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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Inzwischen ward jene mißliche Sache durch einen
neu hinzugetretenen Umstand gar sehr verschlimmert,
ja sie bekam eine völlig veränderte Gestalt. Wie im-
mer ein Uebel das andere erzeugt und in solchen Fäl-
len des Unheils kein Ende ist, so hatten einige Stim-
men nicht ermangelt, bei dieser Gelegenheit an gewisse
vor längerer Zeit anhängig gemachte und zum Theil
wirklich erhobene Kriminalfälle, geheime Umtriebe be-
treffend, zu erinnern, und obgleich diese Dinge bereits
für abgethan galten, so glaubte man doch keinen un-
bedeutenden Nachtrag hinter dem Schauspieler suchen
zu müssen.

Der unruhige Geist, welcher, von gewissen poli-
tischen Freiheitsideen ausgehend, eine Zeitlang die
Jugend Deutschlands, der Universitäten besonders, er-
griffen hatte, ist bekannt. Die Regierung, von wel-
cher hier die Rede ist, behandelte dergleichen Gegen-
stände mit um so größerer Aufmerksamkeit, als sich
entdeckte, daß immer auch einige durch reiferes Alter,
Geist und übrigens unbescholtenen Charakter ausge-
zeichnete Männer nicht verschmäht hatten, an solchen
Geheimverbindungen, im weiteren oder engeren Sinne,
Theil zu nehmen. So hegten denn namentlich zwei
genaue Bekannte unsere Schauspielers diese gefähr-
liche Tendenz mit vieler Vorliebe, und der Leztere,
weit entfernt von jedem ernstlichen Interesse an der
Sache, verbarg diesen Leuten gegenüber seine Gleich-
gültigkeit und Geringschätzung hinter der Maske des

Inzwiſchen ward jene mißliche Sache durch einen
neu hinzugetretenen Umſtand gar ſehr verſchlimmert,
ja ſie bekam eine völlig veränderte Geſtalt. Wie im-
mer ein Uebel das andere erzeugt und in ſolchen Fäl-
len des Unheils kein Ende iſt, ſo hatten einige Stim-
men nicht ermangelt, bei dieſer Gelegenheit an gewiſſe
vor längerer Zeit anhängig gemachte und zum Theil
wirklich erhobene Kriminalfälle, geheime Umtriebe be-
treffend, zu erinnern, und obgleich dieſe Dinge bereits
für abgethan galten, ſo glaubte man doch keinen un-
bedeutenden Nachtrag hinter dem Schauſpieler ſuchen
zu müſſen.

Der unruhige Geiſt, welcher, von gewiſſen poli-
tiſchen Freiheitsideen ausgehend, eine Zeitlang die
Jugend Deutſchlands, der Univerſitäten beſonders, er-
griffen hatte, iſt bekannt. Die Regierung, von wel-
cher hier die Rede iſt, behandelte dergleichen Gegen-
ſtände mit um ſo größerer Aufmerkſamkeit, als ſich
entdeckte, daß immer auch einige durch reiferes Alter,
Geiſt und übrigens unbeſcholtenen Charakter ausge-
zeichnete Männer nicht verſchmäht hatten, an ſolchen
Geheimverbindungen, im weiteren oder engeren Sinne,
Theil zu nehmen. So hegten denn namentlich zwei
genaue Bekannte unſere Schauſpielers dieſe gefähr-
liche Tendenz mit vieler Vorliebe, und der Leztere,
weit entfernt von jedem ernſtlichen Intereſſe an der
Sache, verbarg dieſen Leuten gegenüber ſeine Gleich-
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[249/0257] Inzwiſchen ward jene mißliche Sache durch einen neu hinzugetretenen Umſtand gar ſehr verſchlimmert, ja ſie bekam eine völlig veränderte Geſtalt. Wie im- mer ein Uebel das andere erzeugt und in ſolchen Fäl- len des Unheils kein Ende iſt, ſo hatten einige Stim- men nicht ermangelt, bei dieſer Gelegenheit an gewiſſe vor längerer Zeit anhängig gemachte und zum Theil wirklich erhobene Kriminalfälle, geheime Umtriebe be- treffend, zu erinnern, und obgleich dieſe Dinge bereits für abgethan galten, ſo glaubte man doch keinen un- bedeutenden Nachtrag hinter dem Schauſpieler ſuchen zu müſſen. Der unruhige Geiſt, welcher, von gewiſſen poli- tiſchen Freiheitsideen ausgehend, eine Zeitlang die Jugend Deutſchlands, der Univerſitäten beſonders, er- griffen hatte, iſt bekannt. Die Regierung, von wel- cher hier die Rede iſt, behandelte dergleichen Gegen- ſtände mit um ſo größerer Aufmerkſamkeit, als ſich entdeckte, daß immer auch einige durch reiferes Alter, Geiſt und übrigens unbeſcholtenen Charakter ausge- zeichnete Männer nicht verſchmäht hatten, an ſolchen Geheimverbindungen, im weiteren oder engeren Sinne, Theil zu nehmen. So hegten denn namentlich zwei genaue Bekannte unſere Schauſpielers dieſe gefähr- liche Tendenz mit vieler Vorliebe, und der Leztere, weit entfernt von jedem ernſtlichen Intereſſe an der Sache, verbarg dieſen Leuten gegenüber ſeine Gleich- gültigkeit und Geringſchätzung hinter der Maske des

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/257>, abgerufen am 10.06.2024.