Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

grob, so frech gegen mich seyn? Weißt du, was du
noch im Rest bei mir sitzen hast?"

"Ach, mein charmantester, mein göttlicher Herr,
wie sollt' ich's nicht wissen? aber das steht ja in gu-
ter Hand -- es mag etwa eine halbe Carolin seyn,
was Sie mir an meinem Lohn noch schulden -- Ba-
gatell -- wenn Sie gelegentlich, aber wohl verstanden,
nur ganz gelegentlich, das Pöstchen" --

Hier bekam Wispel unversehens einen Backen-
streich von Theobalds Hand, daß ihm die Haut
feuerte. "Schandbube! eine Anweisung in's Spinn-
haus bin ich dir schuldig! Aber gib Rechenschaft über
das, was ich eben frage: wie warst du fähig, gegen
deinen ehemaligen Wohlthäter dich so zu vergessen?"

"Ach," antwortete er, ganz wieder mit seiner ge-
wohnten Affektation, mit jenem Hüsteln und Blinzeln,
"dem Himmel is es bewußt, wie das zuging, ich wollte
mich durch solch' ein Betragen gleichsam unkenntlich
machen, mich gegen meine eigene Rührung verschan-
zen, daher meine Wuth, meine Malice, auch läugn'
ich nicht, es war vielleicht ein -- ein -- vielleicht
ein Kitzel, das heiße Blut des Südens an mir selbst
zu bewundern, und so -- und dann -- aber gewiß
werden Sie mir zugeben, Monsieur, ich habe den hö-
hern Ton der Chikane und den eigentlichen vornehmen
Takt, womit das point d'honneur behandelt werden
muß, mir so ziemlich angeeignet. Wie? ich bitte,
sagen Sie, was denken Sie?"

grob, ſo frech gegen mich ſeyn? Weißt du, was du
noch im Reſt bei mir ſitzen haſt?“

„Ach, mein charmanteſter, mein göttlicher Herr,
wie ſollt’ ich’s nicht wiſſen? aber das ſteht ja in gu-
ter Hand — es mag etwa eine halbe Carolin ſeyn,
was Sie mir an meinem Lohn noch ſchulden — Ba-
gatell — wenn Sie gelegentlich, aber wohl verſtanden,
nur ganz gelegentlich, das Pöſtchen“ —

Hier bekam Wispel unverſehens einen Backen-
ſtreich von Theobalds Hand, daß ihm die Haut
feuerte. „Schandbube! eine Anweiſung in’s Spinn-
haus bin ich dir ſchuldig! Aber gib Rechenſchaft über
das, was ich eben frage: wie warſt du fähig, gegen
deinen ehemaligen Wohlthäter dich ſo zu vergeſſen?“

