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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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der Uebrigen nicht beleidigt würde. Constanze hatte
bereits den Tisch verlassen.

"Sie sind Zeuge!" rief der jähzornige Mann dem
Grafen zu, "Sie gestehen, daß Signor meinen Scherz
absichtlich böse mißverstand, um mich beleidigen zu
können! Aber es soll ihm nicht hingehen, so wahr ich
lebe, Signor wird mir Genugthuung verschaffen!"

"Sehr gern!" erwiderte Theobald, "doch dünkt
mich, wer dieß am ersten fordern könnte, das wäre
ich; indessen hätte ich für meine Person darauf ver-
zichtet, weil Sie durch Ihre Reden meine Ehre nicht
zu kränken vermochten, weder in meinen noch in den
Augen der Anwesenden. Sollten Sie aber die Rettung
der Ihrigen noch auf irgend eine Art versuchen wol-
len, so will ich Alles dazu beitragen, wiewohl ich mir
fast lächerlich dabei vorkomme."

"Lächerlich, Signor?" triumphirte der Italiener,
das Wort falsch deutend, mit entsetzlichem Lachen,
"lächerlich? ja, ja, nun ja, da haben Sie Recht! ich
kann beinahe zufrieden seyn mit diesem Geständniß,
hi, hi, hi!"

Nolten wollte sich dem Unverschämten mit der-
ber Wahrheit erklären, aber ein Wink des Grafen bat
ihn um Zurückhaltung, und er folgte um so williger,
je mehr er dabei an Constanzen und ihre entschie-
dene Abneigung gegen dergleichen Ehrenerörterungen
dachte. Doch der Italiener wollte sich seines Siegs
noch weiter freuen, er wandte sich gegen seinen Mann

der Uebrigen nicht beleidigt würde. Conſtanze hatte
bereits den Tiſch verlaſſen.

„Sie ſind Zeuge!“ rief der jähzornige Mann dem
Grafen zu, „Sie geſtehen, daß Signor meinen Scherz
abſichtlich böſe mißverſtand, um mich beleidigen zu
können! Aber es ſoll ihm nicht hingehen, ſo wahr ich
lebe, Signor wird mir Genugthuung verſchaffen!“

„Sehr gern!“ erwiderte Theobald, „doch dünkt
mich, wer dieß am erſten fordern könnte, das wäre
ich; indeſſen hätte ich für meine Perſon darauf ver-
zichtet, weil Sie durch Ihre Reden meine Ehre nicht
zu kränken vermochten, weder in meinen noch in den
Augen der Anweſenden. Sollten Sie aber die Rettung
der Ihrigen noch auf irgend eine Art verſuchen wol-
len, ſo will ich Alles dazu beitragen, wiewohl ich mir
faſt lächerlich dabei vorkomme.“

„Lächerlich, Signor?“ triumphirte der Italiener,
das Wort falſch deutend, mit entſetzlichem Lachen,
„lächerlich? ja, ja, nun ja, da haben Sie Recht! ich
kann beinahe zufrieden ſeyn mit dieſem Geſtändniß,
hi, hi, hi!“

Nolten wollte ſich dem Unverſchämten mit der-
ber Wahrheit erklären, aber ein Wink des Grafen bat
ihn um Zurückhaltung, und er folgte um ſo williger,
je mehr er dabei an Conſtanzen und ihre entſchie-
dene Abneigung gegen dergleichen Ehrenerörterungen
dachte. Doch der Italiener wollte ſich ſeines Siegs
noch weiter freuen, er wandte ſich gegen ſeinen Mann

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[126/0134] der Uebrigen nicht beleidigt würde. Conſtanze hatte bereits den Tiſch verlaſſen. „Sie ſind Zeuge!“ rief der jähzornige Mann dem Grafen zu, „Sie geſtehen, daß Signor meinen Scherz abſichtlich böſe mißverſtand, um mich beleidigen zu können! Aber es ſoll ihm nicht hingehen, ſo wahr ich lebe, Signor wird mir Genugthuung verſchaffen!“ „Sehr gern!“ erwiderte Theobald, „doch dünkt mich, wer dieß am erſten fordern könnte, das wäre ich; indeſſen hätte ich für meine Perſon darauf ver- zichtet, weil Sie durch Ihre Reden meine Ehre nicht zu kränken vermochten, weder in meinen noch in den Augen der Anweſenden. Sollten Sie aber die Rettung der Ihrigen noch auf irgend eine Art verſuchen wol- len, ſo will ich Alles dazu beitragen, wiewohl ich mir faſt lächerlich dabei vorkomme.“ „Lächerlich, Signor?“ triumphirte der Italiener, das Wort falſch deutend, mit entſetzlichem Lachen, „lächerlich? ja, ja, nun ja, da haben Sie Recht! ich kann beinahe zufrieden ſeyn mit dieſem Geſtändniß, hi, hi, hi!“ Nolten wollte ſich dem Unverſchämten mit der- ber Wahrheit erklären, aber ein Wink des Grafen bat ihn um Zurückhaltung, und er folgte um ſo williger, je mehr er dabei an Conſtanzen und ihre entſchie- dene Abneigung gegen dergleichen Ehrenerörterungen dachte. Doch der Italiener wollte ſich ſeines Siegs noch weiter freuen, er wandte ſich gegen ſeinen Mann

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/134>, abgerufen am 29.11.2024.