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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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sich auswärts umzuthun, überall, nur nicht in meinen
vier Pfählen, vor meiner Staffelei mich zu befriedigen?
Was den Künstler sonst wohl reizt und treibt und er-
muntert, das ist die Hoffnung auf die ruhmvolle Aner-
kennung der Verständigen, die rege Theilnahme zunächst
seiner Freunde; auch mir war dieß Gefühl nicht fremd,
jezt vermag es nichts mehr auf mich. Ungenüzt und
trocken und verdrießlich gehn mir die Wochen dahin,
und nur die Stunden glaub' ich wirklich gelebt zu haben,
die mir in Ihrem Hause vergönnt sind. Aber nun, für
einen Mann, welcher seine Pflicht so gut fühlt, als ein
jeder Andere, sagen Sie mir, ist so ein Leben nicht ein
unerträgliches? Und sehen Sie ein Mittel, es zu ändern?
Könnten Sie auch nur den kranken Fleck entdecken,
wovon mir all dieß Unheil kommt, das mich so gänzlich
von mir selber trennt und scheidet?"

"Mit Verwunderung, Nolten, hör' ich Sie an,"
erwiderte die Gräfin, "und Ihre Klagen, ich gestehe es,
mißfallen mir mehr, als daß mein Mitleid dadurch
rege würde. Ich verstehe Sie nicht ganz, nur glaub'
ich fast zu sehen, die Schuld liegt meist an Ihnen.
Gern dacht' ich Sie mir diese ganze Zeit her thätig,
frisch und aller Hoffnung voll. Ließen nicht Ihre Ge-
spräche nur den wärmsten Eifer blicken für Ihren Be-
ruf und Alles, was dahin gehört? War Ihr Beneh-
men denn nicht weit mehr heiter als zerstreut und un-
befriedigt? Wie angenehm für unsern kleinen Kreis,
wenn Sie des Abends als ein mehr und mehr unent-

ſich auswärts umzuthun, überall, nur nicht in meinen
vier Pfählen, vor meiner Staffelei mich zu befriedigen?
Was den Künſtler ſonſt wohl reizt und treibt und er-
muntert, das iſt die Hoffnung auf die ruhmvolle Aner-
kennung der Verſtändigen, die rege Theilnahme zunächſt
ſeiner Freunde; auch mir war dieß Gefühl nicht fremd,
jezt vermag es nichts mehr auf mich. Ungenüzt und
trocken und verdrießlich gehn mir die Wochen dahin,
und nur die Stunden glaub’ ich wirklich gelebt zu haben,
die mir in Ihrem Hauſe vergönnt ſind. Aber nun, für
einen Mann, welcher ſeine Pflicht ſo gut fühlt, als ein
jeder Andere, ſagen Sie mir, iſt ſo ein Leben nicht ein
unerträgliches? Und ſehen Sie ein Mittel, es zu ändern?
Könnten Sie auch nur den kranken Fleck entdecken,
wovon mir all dieß Unheil kommt, das mich ſo gänzlich
von mir ſelber trennt und ſcheidet?“

„Mit Verwunderung, Nolten, hör’ ich Sie an,“
erwiderte die Gräfin, „und Ihre Klagen, ich geſtehe es,
mißfallen mir mehr, als daß mein Mitleid dadurch
rege würde. Ich verſtehe Sie nicht ganz, nur glaub’
ich faſt zu ſehen, die Schuld liegt meiſt an Ihnen.
Gern dacht’ ich Sie mir dieſe ganze Zeit her thätig,
friſch und aller Hoffnung voll. Ließen nicht Ihre Ge-
ſpräche nur den wärmſten Eifer blicken für Ihren Be-
ruf und Alles, was dahin gehört? War Ihr Beneh-
men denn nicht weit mehr heiter als zerſtreut und un-
befriedigt? Wie angenehm für unſern kleinen Kreis,
wenn Sie des Abends als ein mehr und mehr unent-

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[114/0122] ſich auswärts umzuthun, überall, nur nicht in meinen vier Pfählen, vor meiner Staffelei mich zu befriedigen? Was den Künſtler ſonſt wohl reizt und treibt und er- muntert, das iſt die Hoffnung auf die ruhmvolle Aner- kennung der Verſtändigen, die rege Theilnahme zunächſt ſeiner Freunde; auch mir war dieß Gefühl nicht fremd, jezt vermag es nichts mehr auf mich. Ungenüzt und trocken und verdrießlich gehn mir die Wochen dahin, und nur die Stunden glaub’ ich wirklich gelebt zu haben, die mir in Ihrem Hauſe vergönnt ſind. Aber nun, für einen Mann, welcher ſeine Pflicht ſo gut fühlt, als ein jeder Andere, ſagen Sie mir, iſt ſo ein Leben nicht ein unerträgliches? Und ſehen Sie ein Mittel, es zu ändern? Könnten Sie auch nur den kranken Fleck entdecken, wovon mir all dieß Unheil kommt, das mich ſo gänzlich von mir ſelber trennt und ſcheidet?“ „Mit Verwunderung, Nolten, hör’ ich Sie an,“ erwiderte die Gräfin, „und Ihre Klagen, ich geſtehe es, mißfallen mir mehr, als daß mein Mitleid dadurch rege würde. Ich verſtehe Sie nicht ganz, nur glaub’ ich faſt zu ſehen, die Schuld liegt meiſt an Ihnen. Gern dacht’ ich Sie mir dieſe ganze Zeit her thätig, friſch und aller Hoffnung voll. Ließen nicht Ihre Ge- ſpräche nur den wärmſten Eifer blicken für Ihren Be- ruf und Alles, was dahin gehört? War Ihr Beneh- men denn nicht weit mehr heiter als zerſtreut und un- befriedigt? Wie angenehm für unſern kleinen Kreis, wenn Sie des Abends als ein mehr und mehr unent-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/122>, abgerufen am 19.05.2024.