Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.Neunter Gesang. Die jungfräuliche Majestät der Eva, wie eine, Welche mit Zärtlichkeit liebt, und itzt was hartes erfähret, Gab ihm also, mit holdem, doch ernstem Gesichte, zur Antwort. Abkömmling von Himmel und Erden, Beherrscher der Erden! 290Daß uns solch ein grimmiger Feind zu stürzen bemüht ist, Hab ich aus deiner Erzählung, und bey dem Abschied des Engels Von ihm selber gehört; indem ich hinten im Schatten, Vor ihm verdeckt stand, so wie ich eben zurücke gekehrt war, Als die Abendblume sich schloß. Doch daß du deswegen 295Solltest an meiner Treu, an meiner Beständigkeit, zweifeln, Die ich dem Schöpfer gelobt, und dir; dieweil uns ein Feind droht, Welcher vielleicht sie versucht, -- das hofft ich von dir nicht zu hören! Seine Gewalt, die fürchtest du nicht; Geschöpfe, wie wir sind, Trifft kein Tod und kein Schmerz; wir können die Schmerzen entweder 300Gar nicht empfinden, oder sie doch sogleich auch vertreiben. Also fürchtest du dich allein vor seinem Betruge! Fürchtest zugleich für meine Treu und befestigte Liebe, Daß der Versucher mit List sie zu erschüttern vermöchte. Adam! wie konntest du solchen Gedanken den Eingang verstatten, 305Und so übel von der, die dir so theuer ist, denken. Adam! erwiederte drauf mit sanften heilenden Worten: Tochter Gottes, und Tochter des Menschen [Spaltenumbruch] e), unsterbliche Eva! Denn e) So wie Eva den Adam Abkömm-
ling von Himmel und Erden genannt, [Spaltenumbruch] weil ihn Gott aus dem Staube der Erde gemacht; Neunter Geſang. Die jungfraͤuliche Majeſtaͤt der Eva, wie eine, Welche mit Zaͤrtlichkeit liebt, und itzt was hartes erfaͤhret, Gab ihm alſo, mit holdem, doch ernſtem Geſichte, zur Antwort. Abkoͤmmling von Himmel und Erden, Beherrſcher der Erden! 290Daß uns ſolch ein grimmiger Feind zu ſtuͤrzen bemuͤht iſt, Hab ich aus deiner Erzaͤhlung, und bey dem Abſchied des Engels Von ihm ſelber gehoͤrt; indem ich hinten im Schatten, Vor ihm verdeckt ſtand, ſo wie ich eben zuruͤcke gekehrt war, Als die Abendblume ſich ſchloß. Doch daß du deswegen 295Sollteſt an meiner Treu, an meiner Beſtaͤndigkeit, zweifeln, Die ich dem Schoͤpfer gelobt, und dir; dieweil uns ein Feind droht, Welcher vielleicht ſie verſucht, — das hofft ich von dir nicht zu hoͤren! Seine Gewalt, die fuͤrchteſt du nicht; Geſchoͤpfe, wie wir ſind, Trifft kein Tod und kein Schmerz; wir koͤnnen die Schmerzen entweder 300Gar nicht empfinden, oder ſie doch ſogleich auch vertreiben. Alſo fuͤrchteſt du dich allein vor ſeinem Betruge! Fuͤrchteſt zugleich fuͤr meine Treu und befeſtigte Liebe, Daß der Verſucher mit Liſt ſie zu erſchuͤttern vermoͤchte. Adam! wie konnteſt du ſolchen Gedanken den Eingang verſtatten, 305Und ſo uͤbel von der, die dir ſo theuer iſt, denken. Adam! erwiederte drauf mit ſanften heilenden Worten: Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen [Spaltenumbruch] e), unſterbliche Eva! Denn e) So wie Eva den Adam Abkömm-
ling von Himmel und Erden genannt, [Spaltenumbruch] weil ihn Gott aus dem Staube der Erde gemacht; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0099" n="79"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neunter Geſang.</hi> </fw><lb/> <lg n="7"> <l>Die jungfraͤuliche Majeſtaͤt der <hi rendition="#fr">Eva,</hi> wie eine,</l><lb/> <l>Welche mit Zaͤrtlichkeit liebt, und itzt was hartes erfaͤhret,</l><lb/> <l>Gab ihm alſo, mit holdem, doch ernſtem Geſichte, zur Antwort.