Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Beystehn können. Doch wenn dich vielleicht die ermüdende Wollust
Dieses beständigen Umgangs sättigt, so sey dir, o Eva,
Eine kurze Scheidung erlaubt; die beste Gesellschaft
Jst die Einsamkeit oft; nach einer kurzen Entfernung
265Wünscht man noch mehr, sich wieder zu sehn. Doch faßt mich indessen

Noch ein andres Bedenken; dir möcht ein Unglück begegnen,
Wenn du entfernt bist von mir. Du weißt es, wie sehr wir gewarnt sind;
Was für ein grimmiger Feind, der unser Glücke beneidet,
Und an seinem eignen verzagt, mit heimlichen Listen
270Uns in Unglück und Schande zu stürzen bemüht ist. Er lauret

Ohne Zweifel hier um uns herum, in schmeichelnder Hoffnung,
Uns von einander getrennt zu finden; sein größester Vortheil,
Und sein einziger Wunsch. Denn sind wir beysammen, so darf er
Sich, uns zu betriegen, nicht schmeicheln, indem wir vereinet,
275Uns, wenns nöthig ist, schleunig einander zu helfen, geschickt sind.

Und sein erster Entwurf sey nun, die Pflicht zu entkräften,
Die wir dem Schöpfer gelobt; wo nicht, doch neidisch die Freuden
Unsrer ehlichen Liebe zu stören, da keines von unserm
Jrdischen Glücke vielleicht ihn mehr zum Neide beweget; --
280Kurz, dieß sey es, oder was ärgers, so weiche du niemals

Von der getreuen Seite, woraus du dein Wesen empfangen,
Welche dich immer bedeckt und beschirmt. Wenn Schand und Gefahren
Einer Frau drohn, bleibt sie am besten, am sichersten immer
Bey dem Maune, welcher voll Muth und Treue sie schützet;
285Oder auch stets, das schlimmste mit ihr zu erfahren, bereit ist.

Die

Das verlohrne Paradies.

Beyſtehn koͤnnen. Doch wenn dich vielleicht die ermuͤdende Wolluſt
Dieſes beſtaͤndigen Umgangs ſaͤttigt, ſo ſey dir, o Eva,
Eine kurze Scheidung erlaubt; die beſte Geſellſchaft
Jſt die Einſamkeit oft; nach einer kurzen Entfernung
265Wuͤnſcht man noch mehr, ſich wieder zu ſehn. Doch faßt mich indeſſen

Noch ein andres Bedenken; dir moͤcht ein Ungluͤck begegnen,
Wenn du entfernt biſt von mir. Du weißt es, wie ſehr wir gewarnt ſind;
Was fuͤr ein grimmiger Feind, der unſer Gluͤcke beneidet,
Und an ſeinem eignen verzagt, mit heimlichen Liſten
270Uns in Ungluͤck und Schande zu ſtuͤrzen bemuͤht iſt. Er lauret

Ohne Zweifel hier um uns herum, in ſchmeichelnder Hoffnung,
Uns von einander getrennt zu finden; ſein groͤßeſter Vortheil,
Und ſein einziger Wunſch. Denn ſind wir beyſammen, ſo darf er
Sich, uns zu betriegen, nicht ſchmeicheln, indem wir vereinet,
275Uns, wenns noͤthig iſt, ſchleunig einander zu helfen, geſchickt ſind.

Und ſein erſter Entwurf ſey nun, die Pflicht zu entkraͤften,
Die wir dem Schoͤpfer gelobt; wo nicht, doch neidiſch die Freuden
Unſrer ehlichen Liebe zu ſtoͤren, da keines von unſerm
Jrdiſchen Gluͤcke vielleicht ihn mehr zum Neide beweget; —
280Kurz, dieß ſey es, oder was aͤrgers, ſo weiche du niemals

