Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832."Nicht weiter, mein Kind, verlang' ich, als einen So reichte denn Emilie mit Zittern Alles hin, "Wie kommst du zu diesem?" fragte sie, mit Mühe "Drüben," schluchzte das Mädchen, "wo die Herren "Hinter dem Kästchen, sagst du?" "Ja ja, gnädige Frau! ich sage nun die reine "Eine Entschuldigung ist das in keinem Falle. In- "Sie haben das lezte Papierchen." "Ich werde das zu mir nehmen bis morgen. Lösche „Nicht weiter, mein Kind, verlang’ ich, als einen So reichte denn Emilie mit Zittern Alles hin, „Wie kommſt du zu dieſem?“ fragte ſie, mit Mühe „Drüben,“ ſchluchzte das Mädchen, „wo die Herren „Hinter dem Käſtchen, ſagſt du?“ „Ja ja, gnädige Frau! ich ſage nun die reine „Eine Entſchuldigung iſt das in keinem Falle. In- „Sie haben das lezte Papierchen.“ „Ich werde das zu mir nehmen bis morgen. Löſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0229" n="221"/> <p>„Nicht weiter, mein Kind, verlang’ ich, als einen<lb/> Blick, mich zu überzeugen.“</p><lb/> <p>So reichte denn <hi rendition="#g">Emilie</hi> mit Zittern Alles hin,<lb/> indem ſie in lautes Weinen ausbrach. Aber <hi rendition="#g">Con-<lb/> ſtanze</hi>, wie mußte ſie erſchrecken, als der Anblick der<lb/> Taſche, als die goldgedruckten Lettern <hi rendition="#aq">T.N.</hi> auf der<lb/> dunkelblauen Saffiandecke zur Genüge den Eigenthümer<lb/> bezeichneten.</p><lb/> <p>„Wie kommſt du zu dieſem?“ fragte ſie, mit Mühe<lb/> ihre Verlegenheit bergend.</p><lb/> <p>„Drüben,“ ſchluchzte das Mädchen, „wo die Herren<lb/> heute das Spiel machten, lag die Taſche hinter dem<lb/> Schattenſpielkäſtchen, ich wollte mir nur die bunten<lb/> Gläſer ein wenig beſehen, und da — nun da nahm ich“ —</p><lb/> <p>„Hinter dem Käſtchen, ſagſt du?“</p><lb/> <p>„Ja ja, gnädige Frau! ich ſage nun die reine<lb/> Wahrheit, es hälfe mir ja doch nichts mehr, und auf-<lb/> geſchlagen lag ſie da, ganz nachläſſig, als hätte man ſie<lb/> eben erſt gebraucht und dann vergeſſen; — richtig! die<lb/> Bleifeder war auch herausgenommen, ſie muß noch auf<lb/> dem Tiſchchen zu finden ſeyn. Wahrhaftig, wäre nicht<lb/> Alles ſo offen da gelegen, ich hätte mich nicht unter-<lb/> ſtanden.“</p><lb/> <p>„Eine Entſchuldigung iſt das in keinem Falle. In-<lb/> deſſen — blieb nichts mehr zurück? Sieh im Bette<lb/> nach!“</p><lb/> <p>„Sie haben das lezte Papierchen.“</p><lb/> <p>„Ich werde das zu mir nehmen bis morgen. Löſche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0229]
„Nicht weiter, mein Kind, verlang’ ich, als einen
Blick, mich zu überzeugen.“
So reichte denn Emilie mit Zittern Alles hin,
indem ſie in lautes Weinen ausbrach. Aber Con-
ſtanze, wie mußte ſie erſchrecken, als der Anblick der
Taſche, als die goldgedruckten Lettern T.N. auf der
dunkelblauen Saffiandecke zur Genüge den Eigenthümer
bezeichneten.
„Wie kommſt du zu dieſem?“ fragte ſie, mit Mühe
ihre Verlegenheit bergend.
„Drüben,“ ſchluchzte das Mädchen, „wo die Herren
heute das Spiel machten, lag die Taſche hinter dem
Schattenſpielkäſtchen, ich wollte mir nur die bunten
Gläſer ein wenig beſehen, und da — nun da nahm ich“ —
„Hinter dem Käſtchen, ſagſt du?“
„Ja ja, gnädige Frau! ich ſage nun die reine
Wahrheit, es hälfe mir ja doch nichts mehr, und auf-
geſchlagen lag ſie da, ganz nachläſſig, als hätte man ſie
eben erſt gebraucht und dann vergeſſen; — richtig! die
Bleifeder war auch herausgenommen, ſie muß noch auf
dem Tiſchchen zu finden ſeyn. Wahrhaftig, wäre nicht
Alles ſo offen da gelegen, ich hätte mich nicht unter-
ſtanden.“
„Eine Entſchuldigung iſt das in keinem Falle. In-
deſſen — blieb nichts mehr zurück? Sieh im Bette
nach!“
„Sie haben das lezte Papierchen.“
„Ich werde das zu mir nehmen bis morgen. Löſche
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