Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


den. Denn wo der Mensch nur ein auffrichtiges
Hertz gegen GOtt und seinen Nächsten hat; und
GOtt unabläßig um die Leitung seines guten Gei-
stes, um Weisheit und Verstand, nach dessen heili-
gen Willen zu leben, anflehet, so wird er bald erken-
nen, daß ein Ruchloser von GOtt Abgekehrter nicht
geschickt seye, das Wahre vom Schein-Guten und
vom Bösen; noch das Licht und Lichtes-Wercke
von denen Wercken der Finsterniß zu entscheiden.
Denn wie will derjenige, so im Finstern wandelt,
das entscheiden und beurtheilen, was nur vermit-
telst des Lichtes geschehen kan.
Nicander. Allein was will der Herr Modestin
daraus schliessen? Was thut dieses zur Entscheid-
ung unserer Frage; da sich eine jede Parthey des
Lichtes rühmet, und jede sich einbildet die klügeste zu
seyn; man auch denen Türcken und Heyden, Per-
sianern, Chinesern und andern Nationen und vie-
lerley Religions-Verwandten nicht absprechen kan:
Daß unter ihnen ja so kluge und verständige Leute
gefunden worden, als bey uns Europäern nimmer-
mehr.
Modestin. Wie das Licht unterschiedlich: Ein
natürliches erschaffenes, und Göttliches unerschaf-
fenes; so ist auch eine zweyfache Klugheit u. Weis-
heit. Eine irdische, welche nur die Dinge dieser
Zeit, das äusere sichtbare Leben, dessen Nutzen, Ge-
mächlichkeit, Ehrbarkeit u. d. gl. betrifft; und denn
eine himmlische Weisheit, welche von dem uner-
schaffenen Lichte die Erleuchtung und Bewürckung
des Geistes Gottes selbsten in dem innersten Grun-
de


