Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Dieses Vorrecht sey dir zugleich von den Fischen ertheilet,
Ob sie gleich hier nicht erscheinen, und ihre Wasserbehausung
Nicht zu verlassen vermögen, die dünnere Luft hier zu athmen.

350
Also sprach er, und sieh! es kamen die Vögel und Thiere,
Paar bey Paar. Liebkosend bückten die Thiere sich nieder;
Und die Vögel strichen vor mir die Fittichen. Jedes
Nannt ich mit seinem Namen, so wie es vorbeygieng, und kannte
Seine Natur; mit solcher Erkenntniß begabte der Schöpfer
355Meinen geschwinden Verstand. Jndessen fand ich darunter

Dieß nicht, was mir beständig, nach meinen Gedanken, noch fehlte,
Und ich erkühnte mich, so zur hohen Erscheinung zu sagen.
O! mit welchen Namen [Spaltenumbruch] k), -- denn du bist größer, als alle,
Größer noch, als der Mensch; und alles, was sonst noch erhabner,
360Als der Mensch, ist; wie soll ich dich nennen? sie alle, die Namen

Uebertriffst du unendlich weir! Wie soll ich dich, Schöpfer
Dieses Ganzen -- Dich, Geber so vieler unendlichen Güter,
Die du den Menschen geschenkt, -- wie Dich anbethen? So reichlich
Hast du in allem für ihn zu seinem Wohlseyn gesorget;
365Aber nur seh ich hier kein Geschöpf, das mit mir es theilte!

Kann wohl ein Glück in der Einsamkeit seyn? Kann jemand wohl etwas
Für
k) Warburton hat hieraus schließen
wollen, daß Adam noch keine Kenntniß
von Gott gehabt; Herr Wieland aber
zeigt deutlich, wie jeder Leser gleich ein-
sehn wird, daß eben deswegen, weil
[Spaltenumbruch] Adam keinen würdigen Namen für das
höchste Wesen finden zu können glaubte,
er das Wesen seines Schöpfers sehr wohl
gekannt. Z.

Das verlohrne Paradies.

Dieſes Vorrecht ſey dir zugleich von den Fiſchen ertheilet,
Ob ſie gleich hier nicht erſcheinen, und ihre Waſſerbehauſung
Nicht zu verlaſſen vermoͤgen, die duͤnnere Luft hier zu athmen.

350
Alſo ſprach er, und ſieh! es kamen die Voͤgel und Thiere,
Paar bey Paar. Liebkoſend buͤckten die Thiere ſich nieder;
Und die Voͤgel ſtrichen vor mir die Fittichen. Jedes
Nannt ich mit ſeinem Namen, ſo wie es vorbeygieng, und kannte
Seine Natur; mit ſolcher Erkenntniß begabte der Schoͤpfer
355Meinen geſchwinden Verſtand. Jndeſſen fand ich darunter

Dieß nicht, was mir beſtaͤndig, nach meinen Gedanken, noch fehlte,
Und ich erkuͤhnte mich, ſo zur hohen Erſcheinung zu ſagen.
O! mit welchen Namen [Spaltenumbruch] k), — denn du biſt groͤßer, als alle,
Groͤßer noch, als der Menſch; und alles, was ſonſt noch erhabner,
360Als der Menſch, iſt; wie ſoll ich dich nennen? ſie alle, die Namen

Uebertriffſt du unendlich weir! Wie ſoll ich dich, Schoͤpfer
Dieſes Ganzen — Dich, Geber ſo vieler unendlichen Guͤter,
Die du den Menſchen geſchenkt, — wie Dich anbethen? So reichlich
Haſt du in allem fuͤr ihn zu ſeinem Wohlſeyn geſorget;
365Aber nur ſeh ich hier kein Geſchoͤpf, das mit mir es theilte!

