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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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mit den Worten: "Gratuliren Sie sich, daß Sie so
wegkommen, mein Herr Maler! Künftig etwas beschei-
dener, will ich gerathen haben! Sie dürften sonst eine
deutsche Klinge mit einer welschen messen, oder daß
ich es recht sage, ich möchte mir leicht einmal den
Spaß machen, und mein scarpello aufheben gegen
einen deutschen -- Pinsel; verstanden?"

"Wohl, mein Herr," versezte Nolten ruhig,
"ich bin der Meinung, Sie machten die Probe je
eher je lieber; ich werde mich dießfalls heute noch in
bester Form eines Nähern bei Ihnen vernehmen las-
sen. Was inzwischen den deutschen Pinsel betrifft,
so mögen Sie immerhin den Maler in mir verachten,
und zwar noch ehe Sie ihn kennen gelernt haben, ich
bin gegen den Bildhauer gerecht, dessen Werke ich
vorhin gesehen habe; sie sind vortrefflich, und sind es
so sehr, daß es der frechsten Lüge gleich sieht, wenn
Sie, mein Herr, sich den Schöpfer derselben nennen."

Dieser lezte Ausfall machte den Fremden offen-
bar ein wenig betroffen, obgleich er gethan, als hörte
er nichts; aber er wurde noch verlegener, da Nolten
ihm tiefer in's Gesicht schaute, den Kopf schüttelte
und mit einem zweifelnden Lächeln dem Grafen zu-
winkte; -- noch einen prüfenden Blick auf die selt-
same Physiognomie des Italieners, noch einen, und
wieder einen und -- "Gemach, mein Freund!" rief
Theobald, den Burschen am Schnurrbart packend,
da er eben aus der Thür schlüpfen wollte, "ich glaube,

mit den Worten: „Gratuliren Sie ſich, daß Sie ſo
wegkommen, mein Herr Maler! Künftig etwas beſchei-
dener, will ich gerathen haben! Sie dürften ſonſt eine
deutſche Klinge mit einer welſchen meſſen, oder daß
ich es recht ſage, ich möchte mir leicht einmal den
Spaß machen, und mein scarpello aufheben gegen
einen deutſchen — Pinſel; verſtanden?“

„Wohl, mein Herr,“ verſezte Nolten ruhig,
„ich bin der Meinung, Sie machten die Probe je
eher je lieber; ich werde mich dießfalls heute noch in
beſter Form eines Nähern bei Ihnen vernehmen laſ-
ſen. Was inzwiſchen den deutſchen Pinſel betrifft,
ſo mögen Sie immerhin den Maler in mir verachten,
und zwar noch ehe Sie ihn kennen gelernt haben, ich
bin gegen den Bildhauer gerecht, deſſen Werke ich
vorhin geſehen habe; ſie ſind vortrefflich, und ſind es
ſo ſehr, daß es der frechſten Lüge gleich ſieht, wenn
Sie, mein Herr, ſich den Schöpfer derſelben nennen.“

Dieſer lezte Ausfall machte den Fremden offen-
bar ein wenig betroffen, obgleich er gethan, als hörte
er nichts; aber er wurde noch verlegener, da Nolten
ihm tiefer in’s Geſicht ſchaute, den Kopf ſchüttelte
und mit einem zweifelnden Lächeln dem Grafen zu-
winkte; — noch einen prüfenden Blick auf die ſelt-
ſame Phyſiognomie des Italieners, noch einen, und
wieder einen und — „Gemach, mein Freund!“ rief
Theobald, den Burſchen am Schnurrbart packend,
da er eben aus der Thür ſchlüpfen wollte, „ich glaube,

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[127/0135] mit den Worten: „Gratuliren Sie ſich, daß Sie ſo wegkommen, mein Herr Maler! Künftig etwas beſchei- dener, will ich gerathen haben! Sie dürften ſonſt eine deutſche Klinge mit einer welſchen meſſen, oder daß ich es recht ſage, ich möchte mir leicht einmal den Spaß machen, und mein scarpello aufheben gegen einen deutſchen — Pinſel; verſtanden?“ „Wohl, mein Herr,“ verſezte Nolten ruhig, „ich bin der Meinung, Sie machten die Probe je eher je lieber; ich werde mich dießfalls heute noch in beſter Form eines Nähern bei Ihnen vernehmen laſ- ſen. Was inzwiſchen den deutſchen Pinſel betrifft, ſo mögen Sie immerhin den Maler in mir verachten, und zwar noch ehe Sie ihn kennen gelernt haben, ich bin gegen den Bildhauer gerecht, deſſen Werke ich vorhin geſehen habe; ſie ſind vortrefflich, und ſind es ſo ſehr, daß es der frechſten Lüge gleich ſieht, wenn Sie, mein Herr, ſich den Schöpfer derſelben nennen.“ Dieſer lezte Ausfall machte den Fremden offen- bar ein wenig betroffen, obgleich er gethan, als hörte er nichts; aber er wurde noch verlegener, da Nolten ihm tiefer in’s Geſicht ſchaute, den Kopf ſchüttelte und mit einem zweifelnden Lächeln dem Grafen zu- winkte; — noch einen prüfenden Blick auf die ſelt- ſame Phyſiognomie des Italieners, noch einen, und wieder einen und — „Gemach, mein Freund!“ rief Theobald, den Burſchen am Schnurrbart packend, da er eben aus der Thür ſchlüpfen wollte, „ich glaube,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/135>, abgerufen am 29.11.2024.