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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Achter Gesang.

Schnelle bewegende Nad [Spaltenumbruch] c), das unsichtbar über den Sphären
Durch sein Herumdrehn den Tag und die Nacht verursacht. Doch hast du
140Dieses zu glauben nicht nöthig, wenn die umwandelnde Erde

Selber in Osten den Tag sich hohlt, und der Nacht mit dem Theile,
Der vom Sonnenlicht abgekehrt ist, begegnet; indem sie
Mit den andern Theilen vom Stral der Sonnen erhellt ist.
Wie? wenn dieses Licht, das aus so großer Entfernung
145Durch die weite heitere Luft herunter gelanget,

Diesem irdischen Mond, gleich einem Sterne, bey Tage
Schiene, wie dieser der Erde bey Nacht? Und dieses geschähe
Wechselsweise, wenn Land und Gefild und Bewohner dort wären.
Seine Flecken erblickst du, wie Wolken d); es können die Wolken
150Regnen, und wenn sich das Land vom Regen erweicht hat, so kann es

Früchte tragen, für die, die dorten wohnen, zur Speise.
Und vielleicht entdeckest du einst mit schärferen Blicken
Noch mehr andere Sonnen, mit ihren begleitenden Monden,
Welche das männlich' und weibliche Licht e), zu des Ganzen Befruchtung,
155Mit einander vermischen; denn diese zwey großen Geschlechter

Geben das Leben der Welt, die vielleicht mit etwas, das lebet,

Jn
c) So nennt Milton das primum mo-
bile
der alten Astronomie; dieß war eine
eingebildete Sphäre über alle andern
Sphären der Planeten und Fixsterne,
welche die erste ursprüngliche Bewegung
in sich besaß, und sie durch ihre Geschwin-
digkeit allen den andern Sphären mit-
theilte. N.
d) Unser Dichter scheint die Flecken
im Monde für Wolken und Dünste zu
[Spaltenumbruch] halten; es ist aber wahrscheinlicher, daß
es große Seen und Meere sind, weil sie,
wenn es Wolken seyn sollten, nicht im-
mer auf einer gewissen Stelle sich zeigen
würden. N.
e) Nach der alten Astronomie, da man
der Sonne ein männliches, und dem
Monde ein sanftes weibliches Licht zu-
schrieb. N.
II. Theil. F

Achter Geſang.

Schnelle bewegende Nad [Spaltenumbruch] c), das unſichtbar uͤber den Sphaͤren
Durch ſein Herumdrehn den Tag und die Nacht verurſacht. Doch haſt du
140Dieſes zu glauben nicht noͤthig, wenn die umwandelnde Erde

Selber in Oſten den Tag ſich hohlt, und der Nacht mit dem Theile,
Der vom Sonnenlicht abgekehrt iſt, begegnet; indem ſie
Mit den andern Theilen vom Stral der Sonnen erhellt iſt.
Wie? wenn dieſes Licht, das aus ſo großer Entfernung
145Durch die weite heitere Luft herunter gelanget,

Dieſem irdiſchen Mond, gleich einem Sterne, bey Tage
Schiene, wie dieſer der Erde bey Nacht? Und dieſes geſchaͤhe
Wechſelsweiſe, wenn Land und Gefild und Bewohner dort waͤren.
Seine Flecken erblickſt du, wie Wolken d); es koͤnnen die Wolken
150Regnen, und wenn ſich das Land vom Regen erweicht hat, ſo kann es

Fruͤchte tragen, fuͤr die, die dorten wohnen, zur Speiſe.
Und vielleicht entdeckeſt du einſt mit ſchaͤrferen Blicken
Noch mehr andere Sonnen, mit ihren begleitenden Monden,
Welche das maͤnnlich’ und weibliche Licht e), zu des Ganzen Befruchtung,
155Mit einander vermiſchen; denn dieſe zwey großen Geſchlechter

Geben das Leben der Welt, die vielleicht mit etwas, das lebet,

Jn
c) So nennt Milton das primum mo-
bile
der alten Aſtronomie; dieß war eine
eingebildete Sphaͤre uͤber alle andern
Sphaͤren der Planeten und Fixſterne,
welche die erſte urſpruͤngliche Bewegung
in ſich beſaß, und ſie durch ihre Geſchwin-
digkeit allen den andern Sphaͤren mit-
theilte. N.
d) Unſer Dichter ſcheint die Flecken
im Monde fuͤr Wolken und Duͤnſte zu
[Spaltenumbruch] halten; es iſt aber wahrſcheinlicher, daß
es große Seen und Meere ſind, weil ſie,
wenn es Wolken ſeyn ſollten, nicht im-
mer auf einer gewiſſen Stelle ſich zeigen
wuͤrden. N.
e) Nach der alten Aſtronomie, da man
der Sonne ein maͤnnliches, und dem
Monde ein ſanftes weibliches Licht zu-
ſchrieb. N.
II. Theil. F
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[41/0059] Achter Geſang. Schnelle bewegende Nad c), das unſichtbar uͤber den Sphaͤren Durch ſein Herumdrehn den Tag und die Nacht verurſacht. Doch haſt du Dieſes zu glauben nicht noͤthig, wenn die umwandelnde Erde Selber in Oſten den Tag ſich hohlt, und der Nacht mit dem Theile, Der vom Sonnenlicht abgekehrt iſt, begegnet; indem ſie Mit den andern Theilen vom Stral der Sonnen erhellt iſt. Wie? wenn dieſes Licht, das aus ſo großer Entfernung Durch die weite heitere Luft herunter gelanget, Dieſem irdiſchen Mond, gleich einem Sterne, bey Tage Schiene, wie dieſer der Erde bey Nacht? Und dieſes geſchaͤhe Wechſelsweiſe, wenn Land und Gefild und Bewohner dort waͤren. Seine Flecken erblickſt du, wie Wolken d); es koͤnnen die Wolken Regnen, und wenn ſich das Land vom Regen erweicht hat, ſo kann es Fruͤchte tragen, fuͤr die, die dorten wohnen, zur Speiſe. Und vielleicht entdeckeſt du einſt mit ſchaͤrferen Blicken Noch mehr andere Sonnen, mit ihren begleitenden Monden, Welche das maͤnnlich’ und weibliche Licht e), zu des Ganzen Befruchtung, Mit einander vermiſchen; denn dieſe zwey großen Geſchlechter Geben das Leben der Welt, die vielleicht mit etwas, das lebet, Jn c) So nennt Milton das primum mo- bile der alten Aſtronomie; dieß war eine eingebildete Sphaͤre uͤber alle andern Sphaͤren der Planeten und Fixſterne, welche die erſte urſpruͤngliche Bewegung in ſich beſaß, und ſie durch ihre Geſchwin- digkeit allen den andern Sphaͤren mit- theilte. N. d) Unſer Dichter ſcheint die Flecken im Monde fuͤr Wolken und Duͤnſte zu halten; es iſt aber wahrſcheinlicher, daß es große Seen und Meere ſind, weil ſie, wenn es Wolken ſeyn ſollten, nicht im- mer auf einer gewiſſen Stelle ſich zeigen wuͤrden. N. e) Nach der alten Aſtronomie, da man der Sonne ein maͤnnliches, und dem Monde ein ſanftes weibliches Licht zu- ſchrieb. N. II. Theil. F

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/59>, abgerufen am 04.05.2024.