Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Jn jedweder Kugel erfüllt ist. Denn zweifelhaft ist es,
Daß ein so großer Raum, von nichts Lebendgem bewohnet,
Wüst und verlassen steh, zum Stralen allein nur bestimmet,
160Da doch jegliche Kugel bloß einen Schimmer von Lichte

Einen so fernen Weg zur Erde herunter sendet,
Die aufs neue zurück es wirft. So sey es; vielleicht auch
Anders; die herrschende laufende Sonne geh über der Erd' auf,
Oder der Erdball über der Sonne; die wandernde Sonne
165Nehme den flammenden Weg von Osten her, oder die Erde

Nehm' aus Westen den Lauf, mit stillem schlafenden Schritte,
Welche sich unerschüttert, und sanft um die Axe herumdreht
Und zugleich mit der Luft dich fortbeweget: so hast du
Ueber verborgene Dinge dir nicht Gedanken zu machen.
170Laß die Sorge dafür dem großen Schöpfer; Jhn fürchte,

Und ihm diene! Laß ihn, mit seinen andern Geschöpfen,
Wo sie von ihm auch hingesetzt sind, nach seinem Gefallen
Handeln. Erfreu dich an dem, was dir geschenkt ist, an diesem
Herrlichen glücklichen Eden, und deiner reizenden Eva.
175Dir ist der Himmel zu hoch, um, was drinn vorgeht, zu wissen,

Sey mit Demuth weise; was dich, und dein eigenes Wesen
Angeht, drauf denk allein, und bilde von anderen Welten
Keine Träume dir ein, was für Geschöpfe da wohnen,
Und in was für Stand, und Würden, und Graden sie leben.
180Sey zufrieden damit, daß dir so vieles enthüllt ist,

Von der Erde nicht nur, selbst von dem höhesten Himmel.

Adam,

Das verlohrne Paradies.

Jn jedweder Kugel erfuͤllt iſt. Denn zweifelhaft iſt es,
Daß ein ſo großer Raum, von nichts Lebendgem bewohnet,
Wuͤſt und verlaſſen ſteh, zum Stralen allein nur beſtimmet,
160Da doch jegliche Kugel bloß einen Schimmer von Lichte

Einen ſo fernen Weg zur Erde herunter ſendet,
Die aufs neue zuruͤck es wirft. So ſey es; vielleicht auch
Anders; die herrſchende laufende Sonne geh uͤber der Erd’ auf,
Oder der Erdball uͤber der Sonne; die wandernde Sonne
165Nehme den flammenden Weg von Oſten her, oder die Erde

Nehm’ aus Weſten den Lauf, mit ſtillem ſchlafenden Schritte,
Welche ſich unerſchuͤttert, und ſanft um die Axe herumdreht
Und zugleich mit der Luft dich fortbeweget: ſo haſt du
Ueber verborgene Dinge dir nicht Gedanken zu machen.
170Laß die Sorge dafuͤr dem großen Schoͤpfer; Jhn fuͤrchte,

Und ihm diene! Laß ihn, mit ſeinen andern Geſchoͤpfen,
Wo ſie von ihm auch hingeſetzt ſind, nach ſeinem Gefallen
Handeln. Erfreu dich an dem, was dir geſchenkt iſt, an dieſem
Herrlichen gluͤcklichen Eden, und deiner reizenden Eva.
175Dir iſt der Himmel zu hoch, um, was drinn vorgeht, zu wiſſen,

Sey mit Demuth weiſe; was dich, und dein eigenes Weſen
Angeht, drauf denk allein, und bilde von anderen Welten
Keine Traͤume dir ein, was fuͤr Geſchoͤpfe da wohnen,
Und in was fuͤr Stand, und Wuͤrden, und Graden ſie leben.
180Sey zufrieden damit, daß dir ſo vieles enthuͤllt iſt,

Von der Erde nicht nur, ſelbſt von dem hoͤheſten Himmel.

