Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.jezt, mich entfernen soll, fordern Sie, daß ich Sie Er faßte sie schonend an beiden Schultern, und Lang unterbrach die athmende Stille nichts. End- Constanze schüttelte, als wollte sie sagen: der Abermals versagt ihm ein weiteres Wort; er jezt, mich entfernen ſoll, fordern Sie, daß ich Sie Er faßte ſie ſchonend an beiden Schultern, und Lang unterbrach die athmende Stille nichts. End- Conſtanze ſchüttelte, als wollte ſie ſagen: der Abermals verſagt ihm ein weiteres Wort; er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0252" n="244"/> jezt, mich entfernen ſoll, fordern Sie, daß ich Sie<lb/> mein Leben lang durch nichts, durch kein halbes Wort,<lb/> mit keiner Miene, keinem leiſen Wunſche mehr an<lb/> dieſen Abend mahne! <hi rendition="#g">Mir</hi> aber darf er unvergeß-<lb/> lich bleiben; ſo wie jezt wird auf ewig dieſes Zimmer,<lb/> wird das Licht dieſer Kerze und wovon es Zeuge ge-<lb/> weſen, vor meiner Erinnerung ſtehen — o Gott! und<lb/><hi rendition="#g">ſo</hi>, in dieſer traurig abgewendeten Lage muß die Ge-<lb/> ſtalt der edelſten Frau vor mir erſcheinen, um allen<lb/> himmliſchen Reiz des vorigen Augenblicks wieder aus-<lb/> zulöſchen! ich werde vergehen, verzweifeln, wenn Sie<lb/> ſich nicht aufrichten, wenn ich Sie ſo verlaſſen muß.“</p><lb/> <p>Er faßte ſie ſchonend an beiden Schultern, und<lb/> ſanft rückwärts gebeugt lehnte ſie den Kopf an ihn,<lb/> ſo daß die offenen ſchwimmenden Augen unter ſeinem<lb/> Kinne aufblickten. Freundlich gedaukenlos ſchaut ſie<lb/> hinan, freundlich ſenkt er die Lippen auf die klare<lb/> Stirne nieder.</p><lb/> <p>Lang unterbrach die athmende Stille nichts. End-<lb/> lich ſagt er heiter: „Iſt’s nicht ein artig Sprüch-<lb/> wort, wenn man bei der eingetretenen Pauſe eines<lb/> lange gemüthlich fortgeſezten Geſprächs zu ſagen<lb/> pflegt: es geht ein Engel durch die Stube?“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Conſtanze</hi> ſchüttelte, als wollte ſie ſagen: der<lb/> vorige, der gegenwärtige Auftritt habe doch wohl ei-<lb/> nen ſo friedſamen Geiſt nicht herbeilocken können.</p><lb/> <p>Abermals verſagt ihm ein weiteres Wort; er<lb/> ſinnt über den Zuſtand der Gräfin nach, der ihm auf’s<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0252]
jezt, mich entfernen ſoll, fordern Sie, daß ich Sie
mein Leben lang durch nichts, durch kein halbes Wort,
mit keiner Miene, keinem leiſen Wunſche mehr an
dieſen Abend mahne! Mir aber darf er unvergeß-
lich bleiben; ſo wie jezt wird auf ewig dieſes Zimmer,
wird das Licht dieſer Kerze und wovon es Zeuge ge-
weſen, vor meiner Erinnerung ſtehen — o Gott! und
ſo, in dieſer traurig abgewendeten Lage muß die Ge-
ſtalt der edelſten Frau vor mir erſcheinen, um allen
himmliſchen Reiz des vorigen Augenblicks wieder aus-
zulöſchen! ich werde vergehen, verzweifeln, wenn Sie
ſich nicht aufrichten, wenn ich Sie ſo verlaſſen muß.“
Er faßte ſie ſchonend an beiden Schultern, und
ſanft rückwärts gebeugt lehnte ſie den Kopf an ihn,
ſo daß die offenen ſchwimmenden Augen unter ſeinem
Kinne aufblickten. Freundlich gedaukenlos ſchaut ſie
hinan, freundlich ſenkt er die Lippen auf die klare
Stirne nieder.
Lang unterbrach die athmende Stille nichts. End-
lich ſagt er heiter: „Iſt’s nicht ein artig Sprüch-
wort, wenn man bei der eingetretenen Pauſe eines
lange gemüthlich fortgeſezten Geſprächs zu ſagen
pflegt: es geht ein Engel durch die Stube?“
Conſtanze ſchüttelte, als wollte ſie ſagen: der
vorige, der gegenwärtige Auftritt habe doch wohl ei-
nen ſo friedſamen Geiſt nicht herbeilocken können.
Abermals verſagt ihm ein weiteres Wort; er
ſinnt über den Zuſtand der Gräfin nach, der ihm auf’s
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