behrlich werdender Gast bei uns erschienen, munter, gefällig, theilnehmend an Allem, erfinderisch für jede Art von Unterhaltung, dabei bescheiden und ohne viel Worte. Dann, was soll ich's Ihnen bergen, so wie auf diese Weise wir Ihnen Manches schuldig wurden, so mochten wir uns gerne überreden, daß eben in un- serem Hause eine Zuflucht für Nolten gefunden sey, wo der Künstler das vielfach bewegte Leben seines Innern harmlos und ruhig mit der Gesellschaft zu vermitteln im Stande wäre, um immer wieder mit freigeklärter Stirne in den Ernst seiner Werkstätte zurückzukehren und sich mit mehr Gelassenheit alles desjenigen zu bemeistern, was sonst mit verworrener Uebermacht betäubend und niederschlagend auf ihn ein- drang. Ja, mein Freund, Sie mögen im Stillen meiner spotten, ich läugne nicht, so weit gingen meine Hoffnungen."
"Verhüte Gott es, edle vortreffliche Frau, daß ich verkennen sollte, was Sie mit unverdienter Güte für mich dachten! Mehr, weit mehr als Sie so eben angedeutet haben, könnte der herrliche Kreis mir ge- währen, wofern ich den Segen zu nutzen verstünde, den er mir bietet. Aber, meine Gnädige, wenn gerade der neue Reiz dieser schönen Sphäre einen Zwiespalt in mir hervorbrächte, wenn der innige Antheil, den das Herz hier nehmen muß, dem weit allgemeineren Interesse des Geistes im Wege stünde, wenn ich, statt beruhigt und gestärkt zu mir selbst zurückzukehren,
behrlich werdender Gaſt bei uns erſchienen, munter, gefällig, theilnehmend an Allem, erfinderiſch für jede Art von Unterhaltung, dabei beſcheiden und ohne viel Worte. Dann, was ſoll ich’s Ihnen bergen, ſo wie auf dieſe Weiſe wir Ihnen Manches ſchuldig wurden, ſo mochten wir uns gerne überreden, daß eben in un- ſerem Hauſe eine Zuflucht für Nolten gefunden ſey, wo der Künſtler das vielfach bewegte Leben ſeines Innern harmlos und ruhig mit der Geſellſchaft zu vermitteln im Stande wäre, um immer wieder mit freigeklärter Stirne in den Ernſt ſeiner Werkſtätte zurückzukehren und ſich mit mehr Gelaſſenheit alles desjenigen zu bemeiſtern, was ſonſt mit verworrener Uebermacht betäubend und niederſchlagend auf ihn ein- drang. Ja, mein Freund, Sie mögen im Stillen meiner ſpotten, ich läugne nicht, ſo weit gingen meine Hoffnungen.“
„Verhüte Gott es, edle vortreffliche Frau, daß ich verkennen ſollte, was Sie mit unverdienter Güte für mich dachten! Mehr, weit mehr als Sie ſo eben angedeutet haben, könnte der herrliche Kreis mir ge- währen, wofern ich den Segen zu nutzen verſtünde, den er mir bietet. Aber, meine Gnädige, wenn gerade der neue Reiz dieſer ſchönen Sphäre einen Zwieſpalt in mir hervorbrächte, wenn der innige Antheil, den das Herz hier nehmen muß, dem weit allgemeineren Intereſſe des Geiſtes im Wege ſtünde, wenn ich, ſtatt beruhigt und geſtärkt zu mir ſelbſt zurückzukehren,
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behrlich werdender Gaſt bei uns erſchienen, munter,
gefällig, theilnehmend an Allem, erfinderiſch für jede
Art von Unterhaltung, dabei beſcheiden und ohne viel
Worte. Dann, was ſoll ich’s Ihnen bergen, ſo wie
auf dieſe Weiſe wir Ihnen Manches ſchuldig wurden,
ſo mochten wir uns gerne überreden, daß eben in un-
ſerem Hauſe eine Zuflucht für Nolten gefunden ſey,
wo der Künſtler das vielfach bewegte Leben ſeines
Innern harmlos und ruhig mit der Geſellſchaft zu
vermitteln im Stande wäre, um immer wieder mit
freigeklärter Stirne in den Ernſt ſeiner Werkſtätte
zurückzukehren und ſich mit mehr Gelaſſenheit alles
desjenigen zu bemeiſtern, was ſonſt mit verworrener
Uebermacht betäubend und niederſchlagend auf ihn ein-
drang. Ja, mein Freund, Sie mögen im Stillen
meiner ſpotten, ich läugne nicht, ſo weit gingen meine
Hoffnungen.“
„Verhüte Gott es, edle vortreffliche Frau, daß
ich verkennen ſollte, was Sie mit unverdienter Güte
für mich dachten! Mehr, weit mehr als Sie ſo eben
angedeutet haben, könnte der herrliche Kreis mir ge-
währen, wofern ich den Segen zu nutzen verſtünde,
den er mir bietet. Aber, meine Gnädige, wenn gerade
der neue Reiz dieſer ſchönen Sphäre einen Zwieſpalt
in mir hervorbrächte, wenn der innige Antheil, den
das Herz hier nehmen muß, dem weit allgemeineren
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/123>, abgerufen am 30.11.2024.
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