Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Und empfangen. Allein, wo solch ein Unterschied herrschet,
390Wo das eine zu stark gespannt [Spaltenumbruch] l), das andre zu schlaff ist,

Werden sie nie zusammen gestimmt; und werden in kurzem
Eines dem andern zur Last. Jch rede von solcher Gesellschaft,
Wie ich sie suche, für mich, die mit mir an jedem Vergnügen,
Jeden vernünftgen Ergötzungen Theil zu nehmen geschickt ist.
395Hierinn kann kein Thier des Menschen Mitgesell werden,

Jedes ergötzt sich mit seiner Art, mit seinem Geschlechte;
Mit der Löwinn der Löwe, so weislich hast du in Paaren
Sie zusammengesellt. So wenig der Vogel mit Thieren,
Mit dem Vogel der Fisch, und mit dem Ochsen der Affe,
400Umgehn kann, so wenig, und noch viel weniger kann es

Unter allen der Mensch mit diesen viel niedrigern Thieren.

Nicht ganz unzufrieden erwiederte drauf der Allmächtge:
Ein sehr zartes und feines Glück hast du, wie ich sehe,
Adam, dir selbst in der Wahl von deiner Gesellschaft ersonnen.
405Kein Vergnügen willst du, auch mitten in dem Vergnügen,

Für dich allein in der Einsamkeit schmecken. Was denkst du von mir denn,
Und von meinem eigenen Stand? Schein Jch dir genugsam
Glücklich zu seyn, oder nicht? Seit allen den Ewigkeiten
Bin ich allein; ich kenne keinen, der nach mir der zweyte,
410Der mir ähnlich, vielweniger Einen, welcher mir gleich sey.
Was
l) Eine musikalische Metapher | von
Saiten. Die straffsten und kürzesten ge-
ben einen scharfen spitzigen Ton, und die
[Spaltenumbruch] langen und schlaffen, einen tiefen und
dumpfigen. Hume.

Das verlohrne Paradies.

Und empfangen. Allein, wo ſolch ein Unterſchied herrſchet,
390Wo das eine zu ſtark geſpannt [Spaltenumbruch] l), das andre zu ſchlaff iſt,

Werden ſie nie zuſammen geſtimmt; und werden in kurzem
Eines dem andern zur Laſt. Jch rede von ſolcher Geſellſchaft,
Wie ich ſie ſuche, fuͤr mich, die mit mir an jedem Vergnuͤgen,
Jeden vernuͤnftgen Ergoͤtzungen Theil zu nehmen geſchickt iſt.
395Hierinn kann kein Thier des Menſchen Mitgeſell werden,

Jedes ergoͤtzt ſich mit ſeiner Art, mit ſeinem Geſchlechte;
Mit der Loͤwinn der Loͤwe, ſo weislich haſt du in Paaren
Sie zuſammengeſellt. So wenig der Vogel mit Thieren,
Mit dem Vogel der Fiſch, und mit dem Ochſen der Affe,
400Umgehn kann, ſo wenig, und noch viel weniger kann es

Unter allen der Menſch mit dieſen viel niedrigern Thieren.

Nicht ganz unzufrieden erwiederte drauf der Allmaͤchtge:
Ein ſehr zartes und feines Gluͤck haſt du, wie ich ſehe,
Adam, dir ſelbſt in der Wahl von deiner Geſellſchaft erſonnen.
405Kein Vergnuͤgen willſt du, auch mitten in dem Vergnuͤgen,

