Scheuen muß; die zu betriegen, hab ich mich also verborgen; Und, in diesem Nebel von Mitternachtsdünsten verhüllet, Schleich ich also verstohlen umher. Jn jeglichem Busche Und in jeglichem Sumpf, such ich |die schlafende Schlange 170Aufzufinden, daß ich in ihren schlanken Gelenken Mich, und den schwarzen Entschluß verberge, worauf ich bedacht bin. Aber wie tief, wie schimpflich muß ich herunter sinken! Jch, der kürzlich erst noch mit Göttern gekämpft, wer am höchsten Sitzen sollt'; ich sehe mich nun erniedrigt zum Viehe, 175Sehe dieß Wesen, das nach der Höh der Gottheit gestrebet, Nun mit Fleisch, mit Thierschleim vermischt! -- Doch wozu erniedern Herrschsucht und Rache sich nicht! Wer steigen will, muß sich entschließen, Eben so tief vorher erst zu fallen; muß vor oder nachher Sich zu den niedrigsten Dingen bequemen. Die Rache, so süß sie 180Auch im Anfang uns dünkt, schlägt doch mit Bitterkeit endlich Auf sich selber zurück. Es sey! ich werd' es nicht achten, Wenn nur die Rache, die gegen den höhern vor kurzem mir fehlschlug., Gegen diesen nach Wunsch mir gelingt, der nachher von neuem Mich zum Neide gereizt; den neuen Günstling des Himmels, 185Diesen Menschen von Erde, den, unser nur mehr noch zu spotten, Aus dem Staube sein Schöpfer erhob, den Sohn der Verhöhnung -- Wohl! -- Verhöhnung wird dann mit Verhöhnung am besten vergolten.
Als er dieses gesagt, durchkroch er jeglichen nassen, Jeglichen trockenen Busch, wie ein dunkeler Nebel, und setzte 190Fleißig sein nächtliches Forschen fort, die Schlange zu finden;
Und
Das verlohrne Paradies.
Scheuen muß; die zu betriegen, hab ich mich alſo verborgen; Und, in dieſem Nebel von Mitternachtsduͤnſten verhuͤllet, Schleich ich alſo verſtohlen umher. Jn jeglichem Buſche Und in jeglichem Sumpf, ſuch ich |die ſchlafende Schlange 170Aufzufinden, daß ich in ihren ſchlanken Gelenken Mich, und den ſchwarzen Entſchluß verberge, worauf ich bedacht bin. Aber wie tief, wie ſchimpflich muß ich herunter ſinken! Jch, der kuͤrzlich erſt noch mit Goͤttern gekaͤmpft, wer am hoͤchſten Sitzen ſollt’; ich ſehe mich nun erniedrigt zum Viehe, 175Sehe dieß Weſen, das nach der Hoͤh der Gottheit geſtrebet, Nun mit Fleiſch, mit Thierſchleim vermiſcht! — Doch wozu erniedern Herrſchſucht und Rache ſich nicht! Wer ſteigen will, muß ſich entſchließen, Eben ſo tief vorher erſt zu fallen; muß vor oder nachher Sich zu den niedrigſten Dingen bequemen. Die Rache, ſo ſuͤß ſie 180Auch im Anfang uns duͤnkt, ſchlaͤgt doch mit Bitterkeit endlich Auf ſich ſelber zuruͤck. Es ſey! ich werd’ es nicht achten, Wenn nur die Rache, die gegen den hoͤhern vor kurzem mir fehlſchlug., Gegen dieſen nach Wunſch mir gelingt, der nachher von neuem Mich zum Neide gereizt; den neuen Guͤnſtling des Himmels, 185Dieſen Menſchen von Erde, den, unſer nur mehr noch zu ſpotten, Aus dem Staube ſein Schoͤpfer erhob, den Sohn der Verhoͤhnung — Wohl! — Verhoͤhnung wird dann mit Verhoͤhnung am beſten vergolten.
Als er dieſes geſagt, durchkroch er jeglichen naſſen, Jeglichen trockenen Buſch, wie ein dunkeler Nebel, und ſetzte 190Fleißig ſein naͤchtliches Forſchen fort, die Schlange zu finden;
Und
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Das verlohrne Paradies.
Scheuen muß; die zu betriegen, hab ich mich alſo verborgen;
Und, in dieſem Nebel von Mitternachtsduͤnſten verhuͤllet,
Schleich ich alſo verſtohlen umher. Jn jeglichem Buſche
Und in jeglichem Sumpf, ſuch ich |die ſchlafende Schlange
Aufzufinden, daß ich in ihren ſchlanken Gelenken
Mich, und den ſchwarzen Entſchluß verberge, worauf ich bedacht bin.
Aber wie tief, wie ſchimpflich muß ich herunter ſinken!
Jch, der kuͤrzlich erſt noch mit Goͤttern gekaͤmpft, wer am hoͤchſten
Sitzen ſollt’; ich ſehe mich nun erniedrigt zum Viehe,
Sehe dieß Weſen, das nach der Hoͤh der Gottheit geſtrebet,
Nun mit Fleiſch, mit Thierſchleim vermiſcht! — Doch wozu erniedern
Herrſchſucht und Rache ſich nicht! Wer ſteigen will, muß ſich entſchließen,
Eben ſo tief vorher erſt zu fallen; muß vor oder nachher
Sich zu den niedrigſten Dingen bequemen. Die Rache, ſo ſuͤß ſie
Auch im Anfang uns duͤnkt, ſchlaͤgt doch mit Bitterkeit endlich
Auf ſich ſelber zuruͤck. Es ſey! ich werd’ es nicht achten,
Wenn nur die Rache, die gegen den hoͤhern vor kurzem mir fehlſchlug.,
Gegen dieſen nach Wunſch mir gelingt, der nachher von neuem
Mich zum Neide gereizt; den neuen Guͤnſtling des Himmels,
Dieſen Menſchen von Erde, den, unſer nur mehr noch zu ſpotten,
Aus dem Staube ſein Schoͤpfer erhob, den Sohn der Verhoͤhnung —
Wohl! — Verhoͤhnung wird dann mit Verhoͤhnung am beſten vergolten.
Als er dieſes geſagt, durchkroch er jeglichen naſſen,
Jeglichen trockenen Buſch, wie ein dunkeler Nebel, und ſetzte
Fleißig ſein naͤchtliches Forſchen fort, die Schlange zu finden;
Und
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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/94>, abgerufen am 26.07.2024.
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