Adam,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="4">
            <l>
              <pb facs="#f0060" n="42"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Jn jedweder Kugel erfu&#x0364;llt i&#x017F;t. Denn zweifelhaft i&#x017F;t es,</l><lb/>
            <l>Daß ein &#x017F;o großer Raum, von nichts Lebendgem bewohnet,</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;&#x017F;t und verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;teh, zum Stralen allein nur be&#x017F;timmet,<lb/><note place="left">160</note>Da doch jegliche Kugel bloß einen Schimmer von Lichte</l><lb/>
            <l>Einen &#x017F;o fernen Weg zur Erde herunter &#x017F;endet,</l><lb/>
            <l>Die aufs neue zuru&#x0364;ck es wirft. So &#x017F;ey es; vielleicht auch</l><lb/>
            <l>Anders; die herr&#x017F;chende laufende Sonne geh u&#x0364;ber der Erd&#x2019; auf,</l><lb/>
            <l>Oder der Erdball u&#x0364;ber der Sonne; die wandernde Sonne<lb/><note place="left">165</note>Nehme den flammenden Weg von O&#x017F;ten her, oder die Erde</l><lb/>
            <l>Nehm&#x2019; aus We&#x017F;ten den Lauf, mit &#x017F;tillem &#x017F;chlafenden Schritte,</l><lb/>
            <l>Welche &#x017F;ich uner&#x017F;chu&#x0364;ttert, und &#x017F;anft um die Axe herumdreht</l><lb/>
            <l>Und zugleich mit der Luft dich fortbeweget: &#x017F;o ha&#x017F;t du</l><lb/>
            <l>Ueber verborgene Dinge dir nicht Gedanken zu machen.<lb/><note place="left">170</note>Laß die Sorge dafu&#x0364;r dem großen Scho&#x0364;pfer; Jhn fu&#x0364;rchte,</l><lb/>
            <l>Und ihm diene! Laß ihn, mit &#x017F;einen andern Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;ie von ihm auch hinge&#x017F;etzt &#x017F;ind, nach &#x017F;einem Gefallen</l><lb/>
            <l>Handeln. Erfreu dich an dem, was dir ge&#x017F;chenkt i&#x017F;t, an die&#x017F;em</l><lb/>
            <l>Herrlichen glu&#x0364;cklichen <hi rendition="#fr">Eden,</hi> und deiner reizenden <hi rendition="#fr">Eva.</hi><lb/><note place="left">175</note>Dir i&#x017F;t der Himmel zu hoch, um, was drinn vorgeht, zu wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Sey mit Demuth wei&#x017F;e; was dich, und dein eigenes We&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Angeht, drauf denk allein, und bilde von anderen Welten</l><lb/>
            <l>Keine Tra&#x0364;ume dir ein, was fu&#x0364;r Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe da wohnen,</l><lb/>
            <l>Und in was fu&#x0364;r Stand, und Wu&#x0364;rden, und Graden &#x017F;ie leben.<lb/><note place="left">180</note>Sey zufrieden damit, daß dir &#x017F;o vieles enthu&#x0364;llt i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Von der Erde nicht nur, &#x017F;elb&#x017F;t von dem ho&#x0364;he&#x017F;ten Himmel.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Adam,</hi> </fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0060] Das verlohrne Paradies. Jn jedweder Kugel erfuͤllt iſt. Denn zweifelhaft iſt es, Daß ein ſo großer Raum, von nichts Lebendgem bewohnet, Wuͤſt und verlaſſen ſteh, zum Stralen allein nur beſtimmet, Da doch jegliche Kugel bloß einen Schimmer von Lichte Einen ſo fernen Weg zur Erde herunter ſendet, Die aufs neue zuruͤck es wirft. So ſey es; vielleicht auch Anders; die herrſchende laufende Sonne geh uͤber der Erd’ auf, Oder der Erdball uͤber der Sonne; die wandernde Sonne Nehme den flammenden Weg von Oſten her, oder die Erde Nehm’ aus Weſten den Lauf, mit ſtillem ſchlafenden Schritte, Welche ſich unerſchuͤttert, und ſanft um die Axe herumdreht Und zugleich mit der Luft dich fortbeweget: ſo haſt du Ueber verborgene Dinge dir nicht Gedanken zu machen. Laß die Sorge dafuͤr dem großen Schoͤpfer; Jhn fuͤrchte, Und ihm diene! Laß ihn, mit ſeinen andern Geſchoͤpfen, Wo ſie von ihm auch hingeſetzt ſind, nach ſeinem Gefallen Handeln. Erfreu dich an dem, was dir geſchenkt iſt, an dieſem Herrlichen gluͤcklichen Eden, und deiner reizenden Eva. Dir iſt der Himmel zu hoch, um, was drinn vorgeht, zu wiſſen, Sey mit Demuth weiſe; was dich, und dein eigenes Weſen Angeht, drauf denk allein, und bilde von anderen Welten Keine Traͤume dir ein, was fuͤr Geſchoͤpfe da wohnen, Und in was fuͤr Stand, und Wuͤrden, und Graden ſie leben. Sey zufrieden damit, daß dir ſo vieles enthuͤllt iſt, Von der Erde nicht nur, ſelbſt von dem hoͤheſten Himmel. Adam,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/60
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/60>, abgerufen am 04.05.2024.