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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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de des Gemüthes urständet; welches auch von de-
nen Kräfften der natürlichen Seele etwas gantz un-
terschiedenes ist. Welche Weisheit das ewige
Wohlseyn des Geistes auch nach der Aufflösung
des Leibes beauget, die himmlische Güter betrach-
tet, in GOtt solche Freude und Frieden geneust,
davon der irdische fleischliche Mensch nichts weiß,
verstehet, noch in seinem verderbten Zustande erfäh-
ret, biß er aus GOtt neu gebohren ist.
Nicander. Mein lieber Herr Modestin! Es ist
noch eine schwere Frage: Wo die Seele bleiben
werde, wenn der Leib als ihr Wohnhauß zerfällt?
da diese so genan mit einander verbunden sind, daß
sie zugleich mit einander fortgepflantzet werden, mit
einander an Kräfften wachsen, zu- und auch wieder
abnehmen.
Alamodan. Behüte GOtt Herr Nicander! in
was vor gefährlichen Jrrthümern steckt er nicht. Es
scheinet ja er glaube keine Aufferstehung der Tod-
ten, kein ewiges Leben, und muß ihm demnach al-
les gleich gelten, Gut und Böses; Laster und Tu-
gend.
Nicander. Mein lieber Herr Alamodan! daß
die Seele ewigbleibend, eine ewige Glückseligkeit
und himmlische Belohnung vor Tugend-liebende
Gemüther seyn möge; wünsche ich von gantzem
Hertzen: daß aber solches auch in der That und
Wahrheit, und nicht nur in einem Wahn also seye,
davon bin ich nicht gäntzlich überzeuget; wiewohl
ich auch nicht absolut leugne, daß es nicht seyn
könte.
Modestin.


de des Gemuͤthes urſtaͤndet; welches auch von de-
nen Kraͤfften der natuͤrlichen Seele etwas gantz un-
terſchiedenes iſt. Welche Weisheit das ewige
Wohlſeyn des Geiſtes auch nach der Auffloͤſung
des Leibes beauget, die himmliſche Guͤter betrach-
tet, in GOtt ſolche Freude und Frieden geneuſt,
davon der irdiſche fleiſchliche Menſch nichts weiß,
verſtehet, noch in ſeinem verderbten Zuſtande erfaͤh-
ret, biß er aus GOtt neu gebohren iſt.
Nicander. Mein lieber Herr Modeſtin! Es iſt
noch eine ſchwere Frage: Wo die Seele bleiben
werde, wenn der Leib als ihr Wohnhauß zerfaͤllt?
da dieſe ſo genan mit einander verbunden ſind, daß
ſie zugleich mit einander fortgepflantzet werden, mit
einander an Kraͤfften wachſen, zu- und auch wieder
abnehmen.
Alamodan. Behuͤte GOtt Herr Nicander! in
was vor gefaͤhrlichen Jrrthuͤmern ſteckt er nicht. Es
ſcheinet ja er glaube keine Aufferſtehung der Tod-
ten, kein ewiges Leben, und muß ihm demnach al-
les gleich gelten, Gut und Boͤſes; Laſter und Tu-
gend.
Nicander. Mein lieber Herr Alamodan! daß
die Seele ewigbleibend, eine ewige Gluͤckſeligkeit
und himmliſche Belohnung vor Tugend-liebende
Gemuͤther ſeyn moͤge; wuͤnſche ich von gantzem
Hertzen: daß aber ſolches auch in der That und
Wahrheit, und nicht nur in einem Wahn alſo ſeye,
davon bin ich nicht gaͤntzlich uͤberzeuget; wiewohl
ich auch nicht abſolut leugne, daß es nicht ſeyn
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Modeſtin.
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[11/0017] de des Gemuͤthes urſtaͤndet; welches auch von de- nen Kraͤfften der natuͤrlichen Seele etwas gantz un- terſchiedenes iſt. Welche Weisheit das ewige Wohlſeyn des Geiſtes auch nach der Auffloͤſung des Leibes beauget, die himmliſche Guͤter betrach- tet, in GOtt ſolche Freude und Frieden geneuſt, davon der irdiſche fleiſchliche Menſch nichts weiß, verſtehet, noch in ſeinem verderbten Zuſtande erfaͤh- ret, biß er aus GOtt neu gebohren iſt. Nicander. Mein lieber Herr Modeſtin! Es iſt noch eine ſchwere Frage: Wo die Seele bleiben werde, wenn der Leib als ihr Wohnhauß zerfaͤllt? da dieſe ſo genan mit einander verbunden ſind, daß ſie zugleich mit einander fortgepflantzet werden, mit einander an Kraͤfften wachſen, zu- und auch wieder abnehmen. Alamodan. Behuͤte GOtt Herr Nicander! in was vor gefaͤhrlichen Jrrthuͤmern ſteckt er nicht. Es ſcheinet ja er glaube keine Aufferſtehung der Tod- ten, kein ewiges Leben, und muß ihm demnach al- les gleich gelten, Gut und Boͤſes; Laſter und Tu- gend. Nicander. Mein lieber Herr Alamodan! daß die Seele ewigbleibend, eine ewige Gluͤckſeligkeit und himmliſche Belohnung vor Tugend-liebende Gemuͤther ſeyn moͤge; wuͤnſche ich von gantzem Hertzen: daß aber ſolches auch in der That und Wahrheit, und nicht nur in einem Wahn alſo ſeye, davon bin ich nicht gaͤntzlich uͤberzeuget; wiewohl ich auch nicht abſolut leugne, daß es nicht ſeyn koͤnte. Modeſtin.

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/17>, abgerufen am 28.03.2024.