Dienste des fremden Künstlers ungefähr auf dieselbe Weise gekommen war, wie einst in Theobalds; es ging dieß um so leichter an, da ihm von seinen frühe- ren Landstreichereien noch einige Kenntniß der Sprache seines Herrn geblieben war, und er diesem als Dol- metscher auf seiner Reise nach Deutschland, an dessen Grenze sie sich kennen gelernt, gar oft nützlich seyn konnte. Die guten Kleider, die er am Leibe trug, waren theils Geschenk seines Herrn, theils hatte er sich zu Ausführung des gegenwärtigen Prunkstückchens die Garderobe des Künstlers heimlich zu Nutze ge- macht. Der Italiener, erst vorgestern angelangt, hielt sich in der Stadt auf, und sollte erst diesen Abend zu Anordnung der Bildwerke herauskommen, weil aber durch ein Mißverständniß die Handlanger schon in der Frühe vergeblich hieher gesprengt worden, so empfand Wispel einen unüberwindlichen Reiz, vor diesen Leuten und den etwa sich einfindenden Fremden jenen berühmten Mann vorzustellen, dessen bizarres Wesen er zwar mit Uebertreibung, doch nicht ganz unglück- lich, nachzuahmen wußte. Es sey ihm selber, gestand er nun, sehr leid gewesen, als ihm Nolten, sein ehemaliger Gebieter, so unerwartet in den Wurf ge- kommen, und noch jezt wisse er nicht recht, was ihn verführt habe, augenblicklich eine offensive Stellung gegen ihn anzunehmen.
"Aber Mensch, wie konntest du so unbegreiflich
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Dienſte des fremden Künſtlers ungefähr auf dieſelbe Weiſe gekommen war, wie einſt in Theobalds; es ging dieß um ſo leichter an, da ihm von ſeinen frühe- ren Landſtreichereien noch einige Kenntniß der Sprache ſeines Herrn geblieben war, und er dieſem als Dol- metſcher auf ſeiner Reiſe nach Deutſchland, an deſſen Grenze ſie ſich kennen gelernt, gar oft nützlich ſeyn konnte. Die guten Kleider, die er am Leibe trug, waren theils Geſchenk ſeines Herrn, theils hatte er ſich zu Ausführung des gegenwärtigen Prunkſtückchens die Garderobe des Künſtlers heimlich zu Nutze ge- macht. Der Italiener, erſt vorgeſtern angelangt, hielt ſich in der Stadt auf, und ſollte erſt dieſen Abend zu Anordnung der Bildwerke herauskommen, weil aber durch ein Mißverſtändniß die Handlanger ſchon in der Frühe vergeblich hieher geſprengt worden, ſo empfand Wispel einen unüberwindlichen Reiz, vor dieſen Leuten und den etwa ſich einfindenden Fremden jenen berühmten Mann vorzuſtellen, deſſen bizarres Weſen er zwar mit Uebertreibung, doch nicht ganz unglück- lich, nachzuahmen wußte. Es ſey ihm ſelber, geſtand er nun, ſehr leid geweſen, als ihm Nolten, ſein ehemaliger Gebieter, ſo unerwartet in den Wurf ge- kommen, und noch jezt wiſſe er nicht recht, was ihn verführt habe, augenblicklich eine offenſive Stellung gegen ihn anzunehmen.
„Aber Menſch, wie konnteſt du ſo unbegreiflich
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Dienſte des fremden Künſtlers ungefähr auf dieſelbe
Weiſe gekommen war, wie einſt in Theobalds; es
ging dieß um ſo leichter an, da ihm von ſeinen frühe-
ren Landſtreichereien noch einige Kenntniß der Sprache
ſeines Herrn geblieben war, und er dieſem als Dol-
metſcher auf ſeiner Reiſe nach Deutſchland, an deſſen
Grenze ſie ſich kennen gelernt, gar oft nützlich ſeyn
konnte. Die guten Kleider, die er am Leibe trug,
waren theils Geſchenk ſeines Herrn, theils hatte er
ſich zu Ausführung des gegenwärtigen Prunkſtückchens
die Garderobe des Künſtlers heimlich zu Nutze ge-
macht. Der Italiener, erſt vorgeſtern angelangt, hielt
ſich in der Stadt auf, und ſollte erſt dieſen Abend zu
Anordnung der Bildwerke herauskommen, weil aber
durch ein Mißverſtändniß die Handlanger ſchon in der
Frühe vergeblich hieher geſprengt worden, ſo empfand
Wispel einen unüberwindlichen Reiz, vor dieſen
Leuten und den etwa ſich einfindenden Fremden jenen
berühmten Mann vorzuſtellen, deſſen bizarres Weſen
er zwar mit Uebertreibung, doch nicht ganz unglück-
lich, nachzuahmen wußte. Es ſey ihm ſelber, geſtand
er nun, ſehr leid geweſen, als ihm Nolten, ſein
ehemaliger Gebieter, ſo unerwartet in den Wurf ge-
kommen, und noch jezt wiſſe er nicht recht, was ihn
verführt habe, augenblicklich eine offenſive Stellung
gegen ihn anzunehmen.
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/137>, abgerufen am 29.11.2024.
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