Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilfter Gesang.

Sich den rühmlichen Namen der Söhne Gottes erwarben,
Werden unedel den Ruhm, den ihre Tugend verdiente,
Dem bezaubernden Reize der Atheistinnen opfern,
Die sie verführt; es schwimmen itzt die in Wollust und Freuden,
660Die nur allzugeraum in kurzem zu schwimmen verdammt sind;

Jauchzend lachen sie, aber die Welt muß über ihr Lachen
Eine Fluth von Thränen dafür lautjammernd vergießen.

Adam, der kurzen Freude beraubt, antwortet dem Engel:
O des Elends, der Schande! daß diese, welche noch kürzlich
665Fromm zu wandeln gestrebt, den Pfad der Tugend so plötzlich

Wieder verlassen, die schändlichen Wege des Lasters zu wandeln,
Oder, ermüdet, auf ihrem Wege zur Tugend erliegen!
Doch ich seh es zu sehr, das Unglück des Menschen hat immer
Eben den Schwung, als vorher, und es entspringet vom Weibe!
670
Es entspringt von der weibischen Feigheit des Mannes, (erwiedert
Michael drauf;) er sollte sein Recht durch höhere Gaben,

Und durch Weisheit, die er erhielt, standhafter behaupten.
Aber rüste dich itzt zu einer anderen Scene!
Er sah auf, und erblickte, vor seinem Auge verbreitet,
675Ein ansehnliches Land, mit Flecken und Dörfern; dazwischen

Städte voll Menschen mit hohen Pforten, und prangenden Thürmen,
Völker in blitzenden Waffen; kriegdrohende wilde Gesichter,
Riesen
C c 2

Eilfter Geſang.

Sich den ruͤhmlichen Namen der Soͤhne Gottes erwarben,
Werden unedel den Ruhm, den ihre Tugend verdiente,
Dem bezaubernden Reize der Atheiſtinnen opfern,
Die ſie verfuͤhrt; es ſchwimmen itzt die in Wolluſt und Freuden,
660Die nur allzugeraum in kurzem zu ſchwimmen verdammt ſind;

Jauchzend lachen ſie, aber die Welt muß uͤber ihr Lachen
Eine Fluth von Thraͤnen dafuͤr lautjammernd vergießen.

Adam, der kurzen Freude beraubt, antwortet dem Engel:
O des Elends, der Schande! daß dieſe, welche noch kuͤrzlich
665Fromm zu wandeln geſtrebt, den Pfad der Tugend ſo ploͤtzlich

Wieder verlaſſen, die ſchaͤndlichen Wege des Laſters zu wandeln,
Oder, ermuͤdet, auf ihrem Wege zur Tugend erliegen!
Doch ich ſeh es zu ſehr, das Ungluͤck des Menſchen hat immer
Eben den Schwung, als vorher, und es entſpringet vom Weibe!
670
Es entſpringt von der weibiſchen Feigheit des Mannes, (erwiedert
Michael drauf;) er ſollte ſein Recht durch hoͤhere Gaben,

Und durch Weisheit, die er erhielt, ſtandhafter behaupten.
Aber ruͤſte dich itzt zu einer anderen Scene!
Er ſah auf, und erblickte, vor ſeinem Auge verbreitet,
675Ein anſehnliches Land, mit Flecken und Doͤrfern; dazwiſchen

Staͤdte voll Menſchen mit hohen Pforten, und prangenden Thuͤrmen,
Voͤlker in blitzenden Waffen; kriegdrohende wilde Geſichter,
Rieſen
C c 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="38">
            <l>
              <pb facs="#f0227" n="203"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Eilfter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Sich den ru&#x0364;hmlichen Namen der So&#x0364;hne Gottes erwarben,</l><lb/>
            <l>Werden unedel den Ruhm, den ihre Tugend verdiente,</l><lb/>
            <l>Dem bezaubernden Reize der Athei&#x017F;tinnen opfern,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ie verfu&#x0364;hrt; es &#x017F;chwimmen itzt die in Wollu&#x017F;t und Freuden,<lb/><note place="left">660</note>Die nur allzugeraum in kurzem zu &#x017F;chwimmen verdammt &#x017F;ind;</l><lb/>
            <l>Jauchzend lachen &#x017F;ie, aber die Welt muß u&#x0364;ber ihr Lachen</l><lb/>
            <l>Eine Fluth von Thra&#x0364;nen dafu&#x0364;r lautjammernd vergießen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="39">
            <l><hi rendition="#fr">Adam,</hi> der kurzen Freude beraubt, antwortet dem Engel:</l><lb/>
            <l>O des Elends, der Schande! daß die&#x017F;e, welche noch ku&#x0364;rzlich<lb/><note place="left">665</note>Fromm zu wandeln ge&#x017F;trebt, den Pfad der Tugend &#x017F;o plo&#x0364;tzlich</l><lb/>
            <l>Wieder verla&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Wege des La&#x017F;ters zu wandeln,</l><lb/>
            <l>Oder, ermu&#x0364;det, auf ihrem Wege zur Tugend erliegen!</l><lb/>
            <l>Doch ich &#x017F;eh es zu &#x017F;ehr, das Unglu&#x0364;ck des Men&#x017F;chen hat immer</l><lb/>
            <l>Eben den Schwung, als vorher, und es ent&#x017F;pringet vom Weibe!</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">670</note>
          <lg n="40">
            <l>Es ent&#x017F;pringt von der weibi&#x017F;chen Feigheit des Mannes, (erwiedert<lb/><hi rendition="#fr">Michael</hi> drauf;) er &#x017F;ollte &#x017F;ein Recht durch ho&#x0364;here Gaben,</l><lb/>
            <l>Und durch Weisheit, die er erhielt, &#x017F;tandhafter behaupten.</l><lb/>
            <l>Aber ru&#x0364;&#x017F;te dich itzt zu einer anderen Scene!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="41">
            <l>Er &#x017F;ah auf, und erblickte, vor &#x017F;einem Auge verbreitet,<lb/><note place="left">675</note>Ein an&#x017F;ehnliches Land, mit Flecken und Do&#x0364;rfern; dazwi&#x017F;chen</l><lb/>
            <l>Sta&#x0364;dte voll Men&#x017F;chen mit hohen Pforten, und prangenden Thu&#x0364;rmen,</l><lb/>
            <l>Vo&#x0364;lker in blitzenden Waffen; kriegdrohende wilde Ge&#x017F;ichter,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Rie&#x017F;en</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0227] Eilfter Geſang. Sich den ruͤhmlichen Namen der Soͤhne Gottes erwarben, Werden unedel den Ruhm, den ihre Tugend verdiente, Dem bezaubernden Reize der Atheiſtinnen opfern, Die ſie verfuͤhrt; es ſchwimmen itzt die in Wolluſt und Freuden, Die nur allzugeraum in kurzem zu ſchwimmen verdammt ſind; Jauchzend lachen ſie, aber die Welt muß uͤber ihr Lachen Eine Fluth von Thraͤnen dafuͤr lautjammernd vergießen. Adam, der kurzen Freude beraubt, antwortet dem Engel: O des Elends, der Schande! daß dieſe, welche noch kuͤrzlich Fromm zu wandeln geſtrebt, den Pfad der Tugend ſo ploͤtzlich Wieder verlaſſen, die ſchaͤndlichen Wege des Laſters zu wandeln, Oder, ermuͤdet, auf ihrem Wege zur Tugend erliegen! Doch ich ſeh es zu ſehr, das Ungluͤck des Menſchen hat immer Eben den Schwung, als vorher, und es entſpringet vom Weibe! Es entſpringt von der weibiſchen Feigheit des Mannes, (erwiedert Michael drauf;) er ſollte ſein Recht durch hoͤhere Gaben, Und durch Weisheit, die er erhielt, ſtandhafter behaupten. Aber ruͤſte dich itzt zu einer anderen Scene! Er ſah auf, und erblickte, vor ſeinem Auge verbreitet, Ein anſehnliches Land, mit Flecken und Doͤrfern; dazwiſchen Staͤdte voll Menſchen mit hohen Pforten, und prangenden Thuͤrmen, Voͤlker in blitzenden Waffen; kriegdrohende wilde Geſichter, Rieſen C c 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/227
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/227>, abgerufen am 03.05.2024.