auch die untergeordnete Welt von Elfen, Feen und Kobolden war nicht ausgeschlossen.
Orplid, einst der Augapfel der Himmlischen, mußte endlich ihrem Zorne erliegen, als die alte Ein- falt nach und nach einer verderblichen Verfeinerung der Denkweise und der Sitten zu weichen begann. Ein schreckliches Verhängniß raffte die lebende Mensch- heit dahin, selbst ihre Wohnungen sanken, nur das Lieblingskind Weyla's, nämlich Burg und Stadt Orplid, durfte, obgleich ausgestorben und öde, als ein traurig schönes Denkmal vergangener Hoheit stehen bleiben. Die Götter wandten sich auf Ewig ab von diesem Schauplatz, kaum daß jene erhabene Herrscherin zuweilen ihm noch einen Blick vergönnte, und auch diesen nur um eines einzigen Sterblichen willen, der, einem höheren Willen zufolge, die allgemeine Zerstö- rung weit überleben sollte.
Neuerer Zeiten, immerhin nach einem Zwischen- raum von beinahe tausend Jahren, geschah es, daß eine Anzahl europäischer Leute, meist aus der niedern Volksklasse, durch Zufall die Insel entdeckte und sich darauf ansiedelte. Wir Freunde durchstöberten mit ihnen die herrlichen Reste des Alterthums, ein gelehr- ter Archäologe, ein Engländer, mit Namen Harry, war zum Glück auf dem Schiffe mitgekommen, seine kleine Bibliothek und sonst Materialien verschiedenen Gebrauchs waren gerettet worden; Nahrung aller Art zollte die Natur im Ueberfluß, die neue Kolonie
auch die untergeordnete Welt von Elfen, Feen und Kobolden war nicht ausgeſchloſſen.
Orplid, einſt der Augapfel der Himmliſchen, mußte endlich ihrem Zorne erliegen, als die alte Ein- falt nach und nach einer verderblichen Verfeinerung der Denkweiſe und der Sitten zu weichen begann. Ein ſchreckliches Verhängniß raffte die lebende Menſch- heit dahin, ſelbſt ihre Wohnungen ſanken, nur das Lieblingskind Weyla’s, nämlich Burg und Stadt Orplid, durfte, obgleich ausgeſtorben und öde, als ein traurig ſchönes Denkmal vergangener Hoheit ſtehen bleiben. Die Götter wandten ſich auf Ewig ab von dieſem Schauplatz, kaum daß jene erhabene Herrſcherin zuweilen ihm noch einen Blick vergönnte, und auch dieſen nur um eines einzigen Sterblichen willen, der, einem höheren Willen zufolge, die allgemeine Zerſtö- rung weit überleben ſollte.
Neuerer Zeiten, immerhin nach einem Zwiſchen- raum von beinahe tauſend Jahren, geſchah es, daß eine Anzahl europäiſcher Leute, meiſt aus der niedern Volksklaſſe, durch Zufall die Inſel entdeckte und ſich darauf anſiedelte. Wir Freunde durchſtöberten mit ihnen die herrlichen Reſte des Alterthums, ein gelehr- ter Archäologe, ein Engländer, mit Namen Harry, war zum Glück auf dem Schiffe mitgekommen, ſeine kleine Bibliothek und ſonſt Materialien verſchiedenen Gebrauchs waren gerettet worden; Nahrung aller Art zollte die Natur im Ueberfluß, die neue Kolonie
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auch die untergeordnete Welt von Elfen, Feen und
Kobolden war nicht ausgeſchloſſen.
Orplid, einſt der Augapfel der Himmliſchen,
mußte endlich ihrem Zorne erliegen, als die alte Ein-
falt nach und nach einer verderblichen Verfeinerung
der Denkweiſe und der Sitten zu weichen begann.
Ein ſchreckliches Verhängniß raffte die lebende Menſch-
heit dahin, ſelbſt ihre Wohnungen ſanken, nur das
Lieblingskind Weyla’s, nämlich Burg und Stadt
Orplid, durfte, obgleich ausgeſtorben und öde, als ein
traurig ſchönes Denkmal vergangener Hoheit ſtehen
bleiben. Die Götter wandten ſich auf Ewig ab von
dieſem Schauplatz, kaum daß jene erhabene Herrſcherin
zuweilen ihm noch einen Blick vergönnte, und auch
dieſen nur um eines einzigen Sterblichen willen, der,
einem höheren Willen zufolge, die allgemeine Zerſtö-
rung weit überleben ſollte.
Neuerer Zeiten, immerhin nach einem Zwiſchen-
raum von beinahe tauſend Jahren, geſchah es, daß
eine Anzahl europäiſcher Leute, meiſt aus der niedern
Volksklaſſe, durch Zufall die Inſel entdeckte und ſich
darauf anſiedelte. Wir Freunde durchſtöberten mit
ihnen die herrlichen Reſte des Alterthums, ein gelehr-
ter Archäologe, ein Engländer, mit Namen Harry,
war zum Glück auf dem Schiffe mitgekommen, ſeine
kleine Bibliothek und ſonſt Materialien verſchiedenen
Gebrauchs waren gerettet worden; Nahrung aller
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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