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Abkoͤmmling von Himmel und Erden, Beherrſcher der Erden!<lb/><note place="left">290</note>Daß uns ſolch ein grimmiger Feind zu ſtuͤrzen bemuͤht iſt,</l><lb/> <l>Hab ich aus deiner Erzaͤhlung, und bey dem Abſchied des Engels</l><lb/> <l>Von ihm ſelber gehoͤrt; indem ich hinten im Schatten,</l><lb/> <l>Vor ihm verdeckt ſtand, ſo wie ich eben zuruͤcke gekehrt war,</l><lb/> <l>Als die Abendblume ſich ſchloß. Doch daß du deswegen<lb/><note place="left">295</note>Sollteſt an meiner Treu, an meiner Beſtaͤndigkeit, zweifeln,</l><lb/> <l>Die ich dem Schoͤpfer gelobt, und dir; dieweil uns ein Feind droht,</l><lb/> <l>Welcher vielleicht ſie verſucht, — das hofft ich von dir nicht zu hoͤren!</l><lb/> <l>Seine Gewalt, die fuͤrchteſt du nicht; Geſchoͤpfe, wie wir ſind,</l><lb/> <l>Trifft kein Tod und kein Schmerz; wir koͤnnen die Schmerzen entweder<lb/><note place="left">300</note>Gar nicht empfinden, oder ſie doch ſogleich auch vertreiben.</l><lb/> <l>Alſo fuͤrchteſt du dich allein vor ſeinem Betruge!</l><lb/> <l>Fuͤrchteſt zugleich fuͤr meine Treu und befeſtigte Liebe,</l><lb/> <l>Daß der Verſucher mit Liſt ſie zu erſchuͤttern vermoͤchte.<lb/><hi rendition="#fr">Adam!</hi> wie konnteſt du ſolchen Gedanken den Eingang verſtatten,<lb/><note place="left">305</note>Und ſo uͤbel von der, die dir ſo theuer iſt, denken.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l><hi rendition="#fr">Adam!</hi> erwiederte drauf mit ſanften heilenden Worten:</l><lb/> <l>Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen <cb/> <note xml:id="f05" next="#f06" place="foot" n="e)">So wie Eva den Adam <hi rendition="#fr">Abkömm-<lb/> ling von Himmel und Erden</hi> genannt,<lb/><cb/> weil ihn Gott aus dem Staube der Erde<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gemacht;</fw></note>, unſterbliche <hi rendition="#fr">Eva!</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Denn</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [79/0099]
Neunter Geſang.
Die jungfraͤuliche Majeſtaͤt der Eva, wie eine,
Welche mit Zaͤrtlichkeit liebt, und itzt was hartes erfaͤhret,
Gab ihm alſo, mit holdem, doch ernſtem Geſichte, zur Antwort.
Abkoͤmmling von Himmel und Erden, Beherrſcher der Erden!
Daß uns ſolch ein grimmiger Feind zu ſtuͤrzen bemuͤht iſt,
Hab ich aus deiner Erzaͤhlung, und bey dem Abſchied des Engels
Von ihm ſelber gehoͤrt; indem ich hinten im Schatten,
Vor ihm verdeckt ſtand, ſo wie ich eben zuruͤcke gekehrt war,
Als die Abendblume ſich ſchloß. Doch daß du deswegen
Sollteſt an meiner Treu, an meiner Beſtaͤndigkeit, zweifeln,
Die ich dem Schoͤpfer gelobt, und dir; dieweil uns ein Feind droht,
Welcher vielleicht ſie verſucht, — das hofft ich von dir nicht zu hoͤren!
Seine Gewalt, die fuͤrchteſt du nicht; Geſchoͤpfe, wie wir ſind,
Trifft kein Tod und kein Schmerz; wir koͤnnen die Schmerzen entweder
Gar nicht empfinden, oder ſie doch ſogleich auch vertreiben.
Alſo fuͤrchteſt du dich allein vor ſeinem Betruge!
Fuͤrchteſt zugleich fuͤr meine Treu und befeſtigte Liebe,
Daß der Verſucher mit Liſt ſie zu erſchuͤttern vermoͤchte.
Adam! wie konnteſt du ſolchen Gedanken den Eingang verſtatten,
Und ſo uͤbel von der, die dir ſo theuer iſt, denken.
Adam! erwiederte drauf mit ſanften heilenden Worten:
Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen
e), unſterbliche Eva!
Denn
e) So wie Eva den Adam Abkömm-
ling von Himmel und Erden genannt,
weil ihn Gott aus dem Staube der Erde
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