Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


seiner Secte, darinnen er stehet, von denen Glau-
bens-Sachen hat.
Modestin. Wir wollen uns um eine genaue Be-
schreibung des Worts Religion nicht bekümmern;
welche einige von religare, das ist, verbinden, her-
leiten: Weil die Religion den Menschen mit GOtt
wieder verbinden soll. Nur wäre zwischen denen
Wörtern Religion und Glauben ein Unterscheid zu
machen; so, daß man durch die Religion über-
haupt alle Arten derer Meinungen und Ceremo-
nien verstehe, welche die Menschen als Glaubens-
Articul nöthig achten, entweder GOtt, oder ihre
Götzen, zu verehren. Das Wort Glauben aber
heisset eigentlich so viel als vertrauen; daher auch
das Wort Gläubiger, Creditor, bey Handels-Leu-
ten so viel ist; als dem man etwas anvertrauet und
borget. Welches zu Vermeidung einiger Undeut-
lichkeit und Confusion dienen könte. Denn es gibt
sehr religiöse abergläubische Leute, welche doch kei-
nen wahren Glauben haben.
Nicander. Dieses mag also seyn: alleine der
Herr beliebe mir denn nur zu sagen: Was er glau-
be nöthig zu seyn GOtt zu verehren; oder welches
nach seinem Begriff die richtigste Religion seye?
Weilen ja mehr verschiedene Meinungen und Ge-
bräuche in dieser Sache in der Welt sind, als Na-
tionen und Herrschafften. Wie denn in der eini-
gen Stadt Amsterdam und London mehrere Se-
cten sind, als Tage in einem Monath.
Modestin. Meinem Freund meine Bekänntnis
hievon zu eröffnen, könte zwar mit gantz wenigen
Wor-


ſeiner Secte, darinnen er ſtehet, von denen Glau-
bens-Sachen hat.
Modeſtin. Wir wollen uns um eine genaue Be-
ſchreibung des Worts Religion nicht bekuͤmmern;
welche einige von religare, das iſt, verbinden, her-
leiten: Weil die Religion den Menſchen mit GOtt
wieder verbinden ſoll. Nur waͤre zwiſchen denen
Woͤrtern Religion und Glauben ein Unterſcheid zu
machen; ſo, daß man durch die Religion uͤber-
haupt alle Arten derer Meinungen und Ceremo-
nien verſtehe, welche die Menſchen als Glaubens-
Articul noͤthig achten, entweder GOtt, oder ihre
Goͤtzen, zu verehren. Das Wort Glauben aber
heiſſet eigentlich ſo viel als vertrauen; daher auch
das Wort Glaͤubiger, Creditor, bey Handels-Leu-
ten ſo viel iſt; als dem man etwas anvertrauet und
borget. Welches zu Vermeidung einiger Undeut-
lichkeit und Confuſion dienen koͤnte. Denn es gibt
ſehr religioͤſe aberglaͤubiſche Leute, welche doch kei-
nen wahren Glauben haben.
Nicander. Dieſes mag alſo ſeyn: alleine der
Herr beliebe mir denn nur zu ſagen: Was er glau-
be noͤthig zu ſeyn GOtt zu verehren; oder welches
nach ſeinem Begriff die richtigſte Religion ſeye?
Weilen ja mehr verſchiedene Meinungen und Ge-
braͤuche in dieſer Sache in der Welt ſind, als Na-
tionen und Herrſchafften. Wie denn in der eini-
gen Stadt Amſterdam und London mehrere Se-
cten ſind, als Tage in einem Monath.
