Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Daß du forschest und fragst, verdenk ich dir nicht. Denn der Himmel Jst wie ein Buch, das Gott dir selber eröffnet, darinnen Seine Wunder zu lesen, und Zeiten, Stunden, und Tage, 70Monden und Jahre, daraus zu sehn. Und dieß zu erlangen, Hast du nicht nöthig, zu wissen, ob sich die Erde beweget, Oder der Himmel allein; wenn deine Berechnung nicht irret. Alles andre hat Gott, der große Bauherr, den Engeln Und den Menschen weislich verhüllt, und seine Geheimniß' 75Jhnen nicht offenbart, damit sie von seinen Geschöpfen Nicht beurtheilt würden, da ihre viel größere Pflicht ist, Sie zu bewundern. Wofern sie indeß nachgrübelnd es wagen, Durch Vermuthung sie auszuspähn; so läßt er die Himmel Jhrem hitzigen Streit; ohnfehlbar, daß er des Stolzes, 80Und der thörichten Meynungen lache, wenn etwan in Zukunft Sie die Maaßen des Himmels bestimmen, die Sterne berechnen; Wenn er wahrnimmt, wie sie den großen Weltbau regieren; Wie sie bauen, und niederreissen, und alles ersinnen, Um die Erscheinungen nur der himmlischen Körper zu retten; 85Wie sie mit centrischen bald, bald mit excentrischen Kreisen; Und mit Cyklen und Epicyklen, mit Ringen in Ringen, Jhre
Daß du forſcheſt und fragſt, verdenk ich dir nicht. Denn der Himmel Jſt wie ein Buch, das Gott dir ſelber eroͤffnet, darinnen Seine Wunder zu leſen, und Zeiten, Stunden, und Tage, 70Monden und Jahre, daraus zu ſehn. Und dieß zu erlangen, Haſt du nicht noͤthig, zu wiſſen, ob ſich die Erde beweget, Oder der Himmel allein; wenn deine Berechnung nicht irret. Alles andre hat Gott, der große Bauherr, den Engeln Und den Menſchen weislich verhuͤllt, und ſeine Geheimniß’ 75Jhnen nicht offenbart, damit ſie von ſeinen Geſchoͤpfen Nicht beurtheilt wuͤrden, da ihre viel groͤßere Pflicht iſt, Sie zu bewundern. Wofern ſie indeß nachgruͤbelnd es wagen, Durch Vermuthung ſie auszuſpaͤhn; ſo laͤßt er die Himmel Jhrem hitzigen Streit; ohnfehlbar, daß er des Stolzes, 80Und der thoͤrichten Meynungen lache, wenn etwan in Zukunft Sie die Maaßen des Himmels beſtimmen, die Sterne berechnen; Wenn er wahrnimmt, wie ſie den großen Weltbau regieren; Wie ſie bauen, und niederreiſſen, und alles erſinnen, Um die Erſcheinungen nur der himmliſchen Koͤrper zu retten; 85Wie ſie mit centriſchen bald, bald mit excentriſchen Kreiſen; Und mit Cyklen und Epicyklen, mit Ringen in Ringen, Jhre
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <l> <pb facs="#f0056" n="38"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Siegender Grazien ward ſie umringt, die voller Verehrung</l><lb/> <l>Jhr, wie ihrer Koͤniginn, dienten; ſie ſchoſſen rund um ſie</l><lb/> <l>Pfeile von ſuͤßem Verlangen in aller Augen und Herzen,<lb/><note place="left">65</note>Daß man wuͤnſchte, ſie immer zu ſehn. — Und <hi rendition="#fr">Raphael</hi> gab itzt</l><lb/> <l>Huldreich und willig auf <hi rendition="#fr">Adams</hi> geaͤußerte Zweifel zur Antwort.