„Ach,“ antwortete er, ganz wieder mit ſeiner ge-
wohnten Affektation, mit jenem Hüſteln und Blinzeln,
„dem Himmel is es bewußt, wie das zuging, ich wollte
mich durch ſolch’ ein Betragen gleichſam unkenntlich
machen, mich gegen meine eigene Rührung verſchan-
zen, daher meine Wuth, meine Malice, auch läugn’
ich nicht, es war vielleicht ein — ein — vielleicht
ein Kitzel, das heiße Blut des Südens an mir ſelbſt
zu bewundern, und ſo — und dann — aber gewiß
werden Sie mir zugeben, Monſieur, ich habe den hö-
hern Ton der Chikane und den eigentlichen vornehmen
Takt, womit das point d’honneur behandelt werden
muß, mir ſo ziemlich angeeignet. Wie? ich bitte,
ſagen Sie, was denken Sie?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="130"/>
grob, &#x017F;o frech gegen mich &#x017F;eyn? Weißt du, was du<lb/>
noch im Re&#x017F;t bei mir &#x017F;itzen ha&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach, mein charmante&#x017F;ter, mein göttlicher Herr,<lb/>
wie &#x017F;ollt&#x2019; ich&#x2019;s nicht wi&#x017F;&#x017F;en? aber das &#x017F;teht ja in gu-<lb/>
ter Hand &#x2014; es mag etwa eine halbe Carolin &#x017F;eyn,<lb/>
was Sie mir an meinem Lohn noch &#x017F;chulden &#x2014; Ba-<lb/>
gatell &#x2014; wenn Sie gelegentlich, aber wohl ver&#x017F;tanden,<lb/>
nur ganz gelegentlich, das Pö&#x017F;tchen&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Hier bekam <hi rendition="#g">Wispel</hi> unver&#x017F;ehens einen Backen-<lb/>
&#x017F;treich von <hi rendition="#g">Theobalds</hi> Hand, daß ihm die Haut<lb/>
feuerte. &#x201E;Schandbube! eine Anwei&#x017F;ung in&#x2019;s Spinn-<lb/>
haus bin ich dir &#x017F;chuldig! Aber gib Rechen&#x017F;chaft über<lb/>
das, was ich eben frage: wie war&#x017F;t du fähig, gegen<lb/>
deinen ehemaligen Wohlthäter dich &#x017F;o zu verge&#x017F;&#x017F;en?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach,&#x201C; antwortete er, ganz wieder mit &#x017F;einer ge-<lb/>
wohnten Affektation, mit jenem Hü&#x017F;teln und Blinzeln,<lb/>
&#x201E;dem Himmel is es bewußt, wie das zuging, ich wollte<lb/>
mich durch &#x017F;olch&#x2019; ein Betragen gleich&#x017F;am unkenntlich<lb/>
machen, mich gegen meine eigene Rührung ver&#x017F;chan-<lb/>
zen, daher meine Wuth, meine Malice, auch läugn&#x2019;<lb/>
ich nicht, es war vielleicht ein &#x2014; ein &#x2014; vielleicht<lb/>
ein Kitzel, das heiße Blut des Südens an mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu bewundern, und &#x017F;o &#x2014; und dann &#x2014; aber gewiß<lb/>
werden Sie mir zugeben, Mon&#x017F;ieur, ich habe den hö-<lb/>
hern Ton der Chikane und den eigentlichen vornehmen<lb/>
Takt, womit das <hi rendition="#aq">point d&#x2019;honneur</hi> behandelt werden<lb/>
muß, mir &#x017F;o ziemlich angeeignet. Wie? ich bitte,<lb/>
&#x017F;agen Sie, was denken Sie?&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0138] grob, ſo frech gegen mich ſeyn? Weißt du, was du noch im Reſt bei mir ſitzen haſt?“ „Ach, mein charmanteſter, mein göttlicher Herr, wie ſollt’ ich’s nicht wiſſen? aber das ſteht ja in gu- ter Hand — es mag etwa eine halbe Carolin ſeyn, was Sie mir an meinem Lohn noch ſchulden — Ba- gatell — wenn Sie gelegentlich, aber wohl verſtanden, nur ganz gelegentlich, das Pöſtchen“ — Hier bekam Wispel unverſehens einen Backen- ſtreich von Theobalds Hand, daß ihm die Haut feuerte. „Schandbube! eine Anweiſung in’s Spinn- haus bin ich dir ſchuldig! Aber gib Rechenſchaft über das, was ich eben frage: wie warſt du fähig, gegen deinen ehemaligen Wohlthäter dich ſo zu vergeſſen?“ „Ach,“ antwortete er, ganz wieder mit ſeiner ge- wohnten Affektation, mit jenem Hüſteln und Blinzeln, „dem Himmel is es bewußt, wie das zuging, ich wollte mich durch ſolch’ ein Betragen gleichſam unkenntlich machen, mich gegen meine eigene Rührung verſchan- zen, daher meine Wuth, meine Malice, auch läugn’ ich nicht, es war vielleicht ein — ein — vielleicht ein Kitzel, das heiße Blut des Südens an mir ſelbſt zu bewundern, und ſo — und dann — aber gewiß werden Sie mir zugeben, Monſieur, ich habe den hö- hern Ton der Chikane und den eigentlichen vornehmen Takt, womit das point d’honneur behandelt werden muß, mir ſo ziemlich angeeignet. Wie? ich bitte, ſagen Sie, was denken Sie?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/138
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/138>, abgerufen am 19.05.2024.