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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Neue Verschiedenes zu bedenken gibt. Nicht ohne
Absicht kommt er daher spielend wieder auf Nolten
und Larkens zurück. "Nein," sagt er zulezt, "es
würde mir sehr angenehm seyn, wenn Sie, meine
Liebe, mir über den bösen Punkt Ihre Ansicht offen-
baren wollten. Ganz gewiß sind Sie längst darüber
im Reinen, zum wenigsten haben Sie eine Meinung.
Reden Sie mir, ich bitte recht ernstlich -- Halten
Sie die Beiden für schuldig?"

Die Befragte bedenkt sich eine Weile und sagt
mit einer sonderbar zuckenden Bewegung: "Schuldig?
-- er ist's!"

"Wer doch?"

"Nun, der Nolten" --

"Ich erstaune! -- und Larkens?"

"Wohl eben so gut. Ja, mein Herr, darauf
verlassen Sie sich."

"Und sind strafbar?"

"So denk' ich."

"Nun, auf mein Wort! so sollen sie's bereuen."

Der Herzog stand auf; Constanze blieb wie
angefesselt. Er hatte dieß strenge Urtheil aus Con-
stanzens
Munde am wenigsten erwartet, um so
gegründeter mußte es seyn. Er fragte Einiges, was
ihre Ansicht näher bestimmen sollte, sie versicherte,
nichts weiter zu wissen: er möge sich damit begnügen
und auf keinen Fall sie verrathen. Nun erst, da er
Gewißheit zu haben glaubte, da selbst diese billig den-

Neue Verſchiedenes zu bedenken gibt. Nicht ohne
Abſicht kommt er daher ſpielend wieder auf Nolten
und Larkens zurück. „Nein,“ ſagt er zulezt, „es
würde mir ſehr angenehm ſeyn, wenn Sie, meine
Liebe, mir über den böſen Punkt Ihre Anſicht offen-
baren wollten. Ganz gewiß ſind Sie längſt darüber
im Reinen, zum wenigſten haben Sie eine Meinung.
Reden Sie mir, ich bitte recht ernſtlich — Halten
Sie die Beiden für ſchuldig?“

Die Befragte bedenkt ſich eine Weile und ſagt
mit einer ſonderbar zuckenden Bewegung: „Schuldig?
— er iſt’s!“

„Wer doch?“

„Nun, der Nolten“ —

„Ich erſtaune! — und Larkens?“

„Wohl eben ſo gut. Ja, mein Herr, darauf
verlaſſen Sie ſich.“

„Und ſind ſtrafbar?“

„So denk’ ich.“

„Nun, auf mein Wort! ſo ſollen ſie’s bereuen.“

Der Herzog ſtand auf; Conſtanze blieb wie
angefeſſelt. Er hatte dieß ſtrenge Urtheil aus Con-
ſtanzens
Munde am wenigſten erwartet, um ſo
gegründeter mußte es ſeyn. Er fragte Einiges, was
ihre Anſicht näher beſtimmen ſollte, ſie verſicherte,
nichts weiter zu wiſſen: er möge ſich damit begnügen
und auf keinen Fall ſie verrathen. Nun erſt, da er
Gewißheit zu haben glaubte, da ſelbſt dieſe billig den-

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[245/0253] Neue Verſchiedenes zu bedenken gibt. Nicht ohne Abſicht kommt er daher ſpielend wieder auf Nolten und Larkens zurück. „Nein,“ ſagt er zulezt, „es würde mir ſehr angenehm ſeyn, wenn Sie, meine Liebe, mir über den böſen Punkt Ihre Anſicht offen- baren wollten. Ganz gewiß ſind Sie längſt darüber im Reinen, zum wenigſten haben Sie eine Meinung. Reden Sie mir, ich bitte recht ernſtlich — Halten Sie die Beiden für ſchuldig?“ Die Befragte bedenkt ſich eine Weile und ſagt mit einer ſonderbar zuckenden Bewegung: „Schuldig? — er iſt’s!“ „Wer doch?“ „Nun, der Nolten“ — „Ich erſtaune! — und Larkens?“ „Wohl eben ſo gut. Ja, mein Herr, darauf verlaſſen Sie ſich.“ „Und ſind ſtrafbar?“ „So denk’ ich.“ „Nun, auf mein Wort! ſo ſollen ſie’s bereuen.“ Der Herzog ſtand auf; Conſtanze blieb wie angefeſſelt. Er hatte dieß ſtrenge Urtheil aus Con- ſtanzens Munde am wenigſten erwartet, um ſo gegründeter mußte es ſeyn. Er fragte Einiges, was ihre Anſicht näher beſtimmen ſollte, ſie verſicherte, nichts weiter zu wiſſen: er möge ſich damit begnügen und auf keinen Fall ſie verrathen. Nun erſt, da er Gewißheit zu haben glaubte, da ſelbſt dieſe billig den-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/253>, abgerufen am 10.06.2024.