Kann wohl ein Gluͤck in der Einſamkeit ſeyn? Kann jemand wohl etwas
Fuͤr
k) Warburton hat hieraus ſchließen
wollen, daß Adam noch keine Kenntniß
von Gott gehabt; Herr Wieland aber
zeigt deutlich, wie jeder Leſer gleich ein-
ſehn wird, daß eben deswegen, weil
[Spaltenumbruch] Adam keinen wuͤrdigen Namen fuͤr das
hoͤchſte Weſen finden zu koͤnnen glaubte,
er das Weſen ſeines Schoͤpfers ſehr wohl
gekannt. Z.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="7">
            <l>
              <pb facs="#f0068" n="50"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es Vorrecht &#x017F;ey dir zugleich von den Fi&#x017F;chen ertheilet,</l><lb/>
            <l>Ob &#x017F;ie gleich hier nicht er&#x017F;cheinen, und ihre Wa&#x017F;&#x017F;erbehau&#x017F;ung</l><lb/>
            <l>Nicht zu verla&#x017F;&#x017F;en vermo&#x0364;gen, die du&#x0364;nnere Luft hier zu athmen.</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">350</note>
          <lg n="8">
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;prach er, und &#x017F;ieh! es kamen die Vo&#x0364;gel und Thiere,</l><lb/>
            <l>Paar bey Paar. Liebko&#x017F;end bu&#x0364;ckten die Thiere &#x017F;ich nieder;</l><lb/>
            <l>Und die Vo&#x0364;gel &#x017F;trichen vor mir die Fittichen. Jedes</l><lb/>
            <l>Nannt ich mit &#x017F;einem Namen, &#x017F;o wie es vorbeygieng, und kannte</l><lb/>
            <l>Seine Natur; mit &#x017F;olcher Erkenntniß begabte der Scho&#x0364;pfer<lb/><note place="left">355</note>Meinen ge&#x017F;chwinden Ver&#x017F;tand. Jnde&#x017F;&#x017F;en fand ich darunter</l><lb/>
            <l>Dieß nicht, was mir be&#x017F;ta&#x0364;ndig, nach meinen Gedanken, noch fehlte,</l><lb/>
            <l>Und ich erku&#x0364;hnte mich, &#x017F;o zur hohen Er&#x017F;cheinung zu &#x017F;agen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l>O! mit welchen Namen <cb/>
<note place="foot" n="k)"><hi rendition="#fr">Warburton</hi> hat hieraus &#x017F;chließen<lb/>
wollen, daß Adam noch keine Kenntniß<lb/>
von Gott gehabt; Herr <hi rendition="#fr">Wieland</hi> aber<lb/>
zeigt deutlich, wie jeder Le&#x017F;er gleich ein-<lb/>
&#x017F;ehn wird, daß eben deswegen, weil<lb/><cb/> <hi rendition="#fr">Adam</hi> keinen wu&#x0364;rdigen Namen fu&#x0364;r das<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te We&#x017F;en finden zu ko&#x0364;nnen glaubte,<lb/>
er das We&#x017F;en &#x017F;eines Scho&#x0364;pfers &#x017F;ehr wohl<lb/>
gekannt. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note>, &#x2014; denn du bi&#x017F;t gro&#x0364;ßer, als alle,</l><lb/>
            <l>Gro&#x0364;ßer noch, als der Men&#x017F;ch; und alles, was &#x017F;on&#x017F;t noch erhabner,<lb/><note place="left">360</note>Als der Men&#x017F;ch, i&#x017F;t; wie &#x017F;oll ich dich nennen? &#x017F;ie alle, die Namen</l><lb/>
            <l>Uebertriff&#x017F;t du unendlich weir! Wie &#x017F;oll ich dich, Scho&#x0364;pfer</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es Ganzen &#x2014; Dich, Geber &#x017F;o vieler unendlichen Gu&#x0364;ter,</l><lb/>
            <l>Die du den Men&#x017F;chen ge&#x017F;chenkt, &#x2014; wie Dich anbethen? So reichlich</l><lb/>
            <l>Ha&#x017F;t du in allem fu&#x0364;r ihn zu &#x017F;einem Wohl&#x017F;eyn ge&#x017F;orget;<lb/><note place="left">365</note>Aber nur &#x017F;eh ich hier kein Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, das mit mir es theilte!</l><lb/>
            <l>Kann wohl ein Glu&#x0364;ck in der Ein&#x017F;amkeit &#x017F;eyn? Kann jemand wohl etwas<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;r</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0068] Das verlohrne Paradies. Dieſes Vorrecht ſey dir zugleich von den Fiſchen ertheilet, Ob ſie gleich hier nicht erſcheinen, und ihre Waſſerbehauſung Nicht zu verlaſſen vermoͤgen, die duͤnnere Luft hier zu athmen. Alſo ſprach er, und ſieh! es kamen die Voͤgel und Thiere, Paar bey Paar. Liebkoſend buͤckten die Thiere ſich nieder; Und die Voͤgel ſtrichen vor mir die Fittichen. Jedes Nannt ich mit ſeinem Namen, ſo wie es vorbeygieng, und kannte Seine Natur; mit ſolcher Erkenntniß begabte der Schoͤpfer Meinen geſchwinden Verſtand. Jndeſſen fand ich darunter Dieß nicht, was mir beſtaͤndig, nach meinen Gedanken, noch fehlte, Und ich erkuͤhnte mich, ſo zur hohen Erſcheinung zu ſagen. O! mit welchen Namen k), — denn du biſt groͤßer, als alle, Groͤßer noch, als der Menſch; und alles, was ſonſt noch erhabner, Als der Menſch, iſt; wie ſoll ich dich nennen? ſie alle, die Namen Uebertriffſt du unendlich weir! Wie ſoll ich dich, Schoͤpfer Dieſes Ganzen — Dich, Geber ſo vieler unendlichen Guͤter, Die du den Menſchen geſchenkt, — wie Dich anbethen? So reichlich Haſt du in allem fuͤr ihn zu ſeinem Wohlſeyn geſorget; Aber nur ſeh ich hier kein Geſchoͤpf, das mit mir es theilte! Kann wohl ein Gluͤck in der Einſamkeit ſeyn? Kann jemand wohl etwas Fuͤr k) Warburton hat hieraus ſchließen wollen, daß Adam noch keine Kenntniß von Gott gehabt; Herr Wieland aber zeigt deutlich, wie jeder Leſer gleich ein- ſehn wird, daß eben deswegen, weil Adam keinen wuͤrdigen Namen fuͤr das hoͤchſte Weſen finden zu koͤnnen glaubte, er das Weſen ſeines Schoͤpfers ſehr wohl gekannt. Z.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/68
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/68>, abgerufen am 05.12.2024.