Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Ging es und ritte manches Mal Einsmals schön Rahel saß allein Beim Birkenwald am grünen Rain, Dacht' einem Traumgesichte nach, Darin ihr Gott der Herr versprach, Treu und wahrhaft, durch Engelsmund: Sie sollte werden ganz gesund, Wenn sie ihm thäte Dies und Das -- Sie wußte leider nicht mehr Was? Hätt' sie's gewußt, sie könnt's nicht sagen, Müßt' es ewig bei ihr selbsten tragen. Das fiel ihr nun auf's Herz so schwer, Daß sie seufzet laut und weinet sehr. Nun kam den Pfad ein Büblein her,
Dem war die Rahel wohlgesinnt, Es war des Juden Pächters Kind, Kam von der Synagoge warm, Hatt' Buch und Täflein unter'm Arm. Ging es und ritte manches Mal Einsmals ſchoͤn Rahel ſaß allein Beim Birkenwald am gruͤnen Rain, Dacht' einem Traumgeſichte nach, Darin ihr Gott der Herr verſprach, Treu und wahrhaft, durch Engelsmund: Sie ſollte werden ganz geſund, Wenn ſie ihm thaͤte Dies und Das — Sie wußte leider nicht mehr Was? Haͤtt' ſie's gewußt, ſie koͤnnt's nicht ſagen, Muͤßt' es ewig bei ihr ſelbſten tragen. Das fiel ihr nun auf's Herz ſo ſchwer, Daß ſie ſeufzet laut und weinet ſehr. Nun kam den Pfad ein Buͤblein her,
Dem war die Rahel wohlgeſinnt, Es war des Juden Paͤchters Kind, Kam von der Synagoge warm, Hatt' Buch und Taͤflein unter'm Arm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <pb facs="#f0107" n="91"/> <l>Ging es und ritte manches Mal</l><lb/> <l>Ohne Diener durch's Wieſenthal.</l><lb/> <l>Dann ſprachen die Leute insgemein:</l><lb/> <l>„Seht da, des Sultans Toͤchterlein!“</l><lb/> <l>War weiß von Haut und ſchwarz von Haar,</l><lb/> <l>Mit Ringeln deckt's den Nacken gar.</l><lb/> <l>Ihr Auge gab ſo edlen Glanz,</l><lb/> <l>Sah munter drein beim Schaͤfertanz;</l><lb/> <l>Ihr rother Mund zwar red'te nicht,</l><lb/> <l>Konnt' aber lachen inniglich.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Einsmals ſchoͤn Rahel ſaß allein</l><lb/> <l>Beim Birkenwald am gruͤnen Rain,</l><lb/> <l>Dacht' einem Traumgeſichte nach,</l><lb/> <l>Darin ihr Gott der Herr verſprach,</l><lb/> <l>Treu und wahrhaft, durch Engelsmund:</l><lb/> <l>Sie ſollte werden ganz geſund,</l><lb/> <l>Wenn ſie ihm thaͤte Dies und Das —</l><lb/> <l>Sie wußte leider nicht mehr Was?</l><lb/> <l>Haͤtt' ſie's gewußt, ſie koͤnnt's nicht ſagen,</l><lb/> <l>Muͤßt' es ewig bei ihr ſelbſten tragen.</l><lb/> <l>Das fiel ihr nun auf's Herz ſo ſchwer,</l><lb/> <l>Daß ſie ſeufzet laut und weinet ſehr.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Nun kam den Pfad ein Buͤblein her,</l><lb/> <l>Dem war die Rahel wohlgeſinnt,</l><lb/> <l>Es war des Juden Paͤchters Kind,</l><lb/> <l>Kam von der Synagoge warm,</l><lb/> <l>Hatt' Buch und Taͤflein unter'm Arm.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0107]
Ging es und ritte manches Mal
Ohne Diener durch's Wieſenthal.
Dann ſprachen die Leute insgemein:
„Seht da, des Sultans Toͤchterlein!“
War weiß von Haut und ſchwarz von Haar,
Mit Ringeln deckt's den Nacken gar.
Ihr Auge gab ſo edlen Glanz,
Sah munter drein beim Schaͤfertanz;
Ihr rother Mund zwar red'te nicht,
Konnt' aber lachen inniglich.
Einsmals ſchoͤn Rahel ſaß allein
Beim Birkenwald am gruͤnen Rain,
Dacht' einem Traumgeſichte nach,
Darin ihr Gott der Herr verſprach,
Treu und wahrhaft, durch Engelsmund:
Sie ſollte werden ganz geſund,
Wenn ſie ihm thaͤte Dies und Das —
Sie wußte leider nicht mehr Was?
Haͤtt' ſie's gewußt, ſie koͤnnt's nicht ſagen,
Muͤßt' es ewig bei ihr ſelbſten tragen.
Das fiel ihr nun auf's Herz ſo ſchwer,
Daß ſie ſeufzet laut und weinet ſehr.
Nun kam den Pfad ein Buͤblein her,
Dem war die Rahel wohlgeſinnt,
Es war des Juden Paͤchters Kind,
Kam von der Synagoge warm,
Hatt' Buch und Taͤflein unter'm Arm.
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