Modeſtin. Meinem Freund meine Bekaͤnntnis
hievon zu eroͤffnen, koͤnte zwar mit gantz wenigen
Wor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0010" n="4"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;einer Secte, darinnen er &#x017F;tehet, von denen Glau-<lb/>
bens-Sachen hat.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Wir wollen uns um eine genaue Be-<lb/>
&#x017F;chreibung des Worts Religion nicht beku&#x0364;mmern;<lb/>
welche einige von <hi rendition="#aq">religare,</hi> das i&#x017F;t, verbinden, her-<lb/>
leiten: Weil die Religion den Men&#x017F;chen mit GOtt<lb/>
wieder verbinden &#x017F;oll. Nur wa&#x0364;re zwi&#x017F;chen denen<lb/>
Wo&#x0364;rtern Religion und Glauben ein Unter&#x017F;cheid zu<lb/>
machen; &#x017F;o, daß man durch die Religion u&#x0364;ber-<lb/>
haupt alle Arten derer Meinungen und Ceremo-<lb/>
nien ver&#x017F;tehe, welche die Men&#x017F;chen als Glaubens-<lb/>
Articul no&#x0364;thig achten, entweder GOtt, oder ihre<lb/>
Go&#x0364;tzen, zu verehren. Das Wort Glauben aber<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;et eigentlich &#x017F;o viel als vertrauen; daher auch<lb/>
das Wort Gla&#x0364;ubiger, <hi rendition="#aq">Creditor,</hi> bey Handels-Leu-<lb/>
ten &#x017F;o viel i&#x017F;t; als dem man etwas anvertrauet und<lb/>
borget. Welches zu Vermeidung einiger Undeut-<lb/>
lichkeit und Confu&#x017F;ion dienen ko&#x0364;nte. Denn es gibt<lb/>
&#x017F;ehr religio&#x0364;&#x017F;e abergla&#x0364;ubi&#x017F;che Leute, welche doch kei-<lb/>
nen wahren Glauben haben.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Die&#x017F;es mag al&#x017F;o &#x017F;eyn: alleine der<lb/>
Herr beliebe mir denn nur zu &#x017F;agen: Was er glau-<lb/>
be no&#x0364;thig zu &#x017F;eyn GOtt zu verehren; oder welches<lb/>
nach &#x017F;einem Begriff die richtig&#x017F;te Religion &#x017F;eye?<lb/>
Weilen ja mehr ver&#x017F;chiedene Meinungen und Ge-<lb/>
bra&#x0364;uche in die&#x017F;er Sache in der Welt &#x017F;ind, als Na-<lb/>
tionen und Herr&#x017F;chafften. Wie denn in der eini-<lb/>
gen Stadt Am&#x017F;terdam und London mehrere Se-<lb/>
cten &#x017F;ind, als Tage in einem Monath.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Meinem Freund meine Beka&#x0364;nntnis<lb/>
hievon zu ero&#x0364;ffnen, ko&#x0364;nte zwar mit gantz wenigen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wor-</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0010] ſeiner Secte, darinnen er ſtehet, von denen Glau- bens-Sachen hat. Modeſtin. Wir wollen uns um eine genaue Be- ſchreibung des Worts Religion nicht bekuͤmmern; welche einige von religare, das iſt, verbinden, her- leiten: Weil die Religion den Menſchen mit GOtt wieder verbinden ſoll. Nur waͤre zwiſchen denen Woͤrtern Religion und Glauben ein Unterſcheid zu machen; ſo, daß man durch die Religion uͤber- haupt alle Arten derer Meinungen und Ceremo- nien verſtehe, welche die Menſchen als Glaubens- Articul noͤthig achten, entweder GOtt, oder ihre Goͤtzen, zu verehren. Das Wort Glauben aber heiſſet eigentlich ſo viel als vertrauen; daher auch das Wort Glaͤubiger, Creditor, bey Handels-Leu- ten ſo viel iſt; als dem man etwas anvertrauet und borget. Welches zu Vermeidung einiger Undeut- lichkeit und Confuſion dienen koͤnte. Denn es gibt ſehr religioͤſe aberglaͤubiſche Leute, welche doch kei- nen wahren Glauben haben. Nicander. Dieſes mag alſo ſeyn: alleine der Herr beliebe mir denn nur zu ſagen: Was er glau- be noͤthig zu ſeyn GOtt zu verehren; oder welches nach ſeinem Begriff die richtigſte Religion ſeye? Weilen ja mehr verſchiedene Meinungen und Ge- braͤuche in dieſer Sache in der Welt ſind, als Na- tionen und Herrſchafften. Wie denn in der eini- gen Stadt Amſterdam und London mehrere Se- cten ſind, als Tage in einem Monath. Modeſtin. Meinem Freund meine Bekaͤnntnis hievon zu eroͤffnen, koͤnte zwar mit gantz wenigen Wor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/10
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/10>, abgerufen am 28.03.2024.