Von der getreuen Seite, woraus du dein Weſen empfangen,
Welche dich immer bedeckt und beſchirmt. Wenn Schand und Gefahren
Einer Frau drohn, bleibt ſie am beſten, am ſicherſten immer
Bey dem Maune, welcher voll Muth und Treue ſie ſchuͤtzet;
285Oder auch ſtets, das ſchlimmſte mit ihr zu erfahren, bereit iſt.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="6">
            <l>
              <pb facs="#f0098" n="78"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Bey&#x017F;tehn ko&#x0364;nnen. Doch wenn dich vielleicht die ermu&#x0364;dende Wollu&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Umgangs &#x017F;a&#x0364;ttigt, &#x017F;o &#x017F;ey dir, o Eva,</l><lb/>
            <l>Eine kurze Scheidung erlaubt; die be&#x017F;te Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t die Ein&#x017F;amkeit oft; nach einer kurzen Entfernung<lb/><note place="left">265</note>Wu&#x0364;n&#x017F;cht man noch mehr, &#x017F;ich wieder zu &#x017F;ehn. Doch faßt mich inde&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Noch ein andres Bedenken; dir mo&#x0364;cht ein Unglu&#x0364;ck begegnen,</l><lb/>
            <l>Wenn du entfernt bi&#x017F;t von mir. Du weißt es, wie &#x017F;ehr wir gewarnt &#x017F;ind;</l><lb/>
            <l>Was fu&#x0364;r ein grimmiger Feind, der un&#x017F;er Glu&#x0364;cke beneidet,</l><lb/>
            <l>Und an &#x017F;einem eignen verzagt, mit heimlichen Li&#x017F;ten<lb/><note place="left">270</note>Uns in Unglu&#x0364;ck und Schande zu &#x017F;tu&#x0364;rzen bemu&#x0364;ht i&#x017F;t. Er lauret</l><lb/>
            <l>Ohne Zweifel hier um uns herum, in &#x017F;chmeichelnder Hoffnung,</l><lb/>
            <l>Uns von einander getrennt zu finden; &#x017F;ein gro&#x0364;ße&#x017F;ter Vortheil,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ein einziger Wun&#x017F;ch. Denn &#x017F;ind wir bey&#x017F;ammen, &#x017F;o darf er</l><lb/>
            <l>Sich, uns zu betriegen, nicht &#x017F;chmeicheln, indem wir vereinet,<lb/><note place="left">275</note>Uns, wenns no&#x0364;thig i&#x017F;t, &#x017F;chleunig einander zu helfen, ge&#x017F;chickt &#x017F;ind.</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ein er&#x017F;ter Entwurf &#x017F;ey nun, die Pflicht zu entkra&#x0364;ften,</l><lb/>
            <l>Die wir dem Scho&#x0364;pfer gelobt; wo nicht, doch neidi&#x017F;ch die Freuden</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;rer ehlichen Liebe zu &#x017F;to&#x0364;ren, da keines von un&#x017F;erm</l><lb/>
            <l>Jrdi&#x017F;chen Glu&#x0364;cke vielleicht ihn mehr zum Neide beweget; &#x2014;<lb/><note place="left">280</note>Kurz, dieß &#x017F;ey es, oder was a&#x0364;rgers, &#x017F;o weiche du niemals</l><lb/>
            <l>Von der getreuen Seite, woraus du dein We&#x017F;en empfangen,</l><lb/>
            <l>Welche dich immer bedeckt und be&#x017F;chirmt. Wenn Schand und Gefahren</l><lb/>
            <l>Einer Frau drohn, bleibt &#x017F;ie am be&#x017F;ten, am &#x017F;icher&#x017F;ten immer</l><lb/>
            <l>Bey dem Maune, welcher voll Muth und Treue &#x017F;ie &#x017F;chu&#x0364;tzet;<lb/><note place="left">285</note>Oder auch &#x017F;tets, das &#x017F;chlimm&#x017F;te mit ihr zu erfahren, bereit i&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0098] Das verlohrne Paradies. Beyſtehn koͤnnen. Doch wenn dich vielleicht die ermuͤdende Wolluſt Dieſes beſtaͤndigen Umgangs ſaͤttigt, ſo ſey dir, o Eva, Eine kurze Scheidung erlaubt; die beſte Geſellſchaft Jſt die Einſamkeit oft; nach einer kurzen Entfernung Wuͤnſcht man noch mehr, ſich wieder zu ſehn. Doch faßt mich indeſſen Noch ein andres Bedenken; dir moͤcht ein Ungluͤck begegnen, Wenn du entfernt biſt von mir. Du weißt es, wie ſehr wir gewarnt ſind; Was fuͤr ein grimmiger Feind, der unſer Gluͤcke beneidet, Und an ſeinem eignen verzagt, mit heimlichen Liſten Uns in Ungluͤck und Schande zu ſtuͤrzen bemuͤht iſt. Er lauret Ohne Zweifel hier um uns herum, in ſchmeichelnder Hoffnung, Uns von einander getrennt zu finden; ſein groͤßeſter Vortheil, Und ſein einziger Wunſch. Denn ſind wir beyſammen, ſo darf er Sich, uns zu betriegen, nicht ſchmeicheln, indem wir vereinet, Uns, wenns noͤthig iſt, ſchleunig einander zu helfen, geſchickt ſind. Und ſein erſter Entwurf ſey nun, die Pflicht zu entkraͤften, Die wir dem Schoͤpfer gelobt; wo nicht, doch neidiſch die Freuden Unſrer ehlichen Liebe zu ſtoͤren, da keines von unſerm Jrdiſchen Gluͤcke vielleicht ihn mehr zum Neide beweget; — Kurz, dieß ſey es, oder was aͤrgers, ſo weiche du niemals Von der getreuen Seite, woraus du dein Weſen empfangen, Welche dich immer bedeckt und beſchirmt. Wenn Schand und Gefahren Einer Frau drohn, bleibt ſie am beſten, am ſicherſten immer Bey dem Maune, welcher voll Muth und Treue ſie ſchuͤtzet; Oder auch ſtets, das ſchlimmſte mit ihr zu erfahren, bereit iſt. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/98
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/98>, abgerufen am 04.05.2024.