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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Achter Gesang.

Und ich redte sogleich; die Zunge gehorchte mir; fertig
Konnte sie nennen, was sie nur sah. Du, sprach ich, o Sonne,
275Herrliches Licht! -- und du, o hellerleuchtete Erde,

Die du so lachend und frisch umhersichst. Hügel, und Thäler,
Jhr, ihr Ströme, Wälder und Ebnen, und ihr, die ihr lebet,
Und euch bewegt, ihr schönen Geschöpfe! sagt, wenn ihrs gesehn habt,
Sagt, wie ward ich so [Spaltenumbruch] i), wie kam ich hieher? durch mich selber:
280Nein! unstreitig demnach durch einen erhabenen Schöpfer,

Der an Güt' und an Macht ausnehmend ist. Sagt mir, wie kann ich
Jhn erkennen? wie ihn anbethen? von dem ich es habe,
Daß ich mich so bewege, so lebe; durch den ich es fühle,
Daß ich glücklicher bin, als ich weiß! -- Da ich so im Entzücken
285Rief, und ohne zu wissen, wohin ich wandelte, fernweg

Von dem Orte gerieth, wo ich am ersten geathmet,
Und zuerst dieß glückliche Licht erblicket, und da ich
Nirgendher Antwort bekam, setzt ich mich in tiefen Gedanken
Nieder auf eine schattichte Bank, mit schimmernden Blumen
290Prächtig gestickt. Hier fand mich zuerst der erquickende, süße

Schlaf; mit sanfter Gewalt befiel er die schlummernden Sinnen,
Ohne Widrigkeit, ob ich gleich dachte, nun würde mein Wesen
Jn den ersten fühllosen Zustand zurücke kehren,
Und zerfließen. Doch plötzlich stand mir ein Traumbild zum Haupte,

Dessen
i) Kein Stück in dem ganzen Gedichte
kann den Leser zu größerer Aufmerksam-
keit reizen, als diese Erzählung unsers
großen Stammvaters, und nichts kann
uns auf eine angenehmere Art einnehmen,
[Spaltenumbruch] als wenn wir hören, was für Gedanken
bey dem ersten Menschen aufstiegen, da
er erst eben neugeschaffen aus der Hand
seines Schöpfers kam. Addison.

Achter Geſang.

Und ich redte ſogleich; die Zunge gehorchte mir; fertig
Konnte ſie nennen, was ſie nur ſah. Du, ſprach ich, o Sonne,
275Herrliches Licht! — und du, o hellerleuchtete Erde,

Die du ſo lachend und friſch umherſichſt. Huͤgel, und Thaͤler,
Jhr, ihr Stroͤme, Waͤlder und Ebnen, und ihr, die ihr lebet,
Und euch bewegt, ihr ſchoͤnen Geſchoͤpfe! ſagt, wenn ihrs geſehn habt,
Sagt, wie ward ich ſo [Spaltenumbruch] i), wie kam ich hieher? durch mich ſelber:
280Nein! unſtreitig demnach durch einen erhabenen Schoͤpfer,

Der an Guͤt’ und an Macht ausnehmend iſt. Sagt mir, wie kann ich
Jhn erkennen? wie ihn anbethen? von dem ich es habe,
Daß ich mich ſo bewege, ſo lebe; durch den ich es fuͤhle,
Daß ich gluͤcklicher bin, als ich weiß! — Da ich ſo im Entzuͤcken
285Rief, und ohne zu wiſſen, wohin ich wandelte, fernweg

Von dem Orte gerieth, wo ich am erſten geathmet,
Und zuerſt dieß gluͤckliche Licht erblicket, und da ich
Nirgendher Antwort bekam, ſetzt ich mich in tiefen Gedanken
Nieder auf eine ſchattichte Bank, mit ſchimmernden Blumen
290Praͤchtig geſtickt. Hier fand mich zuerſt der erquickende, ſuͤße

Schlaf; mit ſanfter Gewalt befiel er die ſchlummernden Sinnen,
Ohne Widrigkeit, ob ich gleich dachte, nun wuͤrde mein Weſen
Jn den erſten fuͤhlloſen Zuſtand zuruͤcke kehren,
Und zerfließen. Doch ploͤtzlich ſtand mir ein Traumbild zum Haupte,

Deſſen
i) Kein Stuͤck in dem ganzen Gedichte
kann den Leſer zu groͤßerer Aufmerkſam-
keit reizen, als dieſe Erzaͤhlung unſers
großen Stammvaters, und nichts kann
uns auf eine angenehmere Art einnehmen,
[Spaltenumbruch] als wenn wir hoͤren, was fuͤr Gedanken
bey dem erſten Menſchen aufſtiegen, da
er erſt eben neugeſchaffen aus der Hand
ſeines Schoͤpfers kam. Addiſon.
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[47/0065] Achter Geſang. Und ich redte ſogleich; die Zunge gehorchte mir; fertig Konnte ſie nennen, was ſie nur ſah. Du, ſprach ich, o Sonne, Herrliches Licht! — und du, o hellerleuchtete Erde, Die du ſo lachend und friſch umherſichſt. Huͤgel, und Thaͤler, Jhr, ihr Stroͤme, Waͤlder und Ebnen, und ihr, die ihr lebet, Und euch bewegt, ihr ſchoͤnen Geſchoͤpfe! ſagt, wenn ihrs geſehn habt, Sagt, wie ward ich ſo i), wie kam ich hieher? durch mich ſelber: Nein! unſtreitig demnach durch einen erhabenen Schoͤpfer, Der an Guͤt’ und an Macht ausnehmend iſt. Sagt mir, wie kann ich Jhn erkennen? wie ihn anbethen? von dem ich es habe, Daß ich mich ſo bewege, ſo lebe; durch den ich es fuͤhle, Daß ich gluͤcklicher bin, als ich weiß! — Da ich ſo im Entzuͤcken Rief, und ohne zu wiſſen, wohin ich wandelte, fernweg Von dem Orte gerieth, wo ich am erſten geathmet, Und zuerſt dieß gluͤckliche Licht erblicket, und da ich Nirgendher Antwort bekam, ſetzt ich mich in tiefen Gedanken Nieder auf eine ſchattichte Bank, mit ſchimmernden Blumen Praͤchtig geſtickt. Hier fand mich zuerſt der erquickende, ſuͤße Schlaf; mit ſanfter Gewalt befiel er die ſchlummernden Sinnen, Ohne Widrigkeit, ob ich gleich dachte, nun wuͤrde mein Weſen Jn den erſten fuͤhlloſen Zuſtand zuruͤcke kehren, Und zerfließen. Doch ploͤtzlich ſtand mir ein Traumbild zum Haupte, Deſſen i) Kein Stuͤck in dem ganzen Gedichte kann den Leſer zu groͤßerer Aufmerkſam- keit reizen, als dieſe Erzaͤhlung unſers großen Stammvaters, und nichts kann uns auf eine angenehmere Art einnehmen, als wenn wir hoͤren, was fuͤr Gedanken bey dem erſten Menſchen aufſtiegen, da er erſt eben neugeſchaffen aus der Hand ſeines Schoͤpfers kam. Addiſon.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/65>, abgerufen am 05.12.2024.