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Daß du forſcheſt und fragſt, verdenk ich dir nicht. Denn der Himmel</l><lb/> <l>Jſt wie ein Buch, das Gott dir ſelber eroͤffnet, darinnen</l><lb/> <l>Seine Wunder zu leſen, und Zeiten, Stunden, und Tage,<lb/><note place="left">70</note>Monden und Jahre, daraus zu ſehn. Und dieß zu erlangen,</l><lb/> <l>Haſt du nicht noͤthig, zu wiſſen, ob ſich die Erde beweget,</l><lb/> <l>Oder der Himmel allein; wenn deine Berechnung nicht irret.</l><lb/> <l>Alles andre hat Gott, der große Bauherr, den Engeln</l><lb/> <l>Und den Menſchen weislich verhuͤllt, und ſeine Geheimniß’<lb/><note place="left">75</note>Jhnen nicht offenbart, damit ſie von ſeinen Geſchoͤpfen</l><lb/> <l>Nicht beurtheilt wuͤrden, da ihre viel groͤßere Pflicht iſt,</l><lb/> <l>Sie zu bewundern. Wofern ſie indeß nachgruͤbelnd es wagen,</l><lb/> <l>Durch Vermuthung ſie auszuſpaͤhn; ſo laͤßt er die Himmel</l><lb/> <l>Jhrem hitzigen Streit; ohnfehlbar, daß er des Stolzes,<lb/><note place="left">80</note>Und der thoͤrichten Meynungen lache, wenn etwan in Zukunft</l><lb/> <l>Sie die Maaßen des Himmels beſtimmen, die Sterne berechnen;</l><lb/> <l>Wenn er wahrnimmt, wie ſie den großen Weltbau regieren;</l><lb/> <l>Wie ſie bauen, und niederreiſſen, und alles erſinnen,</l><lb/> <l>Um die Erſcheinungen nur der himmliſchen Koͤrper zu retten;<lb/><note place="left">85</note>Wie ſie mit centriſchen bald, bald mit excentriſchen Kreiſen;</l><lb/> <l>Und mit Cyklen und Epicyklen, mit Ringen in Ringen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jhre</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [38/0056]
Das verlohrne Paradies.
Siegender Grazien ward ſie umringt, die voller Verehrung
Jhr, wie ihrer Koͤniginn, dienten; ſie ſchoſſen rund um ſie
Pfeile von ſuͤßem Verlangen in aller Augen und Herzen,
Daß man wuͤnſchte, ſie immer zu ſehn. — Und Raphael gab itzt
Huldreich und willig auf Adams geaͤußerte Zweifel zur Antwort.
Daß du forſcheſt und fragſt, verdenk ich dir nicht. Denn der Himmel
Jſt wie ein Buch, das Gott dir ſelber eroͤffnet, darinnen
Seine Wunder zu leſen, und Zeiten, Stunden, und Tage,
Monden und Jahre, daraus zu ſehn. Und dieß zu erlangen,
Haſt du nicht noͤthig, zu wiſſen, ob ſich die Erde beweget,
Oder der Himmel allein; wenn deine Berechnung nicht irret.
Alles andre hat Gott, der große Bauherr, den Engeln
Und den Menſchen weislich verhuͤllt, und ſeine Geheimniß’
Jhnen nicht offenbart, damit ſie von ſeinen Geſchoͤpfen
Nicht beurtheilt wuͤrden, da ihre viel groͤßere Pflicht iſt,
Sie zu bewundern. Wofern ſie indeß nachgruͤbelnd es wagen,
Durch Vermuthung ſie auszuſpaͤhn; ſo laͤßt er die Himmel
Jhrem hitzigen Streit; ohnfehlbar, daß er des Stolzes,
Und der thoͤrichten Meynungen lache, wenn etwan in Zukunft
Sie die Maaßen des Himmels beſtimmen, die Sterne berechnen;
Wenn er wahrnimmt, wie ſie den großen Weltbau regieren;
Wie ſie bauen, und niederreiſſen, und alles erſinnen,
Um die Erſcheinungen nur der himmliſchen Koͤrper zu retten;
Wie ſie mit centriſchen bald, bald mit excentriſchen Kreiſen;
Und mit Cyklen und Epicyklen, mit Ringen in Ringen,
Jhre
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |