werden, er-<lb/>
hielt er ſich nur dadurch, daß er von Zeit zu Zeit<lb/>
durch eine Vorſtellung, worin er allem Genie aufbot,<lb/>
die Gunſt ſeiner Leute gewaltſam an ſich riß. Mit<lb/>
Schmerzen blickte man ihm nach, als er freiwillig<lb/>
den Ort verließ, welcher Zeuge ſeiner traurigen Ver-<lb/>ſunkenheit geweſen. Er entſagte dem unwürdigen<lb/>
Leben, raffte ſich zu neuer Thätigkeit auf, und ward<lb/>
ein erfreulicher Gewinn für die Stadt, worin wir ihn<lb/>ſpäter als <hirendition="#g">Noltens</hi> Freund kennen lernten. Aber<lb/>
jene fleckenvolle Zeit ſeines Lebens hinterließ auch<lb/>
dann noch eine unüberwindliche Unruhe, eine Leere<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[258/0266]
die erſten Stockungen und Unordnungen in ſeinem
Leben hervor; aus Verdruß über die Unausführbar-
keit ſeiner höhern Geiſteswelt warf er ſich in den
Strudel der gemeinen, und die Leidenſchaften, welche
er durch kunſtmäßige Darſtellung im ſchönen Gleich-
gewichte mit ſeinem beſſern Selbſt zu erhalten gedacht
hatte, ließ er jezt in zügelloſer Wirklichkeit raſen.
Um jene Zeit hatte ſich unter ſeinen Freunden
die eigene Sucht hervorgethan, ſich durch Erfindung
und Durchführung fein angelegter Intriguen zu zeigen.
Larkens ſpielte in einem gutartigen Sinne hierin
gerne den Meiſter, aber leider verwickelte ihn dieß
Unweſen bald mit einer, als ſchön und witzig gleich
bekannten, Schauſpielerin, ein Umgang, der ihn bald
in einen Wirbel der verderblichſten Genüſſe niederzog.
Sein Beruf ward ihm leidige Nebenſache, und, mehr
als Einmal im Begriffe, verabſchiedet zu werden, er-
hielt er ſich nur dadurch, daß er von Zeit zu Zeit
durch eine Vorſtellung, worin er allem Genie aufbot,
die Gunſt ſeiner Leute gewaltſam an ſich riß. Mit
Schmerzen blickte man ihm nach, als er freiwillig
den Ort verließ, welcher Zeuge ſeiner traurigen Ver-
ſunkenheit geweſen. Er entſagte dem unwürdigen
Leben, raffte ſich zu neuer Thätigkeit auf, und ward
ein erfreulicher Gewinn für die Stadt, worin wir ihn
ſpäter als Noltens Freund kennen lernten. Aber
jene fleckenvolle Zeit ſeines Lebens hinterließ auch
dann noch eine unüberwindliche Unruhe, eine Leere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/266>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.