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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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feurigsten Enthusiasten, indem er sich das Vergnügen
nicht versagen konnte, seine Genossen auf eine jeden-
falls unverantwortliche Weise zum Besten zu haben.
Er schrieb ihnen Briefe voll schwärmerischen Schwungs,
machte die absurdesten Vorschläge und wußte den Ver-
dacht einer bloßen Aefferei durch eine kunstvolle iro-
nische Einkleidung, durch abwechselnd vernünftige Ge-
danken, so wie durch die höchste Konsequenz in der
persönlichen und mündlichen Darstellung zu entfernen,
so daß ihn die Gesellschaft zwar für ein seltsam über-
spanntes, doch aber höchst talentvolles Mitglied an-
sprach, wenn es gleich an einzelnen klugen Köpfen nicht
fehlte, die ihm heimlich mißtrauten und scharf auf die
Finger sahen; er bemerkte dieß, spielte den Gekränkten,
zog sich noch eben zu rechter Zeit zurück und erhielt ge-
gen das Versprechen der tiefsten Verschwiegenheit seine
schriftlichen Aufsätze sämmtlich zurück. Als es zwei
Jahre nachher von Staats wegen zur Untersuchung
und Aufhebung der Verbrüderten kam, und entfern-
terweise auch seiner erwähnt ward, konnte es ihm bei
der Diskretion der Bundesgenossenschaft wirklich ge-
lingen, sich wie ein Aal aus der Klemme zu winden,
während andere, zum Theil schon in öffentlichen Aem-
tern stehende, Männer zu nachdrücklicher Bestrafung
gezogen wurden. So erfreute er sich geraume Zeit
einer guten Sicherheit, aber sein frevelhafter Muth-
wille sollte nicht ungerächt bleiben. Das berüchtigte
Schauspiel rief die alten Erinnerungen wieder hervor,

feurigſten Enthuſiaſten, indem er ſich das Vergnügen
nicht verſagen konnte, ſeine Genoſſen auf eine jeden-
falls unverantwortliche Weiſe zum Beſten zu haben.
Er ſchrieb ihnen Briefe voll ſchwärmeriſchen Schwungs,
machte die abſurdeſten Vorſchläge und wußte den Ver-
dacht einer bloßen Aefferei durch eine kunſtvolle iro-
niſche Einkleidung, durch abwechſelnd vernünftige Ge-
danken, ſo wie durch die höchſte Konſequenz in der
perſönlichen und mündlichen Darſtellung zu entfernen,
ſo daß ihn die Geſellſchaft zwar für ein ſeltſam über-
ſpanntes, doch aber höchſt talentvolles Mitglied an-
ſprach, wenn es gleich an einzelnen klugen Köpfen nicht
fehlte, die ihm heimlich mißtrauten und ſcharf auf die
Finger ſahen; er bemerkte dieß, ſpielte den Gekränkten,
zog ſich noch eben zu rechter Zeit zurück und erhielt ge-
gen das Verſprechen der tiefſten Verſchwiegenheit ſeine
ſchriftlichen Aufſätze ſämmtlich zurück. Als es zwei
Jahre nachher von Staats wegen zur Unterſuchung
und Aufhebung der Verbrüderten kam, und entfern-
terweiſe auch ſeiner erwähnt ward, konnte es ihm bei
der Diskretion der Bundesgenoſſenſchaft wirklich ge-
lingen, ſich wie ein Aal aus der Klemme zu winden,
während andere, zum Theil ſchon in öffentlichen Aem-
tern ſtehende, Männer zu nachdrücklicher Beſtrafung
gezogen wurden. So erfreute er ſich geraume Zeit
einer guten Sicherheit, aber ſein frevelhafter Muth-
wille ſollte nicht ungerächt bleiben. Das berüchtigte
Schauſpiel rief die alten Erinnerungen wieder hervor,

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[250/0258] feurigſten Enthuſiaſten, indem er ſich das Vergnügen nicht verſagen konnte, ſeine Genoſſen auf eine jeden- falls unverantwortliche Weiſe zum Beſten zu haben. Er ſchrieb ihnen Briefe voll ſchwärmeriſchen Schwungs, machte die abſurdeſten Vorſchläge und wußte den Ver- dacht einer bloßen Aefferei durch eine kunſtvolle iro- niſche Einkleidung, durch abwechſelnd vernünftige Ge- danken, ſo wie durch die höchſte Konſequenz in der perſönlichen und mündlichen Darſtellung zu entfernen, ſo daß ihn die Geſellſchaft zwar für ein ſeltſam über- ſpanntes, doch aber höchſt talentvolles Mitglied an- ſprach, wenn es gleich an einzelnen klugen Köpfen nicht fehlte, die ihm heimlich mißtrauten und ſcharf auf die Finger ſahen; er bemerkte dieß, ſpielte den Gekränkten, zog ſich noch eben zu rechter Zeit zurück und erhielt ge- gen das Verſprechen der tiefſten Verſchwiegenheit ſeine ſchriftlichen Aufſätze ſämmtlich zurück. Als es zwei Jahre nachher von Staats wegen zur Unterſuchung und Aufhebung der Verbrüderten kam, und entfern- terweiſe auch ſeiner erwähnt ward, konnte es ihm bei der Diskretion der Bundesgenoſſenſchaft wirklich ge- lingen, ſich wie ein Aal aus der Klemme zu winden, während andere, zum Theil ſchon in öffentlichen Aem- tern ſtehende, Männer zu nachdrücklicher Beſtrafung gezogen wurden. So erfreute er ſich geraume Zeit einer guten Sicherheit, aber ſein frevelhafter Muth- wille ſollte nicht ungerächt bleiben. Das berüchtigte Schauſpiel rief die alten Erinnerungen wieder hervor,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/258>, abgerufen am 09.06.2024.