gestaltete sich mit jedem Tage besser und bereits blüht eine zweite Generation in dem Zeitpunkte, wo unser heutiges Schauspiel sich eröffnet.
Was nun diese dramatische, oder vielmehr sehr undramatische Kleinigkeit betrifft, so sind meine Wün- sche erfüllt, wenn die verehrten Zuschauer sich mit einiger Theilnahme in die geistige Temperatur meiner Insel sollten finden können, wenn sie für die will- kürliche Oekonomie meines Stückes einen freund- schaftlichen Maaßstab mitbringen und sich mehr nur an den Charakter, an das Pathologische der Sache halten. Das ganze Ding machte sich, ich weiß nicht wie, vor Kurzem erst, nachdem mir seit langer Zeit wieder einmal eines Abends die alten Erinnerungen in den Ohren summten. Eine längst gehegte tragische Lieblingsvorstellung drang sich vorzüglich in dem Cha- rakter des lezten Königs von Orplid auf; dagegen gab es Veranlassung, zwei moderne, aus dem Leben gegrif- fene Nebenfiguren lustig einzuflechten, wovon die eine in der Laufbahn meines Freundes Nolten dergestalt Epoche gemacht, daß diese Person -- und sie soll ja neuerdings wieder in unserer Stadt spucken. -- sogar einigen der Anwesenden als eine nicht ganz unbekannte Fratze wieder begegnen wird.
Hier steckten sich einige begierige Köpfe zusammen, und als es hieß, daß jener diebische Bediente Nol- tens im Schattenspiel seine Aufwartung machen werde, verlautete allgemein ein herzliches Vergnügen; man
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geſtaltete ſich mit jedem Tage beſſer und bereits blüht eine zweite Generation in dem Zeitpunkte, wo unſer heutiges Schauſpiel ſich eröffnet.
Was nun dieſe dramatiſche, oder vielmehr ſehr undramatiſche Kleinigkeit betrifft, ſo ſind meine Wün- ſche erfüllt, wenn die verehrten Zuſchauer ſich mit einiger Theilnahme in die geiſtige Temperatur meiner Inſel ſollten finden können, wenn ſie für die will- kürliche Oekonomie meines Stückes einen freund- ſchaftlichen Maaßſtab mitbringen und ſich mehr nur an den Charakter, an das Pathologiſche der Sache halten. Das ganze Ding machte ſich, ich weiß nicht wie, vor Kurzem erſt, nachdem mir ſeit langer Zeit wieder einmal eines Abends die alten Erinnerungen in den Ohren ſummten. Eine längſt gehegte tragiſche Lieblingsvorſtellung drang ſich vorzüglich in dem Cha- rakter des lezten Königs von Orplid auf; dagegen gab es Veranlaſſung, zwei moderne, aus dem Leben gegrif- fene Nebenfiguren luſtig einzuflechten, wovon die eine in der Laufbahn meines Freundes Nolten dergeſtalt Epoche gemacht, daß dieſe Perſon — und ſie ſoll ja neuerdings wieder in unſerer Stadt ſpucken. — ſogar einigen der Anweſenden als eine nicht ganz unbekannte Fratze wieder begegnen wird.
Hier ſteckten ſich einige begierige Köpfe zuſammen, und als es hieß, daß jener diebiſche Bediente Nol- tens im Schattenſpiel ſeine Aufwartung machen werde, verlautete allgemein ein herzliches Vergnügen; man
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geſtaltete ſich mit jedem Tage beſſer und bereits blüht
eine zweite Generation in dem Zeitpunkte, wo unſer
heutiges Schauſpiel ſich eröffnet.
Was nun dieſe dramatiſche, oder vielmehr ſehr
undramatiſche Kleinigkeit betrifft, ſo ſind meine Wün-
ſche erfüllt, wenn die verehrten Zuſchauer ſich mit
einiger Theilnahme in die geiſtige Temperatur meiner
Inſel ſollten finden können, wenn ſie für die will-
kürliche Oekonomie meines Stückes einen freund-
ſchaftlichen Maaßſtab mitbringen und ſich mehr nur
an den Charakter, an das Pathologiſche der Sache
halten. Das ganze Ding machte ſich, ich weiß nicht
wie, vor Kurzem erſt, nachdem mir ſeit langer Zeit
wieder einmal eines Abends die alten Erinnerungen
in den Ohren ſummten. Eine längſt gehegte tragiſche
Lieblingsvorſtellung drang ſich vorzüglich in dem Cha-
rakter des lezten Königs von Orplid auf; dagegen gab
es Veranlaſſung, zwei moderne, aus dem Leben gegrif-
fene Nebenfiguren luſtig einzuflechten, wovon die eine
in der Laufbahn meines Freundes Nolten dergeſtalt
Epoche gemacht, daß dieſe Perſon — und ſie ſoll ja
neuerdings wieder in unſerer Stadt ſpucken. — ſogar
einigen der Anweſenden als eine nicht ganz unbekannte
Fratze wieder begegnen wird.
Hier ſteckten ſich einige begierige Köpfe zuſammen,
und als es hieß, daß jener diebiſche Bediente Nol-
tens im Schattenſpiel ſeine Aufwartung machen werde,
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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