den. Denn wo der Menſch nur ein auffrichtiges
Hertz gegen GOtt und ſeinen Naͤchſten hat; und
GOtt unablaͤßig um die Leitung ſeines guten Gei-
ſtes, um Weisheit und Verſtand, nach deſſen heili-
gen Willen zu leben, anflehet, ſo wird er bald erken-
nen, daß ein Ruchloſer von GOtt Abgekehrter nicht
geſchickt ſeye, das Wahre vom Schein-Guten und
vom Boͤſen; noch das Licht und Lichtes-Wercke
von denen Wercken der Finſterniß zu entſcheiden.
Denn wie will derjenige, ſo im Finſtern wandelt,
das entſcheiden und beurtheilen, was nur vermit-
telſt des Lichtes geſchehen kan.
Nicander. Allein was will der Herr Modeſtin
daraus ſchlieſſen? Was thut dieſes zur Entſcheid-
ung unſerer Frage; da ſich eine jede Parthey des
Lichtes ruͤhmet, und jede ſich einbildet die kluͤgeſte zu
ſeyn; man auch denen Tuͤrcken und Heyden, Per-
ſianern, Chineſern und andern Nationen und vie-
lerley Religions-Verwandten nicht abſprechen kan:
Daß unter ihnen ja ſo kluge und verſtaͤndige Leute
gefunden worden, als bey uns Europaͤern nimmer-
mehr.
Modeſtin. Wie das Licht unterſchiedlich: Ein
natuͤrliches erſchaffenes, und Goͤttliches unerſchaf-
fenes; ſo iſt auch eine zweyfache Klugheit u. Weis-
heit. Eine irdiſche, welche nur die Dinge dieſer
Zeit, das aͤuſere ſichtbare Leben, deſſen Nutzen, Ge-
maͤchlichkeit, Ehrbarkeit u. d. gl. betrifft; und denn
eine himmliſche Weisheit, welche von dem uner-
ſchaffenen Lichte die Erleuchtung und Bewuͤrckung
des Geiſtes Gottes ſelbſten in dem innerſten Grun-
de
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0016" n="10"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den. Denn wo der Men&#x017F;ch nur ein auffrichtiges<lb/>
Hertz gegen GOtt und &#x017F;einen Na&#x0364;ch&#x017F;ten hat; und<lb/>
GOtt unabla&#x0364;ßig um die Leitung &#x017F;eines guten Gei-<lb/>
&#x017F;tes, um Weisheit und Ver&#x017F;tand, nach de&#x017F;&#x017F;en heili-<lb/>
gen Willen zu leben, anflehet, &#x017F;o wird er bald erken-<lb/>
nen, daß ein Ruchlo&#x017F;er von GOtt Abgekehrter nicht<lb/>
ge&#x017F;chickt &#x017F;eye, das Wahre vom Schein-Guten und<lb/>
vom Bo&#x0364;&#x017F;en; noch das Licht und Lichtes-Wercke<lb/>
von denen Wercken der Fin&#x017F;terniß zu ent&#x017F;cheiden.<lb/>
Denn wie will derjenige, &#x017F;o im Fin&#x017F;tern wandelt,<lb/>
das ent&#x017F;cheiden und beurtheilen, was nur vermit-<lb/>
tel&#x017F;t des Lichtes ge&#x017F;chehen kan.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Allein was will der Herr <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tin</hi><lb/>
daraus &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en? Was thut die&#x017F;es zur Ent&#x017F;cheid-<lb/>
ung un&#x017F;erer Frage; da &#x017F;ich eine jede Parthey des<lb/>
Lichtes ru&#x0364;hmet, und jede &#x017F;ich einbildet die klu&#x0364;ge&#x017F;te zu<lb/>
&#x017F;eyn; man auch denen Tu&#x0364;rcken und Heyden, Per-<lb/>
&#x017F;ianern, Chine&#x017F;ern und andern Nationen und vie-<lb/>
lerley Religions-Verwandten nicht ab&#x017F;prechen kan:<lb/>
Daß unter ihnen ja &#x017F;o kluge und ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Leute<lb/>
gefunden worden, als bey uns Europa&#x0364;ern nimmer-<lb/>
mehr.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Wie das Licht unter&#x017F;chiedlich: Ein<lb/>
natu&#x0364;rliches er&#x017F;chaffenes, und Go&#x0364;ttliches uner&#x017F;chaf-<lb/>
fenes; &#x017F;o i&#x017F;t auch eine zweyfache Klugheit u. Weis-<lb/>
heit. Eine irdi&#x017F;che, welche nur die Dinge die&#x017F;er<lb/>
Zeit, das a&#x0364;u&#x017F;ere &#x017F;ichtbare Leben, de&#x017F;&#x017F;en Nutzen, Ge-<lb/>
ma&#x0364;chlichkeit, Ehrbarkeit u. d. gl. betrifft; und denn<lb/>
eine himmli&#x017F;che Weisheit, welche von dem uner-<lb/>
&#x017F;chaffenen Lichte die Erleuchtung und Bewu&#x0364;rckung<lb/>
des Gei&#x017F;tes Gottes &#x017F;elb&#x017F;ten in dem inner&#x017F;ten Grun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0016] den. Denn wo der Menſch nur ein auffrichtiges Hertz gegen GOtt und ſeinen Naͤchſten hat; und GOtt unablaͤßig um die Leitung ſeines guten Gei- ſtes, um Weisheit und Verſtand, nach deſſen heili- gen Willen zu leben, anflehet, ſo wird er bald erken- nen, daß ein Ruchloſer von GOtt Abgekehrter nicht geſchickt ſeye, das Wahre vom Schein-Guten und vom Boͤſen; noch das Licht und Lichtes-Wercke von denen Wercken der Finſterniß zu entſcheiden. Denn wie will derjenige, ſo im Finſtern wandelt, das entſcheiden und beurtheilen, was nur vermit- telſt des Lichtes geſchehen kan. Nicander. Allein was will der Herr Modeſtin daraus ſchlieſſen? Was thut dieſes zur Entſcheid- ung unſerer Frage; da ſich eine jede Parthey des Lichtes ruͤhmet, und jede ſich einbildet die kluͤgeſte zu ſeyn; man auch denen Tuͤrcken und Heyden, Per- ſianern, Chineſern und andern Nationen und vie- lerley Religions-Verwandten nicht abſprechen kan: Daß unter ihnen ja ſo kluge und verſtaͤndige Leute gefunden worden, als bey uns Europaͤern nimmer- mehr. Modeſtin. Wie das Licht unterſchiedlich: Ein natuͤrliches erſchaffenes, und Goͤttliches unerſchaf- fenes; ſo iſt auch eine zweyfache Klugheit u. Weis- heit. Eine irdiſche, welche nur die Dinge dieſer Zeit, das aͤuſere ſichtbare Leben, deſſen Nutzen, Ge- maͤchlichkeit, Ehrbarkeit u. d. gl. betrifft; und denn eine himmliſche Weisheit, welche von dem uner- ſchaffenen Lichte die Erleuchtung und Bewuͤrckung des Geiſtes Gottes ſelbſten in dem innerſten Grun- de

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/16
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/16>, abgerufen am 29.03.2024.