Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
295Dessen innere Schilderung brachte mich auf die Gedanken,
Daß ich wirklich noch sey, und noch lebe. Von göttlichem Ansehn
Kam, so dünkte mich, jemand, und sprach: Auf! Adam, erwache!
Deine Wohnung wartet auf dich, o Erster der Menschen,
Du, o bestimmter erster Vater unzähliger Mengen;
300Von dir gerufen, komm ich, dich zu dem Garten zu bringen,

Zu dem Garten der Wonne, der dir zur Wohnung bestimmt ist.
Also sprach er; und faßte mich drauf bey der Hand, und erhub mich;
Und ich schlüpfte mit ihm sanft über Wasser und Felder,
Wie in der Luft fort, ohne zu gehn. Er führte mich endlich
305Auf ein waldicht Gebirge hinauf; sein Gipfel war eben,

Weit im Umfang, bepflanzt mit den herrlichsten Bäumen; mit Gängen
Und mit schattichten Lauben versehn, daß, was ich auf Erden
Erst gesehn, kaum reizend noch schien. Jedweder der Bäume
Mit den herrlichsten Früchten beladen, die vor mir versuchend
310Hiengen, reizte sogleich in mir die Begierde, zu pflücken,

Und zu essen. Hierüber erwacht ich, und fand, daß es alles
Völlig wahr sey, was mir der Traum so lebhaft geschildert.
Und hier hätt' ich aufs neu herum zu wandern begonnen,
Wäre mein Führer mir nicht, der hier herauf mich geleitet,
315Fernher unter den Bäumen erschienen; ein göttlicher Anblick!

Fröhlich, aber mit ruhiger Ehrfurcht, und tiefanbethend,
Fiel ich nieder vor ihm, er erhub mich, und sagte mir gnädig:
Der, den du suchest, bin Jch! Jch bin der Schöpfer von allem,
Was du über dir, rund um dich her, und unter dir siehest.
320Dir, dir geb ich dieß Paradies, dein Eigenthum! Bau es,

Und

Das verlohrne Paradies.
295Deſſen innere Schilderung brachte mich auf die Gedanken,
Daß ich wirklich noch ſey, und noch lebe. Von goͤttlichem Anſehn
Kam, ſo duͤnkte mich, jemand, und ſprach: Auf! Adam, erwache!
Deine Wohnung wartet auf dich, o Erſter der Menſchen,
Du, o beſtimmter erſter Vater unzaͤhliger Mengen;
300Von dir gerufen, komm ich, dich zu dem Garten zu bringen,

Zu dem Garten der Wonne, der dir zur Wohnung beſtimmt iſt.
Alſo ſprach er; und faßte mich drauf bey der Hand, und erhub mich;
Und ich ſchluͤpfte mit ihm ſanft uͤber Waſſer und Felder,
Wie in der Luft fort, ohne zu gehn. Er fuͤhrte mich endlich
305Auf ein waldicht Gebirge hinauf; ſein Gipfel war eben,

Weit im Umfang, bepflanzt mit den herrlichſten Baͤumen; mit Gaͤngen
Und mit ſchattichten Lauben verſehn, daß, was ich auf Erden
Erſt geſehn, kaum reizend noch ſchien. Jedweder der Baͤume
Mit den herrlichſten Fruͤchten beladen, die vor mir verſuchend
310Hiengen, reizte ſogleich in mir die Begierde, zu pfluͤcken,

Und zu eſſen. Hieruͤber erwacht ich, und fand, daß es alles
Voͤllig wahr ſey, was mir der Traum ſo lebhaft geſchildert.
Und hier haͤtt’ ich aufs neu herum zu wandern begonnen,
Waͤre mein Fuͤhrer mir nicht, der hier herauf mich geleitet,
315Fernher unter den Baͤumen erſchienen; ein goͤttlicher Anblick!

Froͤhlich, aber mit ruhiger Ehrfurcht, und tiefanbethend,
Fiel ich nieder vor ihm, er erhub mich, und ſagte mir gnaͤdig:
Der, den du ſucheſt, bin Jch! Jch bin der Schoͤpfer von allem,
Was du uͤber dir, rund um dich her, und unter dir ſieheſt.
320Dir, dir geb ich dieß Paradies, dein Eigenthum! Bau es,

Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="7">
            <l><pb facs="#f0066" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi></fw><lb/><note place="left">295</note>De&#x017F;&#x017F;en innere Schilderung brachte mich auf die Gedanken,</l><lb/>
            <l>Daß ich wirklich noch &#x017F;ey, und noch lebe. Von go&#x0364;ttlichem An&#x017F;ehn</l><lb/>
            <l>Kam, &#x017F;o du&#x0364;nkte mich, jemand, und &#x017F;prach: Auf! <hi rendition="#fr">Adam,</hi> erwache!</l><lb/>
            <l>Deine Wohnung wartet auf dich, o Er&#x017F;ter der Men&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Du, o be&#x017F;timmter er&#x017F;ter Vater unza&#x0364;hliger Mengen;<lb/><note place="left">300</note>Von dir gerufen, komm ich, dich zu dem Garten zu bringen,</l><lb/>
            <l>Zu dem Garten der Wonne, der dir zur Wohnung be&#x017F;timmt i&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;prach er; und faßte mich drauf bey der Hand, und erhub mich;</l><lb/>
            <l>Und ich &#x017F;chlu&#x0364;pfte mit ihm &#x017F;anft u&#x0364;ber Wa&#x017F;&#x017F;er und Felder,</l><lb/>
            <l>Wie in der Luft fort, ohne zu gehn. Er fu&#x0364;hrte mich endlich<lb/><note place="left">305</note>Auf ein waldicht Gebirge hinauf; &#x017F;ein Gipfel war eben,</l><lb/>
            <l>Weit im Umfang, bepflanzt mit den herrlich&#x017F;ten Ba&#x0364;umen; mit Ga&#x0364;ngen</l><lb/>
            <l>Und mit &#x017F;chattichten Lauben ver&#x017F;ehn, daß, was ich auf Erden</l><lb/>
            <l>Er&#x017F;t ge&#x017F;ehn, kaum reizend noch &#x017F;chien. Jedweder der Ba&#x0364;ume</l><lb/>
            <l>Mit den herrlich&#x017F;ten Fru&#x0364;chten beladen, die vor mir ver&#x017F;uchend<lb/><note place="left">310</note>Hiengen, reizte &#x017F;ogleich in mir die Begierde, zu pflu&#x0364;cken,</l><lb/>
            <l>Und zu e&#x017F;&#x017F;en. Hieru&#x0364;ber erwacht ich, und fand, daß es alles</l><lb/>
            <l>Vo&#x0364;llig wahr &#x017F;ey, was mir der Traum &#x017F;o lebhaft ge&#x017F;childert.</l><lb/>
            <l>Und hier ha&#x0364;tt&#x2019; ich aufs neu herum zu wandern begonnen,</l><lb/>
            <l>Wa&#x0364;re mein Fu&#x0364;hrer mir nicht, der hier herauf mich geleitet,<lb/><note place="left">315</note>Fernher unter den Ba&#x0364;umen er&#x017F;chienen; ein go&#x0364;ttlicher Anblick!</l><lb/>
            <l>Fro&#x0364;hlich, aber mit ruhiger Ehrfurcht, und tiefanbethend,</l><lb/>
            <l>Fiel ich nieder vor ihm, er erhub mich, und &#x017F;agte mir gna&#x0364;dig:</l><lb/>
            <l>Der, den du &#x017F;uche&#x017F;t, bin Jch! Jch bin der Scho&#x0364;pfer von allem,</l><lb/>
            <l>Was du u&#x0364;ber dir, rund um dich her, und unter dir &#x017F;iehe&#x017F;t.<lb/><note place="left">320</note>Dir, dir geb ich dieß Paradies, dein Eigenthum! Bau es,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0066] Das verlohrne Paradies. Deſſen innere Schilderung brachte mich auf die Gedanken, Daß ich wirklich noch ſey, und noch lebe. Von goͤttlichem Anſehn Kam, ſo duͤnkte mich, jemand, und ſprach: Auf! Adam, erwache! Deine Wohnung wartet auf dich, o Erſter der Menſchen, Du, o beſtimmter erſter Vater unzaͤhliger Mengen; Von dir gerufen, komm ich, dich zu dem Garten zu bringen, Zu dem Garten der Wonne, der dir zur Wohnung beſtimmt iſt. Alſo ſprach er; und faßte mich drauf bey der Hand, und erhub mich; Und ich ſchluͤpfte mit ihm ſanft uͤber Waſſer und Felder, Wie in der Luft fort, ohne zu gehn. Er fuͤhrte mich endlich Auf ein waldicht Gebirge hinauf; ſein Gipfel war eben, Weit im Umfang, bepflanzt mit den herrlichſten Baͤumen; mit Gaͤngen Und mit ſchattichten Lauben verſehn, daß, was ich auf Erden Erſt geſehn, kaum reizend noch ſchien. Jedweder der Baͤume Mit den herrlichſten Fruͤchten beladen, die vor mir verſuchend Hiengen, reizte ſogleich in mir die Begierde, zu pfluͤcken, Und zu eſſen. Hieruͤber erwacht ich, und fand, daß es alles Voͤllig wahr ſey, was mir der Traum ſo lebhaft geſchildert. Und hier haͤtt’ ich aufs neu herum zu wandern begonnen, Waͤre mein Fuͤhrer mir nicht, der hier herauf mich geleitet, Fernher unter den Baͤumen erſchienen; ein goͤttlicher Anblick! Froͤhlich, aber mit ruhiger Ehrfurcht, und tiefanbethend, Fiel ich nieder vor ihm, er erhub mich, und ſagte mir gnaͤdig: Der, den du ſucheſt, bin Jch! Jch bin der Schoͤpfer von allem, Was du uͤber dir, rund um dich her, und unter dir ſieheſt. Dir, dir geb ich dieß Paradies, dein Eigenthum! Bau es, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/66
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/66>, abgerufen am 05.12.2024.