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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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wir kennen uns!" -- Wunder! der falsche Schnurr-
bart blieb Nolten in den Fingern, der arme Teufel
selber fiel zitternd auf seine Kniee, es war kein an-
derer Mensch als -- Barbier Wispel, der entlau-
fene Bediente Noltens.

Der Graf traute seinen Augen kaum bei dieser
Scene, und unser Freund, ungewiß, sollte er lachen
oder zürnen, rief: "Du unterstehst dich, Elender,
nachdem du mich einmal schändlich bestohlen, auf's
Neue deinen Betrug, deine Narrheit an mir und in
dieser Gegend auszuüben, wo dich das Zuchthaus er-
wartet? Wie kommst du nur zu diesen Kleidern, wie
kommst du überhaupt dazu, diese apokryphische Rolle
zu spielen?"

In der That konnte Nolten trotz aller ange-
nommenen und wirklichen Indignation ein herzliches
Lachen kaum zurückdrängen. Es nahm ihn nun gar
nicht mehr Wunder, wie er sich eine Zeitlang wirklich
in der Person dieses Menschen täuschen konnte; denn
es war bei Weitem nicht der magere, splitterdünne
Wispel mehr, es mußte ihm auf seinen neuen Rei-
sen ganz besonders wohl ergangen seyn, auch von sei-
nen früheren Manieren hatte sich Vieles verwischt,
oder legte er sie auf einige Stunden ab, und dann
die künstlich braun gefärbte Haut, veränderte Stimme,
verstellte Frisur, Bart und sonstige Ausstattung, Alles
half zu diesem närrischen Quiproquo. Aus seinen
Bekenntnissen ergab sich nach und nach, daß er in die

wir kennen uns!“ — Wunder! der falſche Schnurr-
bart blieb Nolten in den Fingern, der arme Teufel
ſelber fiel zitternd auf ſeine Kniee, es war kein an-
derer Menſch als — Barbier Wispel, der entlau-
fene Bediente Noltens.

Der Graf traute ſeinen Augen kaum bei dieſer
Scene, und unſer Freund, ungewiß, ſollte er lachen
oder zürnen, rief: „Du unterſtehſt dich, Elender,
nachdem du mich einmal ſchändlich beſtohlen, auf’s
Neue deinen Betrug, deine Narrheit an mir und in
dieſer Gegend auszuüben, wo dich das Zuchthaus er-
wartet? Wie kommſt du nur zu dieſen Kleidern, wie
kommſt du überhaupt dazu, dieſe apokryphiſche Rolle
zu ſpielen?“

In der That konnte Nolten trotz aller ange-
nommenen und wirklichen Indignation ein herzliches
Lachen kaum zurückdrängen. Es nahm ihn nun gar
nicht mehr Wunder, wie er ſich eine Zeitlang wirklich
in der Perſon dieſes Menſchen täuſchen konnte; denn
es war bei Weitem nicht der magere, ſplitterdünne
Wispel mehr, es mußte ihm auf ſeinen neuen Rei-
ſen ganz beſonders wohl ergangen ſeyn, auch von ſei-
nen früheren Manieren hatte ſich Vieles verwiſcht,
oder legte er ſie auf einige Stunden ab, und dann
die künſtlich braun gefärbte Haut, veränderte Stimme,
verſtellte Friſur, Bart und ſonſtige Ausſtattung, Alles
half zu dieſem närriſchen Quiproquo. Aus ſeinen
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[128/0136] wir kennen uns!“ — Wunder! der falſche Schnurr- bart blieb Nolten in den Fingern, der arme Teufel ſelber fiel zitternd auf ſeine Kniee, es war kein an- derer Menſch als — Barbier Wispel, der entlau- fene Bediente Noltens. Der Graf traute ſeinen Augen kaum bei dieſer Scene, und unſer Freund, ungewiß, ſollte er lachen oder zürnen, rief: „Du unterſtehſt dich, Elender, nachdem du mich einmal ſchändlich beſtohlen, auf’s Neue deinen Betrug, deine Narrheit an mir und in dieſer Gegend auszuüben, wo dich das Zuchthaus er- wartet? Wie kommſt du nur zu dieſen Kleidern, wie kommſt du überhaupt dazu, dieſe apokryphiſche Rolle zu ſpielen?“ In der That konnte Nolten trotz aller ange- nommenen und wirklichen Indignation ein herzliches Lachen kaum zurückdrängen. Es nahm ihn nun gar nicht mehr Wunder, wie er ſich eine Zeitlang wirklich in der Perſon dieſes Menſchen täuſchen konnte; denn es war bei Weitem nicht der magere, ſplitterdünne Wispel mehr, es mußte ihm auf ſeinen neuen Rei- ſen ganz beſonders wohl ergangen ſeyn, auch von ſei- nen früheren Manieren hatte ſich Vieles verwiſcht, oder legte er ſie auf einige Stunden ab, und dann die künſtlich braun gefärbte Haut, veränderte Stimme, verſtellte Friſur, Bart und ſonſtige Ausſtattung, Alles half zu dieſem närriſchen Quiproquo. Aus ſeinen Bekenntniſſen ergab ſich nach und nach, daß er in die

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/136>, abgerufen am 29.11.2024.