eben beschäftigt ist, der Gräfin seine Wünsche, seine Anerbietungen in einem ruhig besonnenen Briefe frei und edel hinzulegen, spinnt ihm die Liebe selbst durch Constanze ein verrätherisches Netz. Der redliche Wille eines Freundes, der im Dunkeln seinen Zweck hartnäckig verfolgte, ward zum Spiel eines schlimmer oder besser gesinnten Schicksals: die sorgsam aber grillenhaft angelegte Mine, womit Larkens einen gefährlichen Standpunkt der Personen nur leicht aus- einander zu sprengen dachte, hat sich tückisch entladen und ist im Begriff, ihrer Viere, und darunter ihn sel- ber, mit bitterm Unheil zu treffen, so daß man kaum wüßte, wer von Allen am meisten zu bedauern sey, wenn es nicht jenes unschuldige Mädchen ist, um des- sen gerechtes Wohl es sich von Anfang an handelte. Aber, scheint Constanze unser Mitleid verscherzt zu haben, seitdem sie sich zu einer heftigen Rache hinreis- sen ließ und derselben einen falschen Grund unterzu- schieben wußte, ja seitdem es den Anschein hat, als wolle sie sich an einen zweideutigen Verehrer weg- werfen, so werden wir doch billig genug seyn, uns den Zustand eines weiblichen Herzens zu vergegen- wärtigen, das auf's grausamste getäuscht, von der Höhe eines herrlichen Gefühls herabgestürzt, an sich selber, wie an der Menschheit, auf einen Augenblick irre werden mußte. Was Theobalden selbst be- trifft, so sehen wir schon jezt, wie sich ein zwar sehr verzeihliches, aber dennoch übereiltes Mißtrauen in
eben beſchäftigt iſt, der Gräfin ſeine Wünſche, ſeine Anerbietungen in einem ruhig beſonnenen Briefe frei und edel hinzulegen, ſpinnt ihm die Liebe ſelbſt durch Conſtanze ein verrätheriſches Netz. Der redliche Wille eines Freundes, der im Dunkeln ſeinen Zweck hartnäckig verfolgte, ward zum Spiel eines ſchlimmer oder beſſer geſinnten Schickſals: die ſorgſam aber grillenhaft angelegte Mine, womit Larkens einen gefährlichen Standpunkt der Perſonen nur leicht aus- einander zu ſprengen dachte, hat ſich tückiſch entladen und iſt im Begriff, ihrer Viere, und darunter ihn ſel- ber, mit bitterm Unheil zu treffen, ſo daß man kaum wüßte, wer von Allen am meiſten zu bedauern ſey, wenn es nicht jenes unſchuldige Mädchen iſt, um deſ- ſen gerechtes Wohl es ſich von Anfang an handelte. Aber, ſcheint Conſtanze unſer Mitleid verſcherzt zu haben, ſeitdem ſie ſich zu einer heftigen Rache hinreiſ- ſen ließ und derſelben einen falſchen Grund unterzu- ſchieben wußte, ja ſeitdem es den Anſchein hat, als wolle ſie ſich an einen zweideutigen Verehrer weg- werfen, ſo werden wir doch billig genug ſeyn, uns den Zuſtand eines weiblichen Herzens zu vergegen- wärtigen, das auf’s grauſamſte getäuſcht, von der Höhe eines herrlichen Gefühls herabgeſtürzt, an ſich ſelber, wie an der Menſchheit, auf einen Augenblick irre werden mußte. Was Theobalden ſelbſt be- trifft, ſo ſehen wir ſchon jezt, wie ſich ein zwar ſehr verzeihliches, aber dennoch übereiltes Mißtrauen in
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[247/0255]
eben beſchäftigt iſt, der Gräfin ſeine Wünſche, ſeine
Anerbietungen in einem ruhig beſonnenen Briefe frei
und edel hinzulegen, ſpinnt ihm die Liebe ſelbſt durch
Conſtanze ein verrätheriſches Netz. Der redliche
Wille eines Freundes, der im Dunkeln ſeinen Zweck
hartnäckig verfolgte, ward zum Spiel eines ſchlimmer
oder beſſer geſinnten Schickſals: die ſorgſam aber
grillenhaft angelegte Mine, womit Larkens einen
gefährlichen Standpunkt der Perſonen nur leicht aus-
einander zu ſprengen dachte, hat ſich tückiſch entladen
und iſt im Begriff, ihrer Viere, und darunter ihn ſel-
ber, mit bitterm Unheil zu treffen, ſo daß man kaum
wüßte, wer von Allen am meiſten zu bedauern ſey,
wenn es nicht jenes unſchuldige Mädchen iſt, um deſ-
ſen gerechtes Wohl es ſich von Anfang an handelte.
Aber, ſcheint Conſtanze unſer Mitleid verſcherzt zu
haben, ſeitdem ſie ſich zu einer heftigen Rache hinreiſ-
ſen ließ und derſelben einen falſchen Grund unterzu-
ſchieben wußte, ja ſeitdem es den Anſchein hat, als
wolle ſie ſich an einen zweideutigen Verehrer weg-
werfen, ſo werden wir doch billig genug ſeyn, uns
den Zuſtand eines weiblichen Herzens zu vergegen-
wärtigen, das auf’s grauſamſte getäuſcht, von der
Höhe eines herrlichen Gefühls herabgeſtürzt, an ſich
ſelber, wie an der Menſchheit, auf einen Augenblick
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trifft, ſo ſehen wir ſchon jezt, wie ſich ein zwar ſehr
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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