Fuͤr dich allein in der Einſamkeit ſchmecken. Was denkſt du von mir denn,
Und von meinem eigenen Stand? Schein Jch dir genugſam
Gluͤcklich zu ſeyn, oder nicht? Seit allen den Ewigkeiten
Bin ich allein; ich kenne keinen, der nach mir der zweyte,
410Der mir aͤhnlich, vielweniger Einen, welcher mir gleich ſey.
Was
l) Eine muſikaliſche Metapher | von
Saiten. Die ſtraffſten und kuͤrzeſten ge-
ben einen ſcharfen ſpitzigen Ton, und die
[Spaltenumbruch] langen und ſchlaffen, einen tiefen und
dumpfigen. Hume.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="13">
            <l>
              <pb facs="#f0070" n="52"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Und empfangen. Allein, wo &#x017F;olch ein Unter&#x017F;chied herr&#x017F;chet,<lb/><note place="left">390</note>Wo das eine zu &#x017F;tark ge&#x017F;pannt <cb/>
<note place="foot" n="l)">Eine mu&#x017F;ikali&#x017F;che Metapher | von<lb/>
Saiten. Die &#x017F;traff&#x017F;ten und ku&#x0364;rze&#x017F;ten ge-<lb/>
ben einen &#x017F;charfen &#x017F;pitzigen Ton, und die<lb/><cb/>
langen und &#x017F;chlaffen, einen tiefen und<lb/>
dumpfigen. <hi rendition="#fr">Hume.</hi></note>, das andre zu &#x017F;chlaff i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Werden &#x017F;ie nie zu&#x017F;ammen ge&#x017F;timmt; und werden in kurzem</l><lb/>
            <l>Eines dem andern zur La&#x017F;t. Jch rede von &#x017F;olcher Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,</l><lb/>
            <l>Wie ich &#x017F;ie &#x017F;uche, fu&#x0364;r mich, die mit mir an jedem Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Jeden vernu&#x0364;nftgen Ergo&#x0364;tzungen Theil zu nehmen ge&#x017F;chickt i&#x017F;t.<lb/><note place="left">395</note>Hierinn kann kein Thier des Men&#x017F;chen Mitge&#x017F;ell werden,</l><lb/>
            <l>Jedes ergo&#x0364;tzt &#x017F;ich mit &#x017F;einer Art, mit &#x017F;einem Ge&#x017F;chlechte;</l><lb/>
            <l>Mit der Lo&#x0364;winn der Lo&#x0364;we, &#x017F;o weislich ha&#x017F;t du in Paaren</l><lb/>
            <l>Sie zu&#x017F;ammenge&#x017F;ellt. So wenig der Vogel mit Thieren,</l><lb/>
            <l>Mit dem Vogel der Fi&#x017F;ch, und mit dem Och&#x017F;en der Affe,<lb/><note place="left">400</note>Umgehn kann, &#x017F;o wenig, und noch viel weniger kann es</l><lb/>
            <l>Unter allen der Men&#x017F;ch mit die&#x017F;en viel niedrigern Thieren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="14">
            <l>Nicht ganz unzufrieden erwiederte drauf der Allma&#x0364;chtge:</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;ehr zartes und feines Glu&#x0364;ck ha&#x017F;t du, wie ich &#x017F;ehe,<lb/><hi rendition="#fr">Adam,</hi> dir &#x017F;elb&#x017F;t in der Wahl von deiner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft er&#x017F;onnen.<lb/><note place="left">405</note>Kein Vergnu&#x0364;gen will&#x017F;t du, auch mitten in dem Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r dich allein in der Ein&#x017F;amkeit &#x017F;chmecken. Was denk&#x017F;t du von mir denn,</l><lb/>
            <l>Und von meinem eigenen Stand? Schein Jch dir genug&#x017F;am</l><lb/>
            <l>Glu&#x0364;cklich zu &#x017F;eyn, oder nicht? Seit allen den Ewigkeiten</l><lb/>
            <l>Bin ich allein; ich kenne keinen, der nach mir der zweyte,<lb/><note place="left">410</note>Der mir a&#x0364;hnlich, vielweniger Einen, welcher mir gleich &#x017F;ey.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0070] Das verlohrne Paradies. Und empfangen. Allein, wo ſolch ein Unterſchied herrſchet, Wo das eine zu ſtark geſpannt l), das andre zu ſchlaff iſt, Werden ſie nie zuſammen geſtimmt; und werden in kurzem Eines dem andern zur Laſt. Jch rede von ſolcher Geſellſchaft, Wie ich ſie ſuche, fuͤr mich, die mit mir an jedem Vergnuͤgen, Jeden vernuͤnftgen Ergoͤtzungen Theil zu nehmen geſchickt iſt. Hierinn kann kein Thier des Menſchen Mitgeſell werden, Jedes ergoͤtzt ſich mit ſeiner Art, mit ſeinem Geſchlechte; Mit der Loͤwinn der Loͤwe, ſo weislich haſt du in Paaren Sie zuſammengeſellt. So wenig der Vogel mit Thieren, Mit dem Vogel der Fiſch, und mit dem Ochſen der Affe, Umgehn kann, ſo wenig, und noch viel weniger kann es Unter allen der Menſch mit dieſen viel niedrigern Thieren. Nicht ganz unzufrieden erwiederte drauf der Allmaͤchtge: Ein ſehr zartes und feines Gluͤck haſt du, wie ich ſehe, Adam, dir ſelbſt in der Wahl von deiner Geſellſchaft erſonnen. Kein Vergnuͤgen willſt du, auch mitten in dem Vergnuͤgen, Fuͤr dich allein in der Einſamkeit ſchmecken. Was denkſt du von mir denn, Und von meinem eigenen Stand? Schein Jch dir genugſam Gluͤcklich zu ſeyn, oder nicht? Seit allen den Ewigkeiten Bin ich allein; ich kenne keinen, der nach mir der zweyte, Der mir aͤhnlich, vielweniger Einen, welcher mir gleich ſey. Was l) Eine muſikaliſche Metapher | von Saiten. Die ſtraffſten und kuͤrzeſten ge- ben einen ſcharfen ſpitzigen Ton, und die langen und ſchlaffen, einen tiefen und dumpfigen. Hume.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/70
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/70>, abgerufen am 04.05.2024.