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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

So stehst du im Mittelpunkt auch von allen den Kugeln,
115Und empfängst den Tribut von ihnen allen. Jn dir nur,

Nicht in ihnen, erscheinen die alles befruchtenden Kräfte,
Welche Pflanzen und Kräuter beleben, und edlere Arten
Von Geschöpfen, die stufenweis sich von Wachsthum, Empfindung,
Bis zur Vernunft, (die all' im Menschen vereint sind,) erheben.
120Und mit welcher Lust könnt' ich hier wandeln, wofern ich

Mich an etwas ergötzen könnte! Wie lachend erscheinet
Diese Verändrung von Bergen und Thal, und Flüssen, und Wäldern,
Und von blumichten Auen! hier Land, dort See, und Gestade
Lieblich mit Hainen gekrönt; und Klippen, Hölen und Klüfte.
125Aber in keinem von ihnen find ich die mindeste Ruhstatt,

Oder Zuflucht für mich! Jemehr ich Vergnügen und Freuden
Um mich herum seh, je größer ist auch die innere Marter,
Welche mich in mir zernagt, da ich der scheusliche Wohnplatz
Von dem Gegentheil bin. Jn mir wird alles Ergötzen,
130Alles Gute, zu Gift. Noch schlimmer wäre mein Zustand

Selber im Himmel. Jedoch nicht hier, noch minder im Himmel,
Wünsch ich zu wohnen, wofern ich nicht auch den Beherrscher des Himmels
Ueberwinde. Zwar darf ich nicht hoffen, durch das, was ich suche,
Weniger elend zu seyn; nur wünscht' ich auch andre so elend,
135Wie mich selbst; und sollten mich auch noch größere Strafen

Dieserhalb treffen; nur im Verderben, nur in der Zerstörung,
Findet dieß Herz, voll Bitterkeit, Lust. Könnt ich ihn zerstören,
Oder zu etwas verleiten, das sein Verderben verursacht,
Jhn, für welchen dieß alles gemacht ist; so würde das andre

Bald

Das verlohrne Paradies.

So ſtehſt du im Mittelpunkt auch von allen den Kugeln,
115Und empfaͤngſt den Tribut von ihnen allen. Jn dir nur,

Nicht in ihnen, erſcheinen die alles befruchtenden Kraͤfte,
Welche Pflanzen und Kraͤuter beleben, und edlere Arten
Von Geſchoͤpfen, die ſtufenweis ſich von Wachsthum, Empfindung,
Bis zur Vernunft, (die all’ im Menſchen vereint ſind,) erheben.
120Und mit welcher Luſt koͤnnt’ ich hier wandeln, wofern ich

Mich an etwas ergoͤtzen koͤnnte! Wie lachend erſcheinet
Dieſe Veraͤndrung von Bergen und Thal, und Fluͤſſen, und Waͤldern,
Und von blumichten Auen! hier Land, dort See, und Geſtade
Lieblich mit Hainen gekroͤnt; und Klippen, Hoͤlen und Kluͤfte.
125Aber in keinem von ihnen find ich die mindeſte Ruhſtatt,

Oder Zuflucht fuͤr mich! Jemehr ich Vergnuͤgen und Freuden
Um mich herum ſeh, je groͤßer iſt auch die innere Marter,
Welche mich in mir zernagt, da ich der ſcheusliche Wohnplatz
Von dem Gegentheil bin. Jn mir wird alles Ergoͤtzen,
130Alles Gute, zu Gift. Noch ſchlimmer waͤre mein Zuſtand

Selber im Himmel. Jedoch nicht hier, noch minder im Himmel,
Wuͤnſch ich zu wohnen, wofern ich nicht auch den Beherrſcher des Himmels
Ueberwinde. Zwar darf ich nicht hoffen, durch das, was ich ſuche,
Weniger elend zu ſeyn; nur wuͤnſcht’ ich auch andre ſo elend,
135Wie mich ſelbſt; und ſollten mich auch noch groͤßere Strafen

Dieſerhalb treffen; nur im Verderben, nur in der Zerſtoͤrung,
Findet dieß Herz, voll Bitterkeit, Luſt. Koͤnnt ich ihn zerſtoͤren,
Oder zu etwas verleiten, das ſein Verderben verurſacht,
Jhn, fuͤr welchen dieß alles gemacht iſt; ſo wuͤrde das andre

Bald
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[72/0092] Das verlohrne Paradies. So ſtehſt du im Mittelpunkt auch von allen den Kugeln, Und empfaͤngſt den Tribut von ihnen allen. Jn dir nur, Nicht in ihnen, erſcheinen die alles befruchtenden Kraͤfte, Welche Pflanzen und Kraͤuter beleben, und edlere Arten Von Geſchoͤpfen, die ſtufenweis ſich von Wachsthum, Empfindung, Bis zur Vernunft, (die all’ im Menſchen vereint ſind,) erheben. Und mit welcher Luſt koͤnnt’ ich hier wandeln, wofern ich Mich an etwas ergoͤtzen koͤnnte! Wie lachend erſcheinet Dieſe Veraͤndrung von Bergen und Thal, und Fluͤſſen, und Waͤldern, Und von blumichten Auen! hier Land, dort See, und Geſtade Lieblich mit Hainen gekroͤnt; und Klippen, Hoͤlen und Kluͤfte. Aber in keinem von ihnen find ich die mindeſte Ruhſtatt, Oder Zuflucht fuͤr mich! Jemehr ich Vergnuͤgen und Freuden Um mich herum ſeh, je groͤßer iſt auch die innere Marter, Welche mich in mir zernagt, da ich der ſcheusliche Wohnplatz Von dem Gegentheil bin. Jn mir wird alles Ergoͤtzen, Alles Gute, zu Gift. Noch ſchlimmer waͤre mein Zuſtand Selber im Himmel. Jedoch nicht hier, noch minder im Himmel, Wuͤnſch ich zu wohnen, wofern ich nicht auch den Beherrſcher des Himmels Ueberwinde. Zwar darf ich nicht hoffen, durch das, was ich ſuche, Weniger elend zu ſeyn; nur wuͤnſcht’ ich auch andre ſo elend, Wie mich ſelbſt; und ſollten mich auch noch groͤßere Strafen Dieſerhalb treffen; nur im Verderben, nur in der Zerſtoͤrung, Findet dieß Herz, voll Bitterkeit, Luſt. Koͤnnt ich ihn zerſtoͤren, Oder zu etwas verleiten, das ſein Verderben verurſacht, Jhn, fuͤr welchen dieß alles gemacht iſt; ſo wuͤrde das andre Bald

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/92>, abgerufen am 29.11.2024.