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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Neunter Gesang.
140Bald ihm folgen, indem es, in Wohl und Wehe nicht trennbar,
Mit ihm verknüpft ist -- Jn Weh demnach! -- das schwarze Verderben
Müsse weit um sich greifen. Jch will allein nur die Ehre
Unter den höllischen Geistern erlangen, an Einem Tage
Das zerstöret zu haben, was in sechs Tagen und Nächten,
145Er, der Allmächtge, (so wie man ihn nennt,) mit Mühe verrichtet.

Und wer weiß, wie lang er vorher dem wichtigen Werke
Nachgedacht hat? jedoch auch vielleicht nicht länger, als da ich
Von dem schimpflichen Joch die Hälfte des Englischen Namens
Muthig in Einer Nacht befreyt, und seiner Verehrer
150Sklavische Schaaren dadurch geschwächt. Er, um sich zu rächen,

Und die dünner gewordnen Mengen dadurch zu ersetzen,
Hat, (entweder, weil er die Kraft, die er ehmals besessen,
Engel zu schaffen, nun nicht mehr besitzt; wofern er sie anders
Wirklich geschaffen; vielleicht, auch dadurch nur mehr uns zu höhnen.)
155Sich entschlossen, an unsrer Statt ein Geschöpfe zu setzen,

Das er aus Erde gemacht; von seinem niedrigen Ursprung
Es zu erhöhn, und mit himmlischem Raube, mit unserm Raub' es
Zu begnadigen. Was er beschloß, das hat er vollendet,
Und den Menschen gemacht. Er hat auf die prächtigste Weise
160Diese Welt für ihn nur erbaut, für ihn nur die Erde,

Seinen Wohnplatz, und über dieß alles zum Herrn ihn ernennet.
Ja er hat, (o der Schande!) sogar die flammenden Diener,
Und die geflügelten Geister, zu seinem Schutze verordnet,
Die ihn bewahren, und hier im irdischen Amt sich erniedern.
165Diese sind es, vor deren List und Wachsamkeit ich mich

Scheuen
II. Theil. K

Neunter Geſang.
140Bald ihm folgen, indem es, in Wohl und Wehe nicht trennbar,
Mit ihm verknuͤpft iſt — Jn Weh demnach! — das ſchwarze Verderben
Muͤſſe weit um ſich greifen. Jch will allein nur die Ehre
Unter den hoͤlliſchen Geiſtern erlangen, an Einem Tage
Das zerſtoͤret zu haben, was in ſechs Tagen und Naͤchten,
145Er, der Allmaͤchtge, (ſo wie man ihn nennt,) mit Muͤhe verrichtet.

Und wer weiß, wie lang er vorher dem wichtigen Werke
Nachgedacht hat? jedoch auch vielleicht nicht laͤnger, als da ich
Von dem ſchimpflichen Joch die Haͤlfte des Engliſchen Namens
Muthig in Einer Nacht befreyt, und ſeiner Verehrer
150Sklaviſche Schaaren dadurch geſchwaͤcht. Er, um ſich zu raͤchen,

Und die duͤnner gewordnen Mengen dadurch zu erſetzen,
Hat, (entweder, weil er die Kraft, die er ehmals beſeſſen,
Engel zu ſchaffen, nun nicht mehr beſitzt; wofern er ſie anders
Wirklich geſchaffen; vielleicht, auch dadurch nur mehr uns zu hoͤhnen.)
155Sich entſchloſſen, an unſrer Statt ein Geſchoͤpfe zu ſetzen,

Das er aus Erde gemacht; von ſeinem niedrigen Urſprung
Es zu erhoͤhn, und mit himmliſchem Raube, mit unſerm Raub’ es
Zu begnadigen. Was er beſchloß, das hat er vollendet,
Und den Menſchen gemacht. Er hat auf die praͤchtigſte Weiſe
160Dieſe Welt fuͤr ihn nur erbaut, fuͤr ihn nur die Erde,

Seinen Wohnplatz, und uͤber dieß alles zum Herrn ihn ernennet.
Ja er hat, (o der Schande!) ſogar die flammenden Diener,
Und die gefluͤgelten Geiſter, zu ſeinem Schutze verordnet,
Die ihn bewahren, und hier im irdiſchen Amt ſich erniedern.
165Dieſe ſind es, vor deren Liſt und Wachſamkeit ich mich

Scheuen
II. Theil. K
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[73/0093] Neunter Geſang. Bald ihm folgen, indem es, in Wohl und Wehe nicht trennbar, Mit ihm verknuͤpft iſt — Jn Weh demnach! — das ſchwarze Verderben Muͤſſe weit um ſich greifen. Jch will allein nur die Ehre Unter den hoͤlliſchen Geiſtern erlangen, an Einem Tage Das zerſtoͤret zu haben, was in ſechs Tagen und Naͤchten, Er, der Allmaͤchtge, (ſo wie man ihn nennt,) mit Muͤhe verrichtet. Und wer weiß, wie lang er vorher dem wichtigen Werke Nachgedacht hat? jedoch auch vielleicht nicht laͤnger, als da ich Von dem ſchimpflichen Joch die Haͤlfte des Engliſchen Namens Muthig in Einer Nacht befreyt, und ſeiner Verehrer Sklaviſche Schaaren dadurch geſchwaͤcht. Er, um ſich zu raͤchen, Und die duͤnner gewordnen Mengen dadurch zu erſetzen, Hat, (entweder, weil er die Kraft, die er ehmals beſeſſen, Engel zu ſchaffen, nun nicht mehr beſitzt; wofern er ſie anders Wirklich geſchaffen; vielleicht, auch dadurch nur mehr uns zu hoͤhnen.) Sich entſchloſſen, an unſrer Statt ein Geſchoͤpfe zu ſetzen, Das er aus Erde gemacht; von ſeinem niedrigen Urſprung Es zu erhoͤhn, und mit himmliſchem Raube, mit unſerm Raub’ es Zu begnadigen. Was er beſchloß, das hat er vollendet, Und den Menſchen gemacht. Er hat auf die praͤchtigſte Weiſe Dieſe Welt fuͤr ihn nur erbaut, fuͤr ihn nur die Erde, Seinen Wohnplatz, und uͤber dieß alles zum Herrn ihn ernennet. Ja er hat, (o der Schande!) ſogar die flammenden Diener, Und die gefluͤgelten Geiſter, zu ſeinem Schutze verordnet, Die ihn bewahren, und hier im irdiſchen Amt ſich erniedern. Dieſe ſind es, vor deren Liſt und Wachſamkeit ich mich Scheuen II. Theil. K

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/93>, abgerufen am 29.11.2024.