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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zehnter Gesang.
545Waren nunmehr in Schlangen verwandelt [Spaltenumbruch] q) , als Mitverbrecher
Seiner verwegenen That. Das Geräusch des Gezisches im Saale
War entsetzlich; es wimmelte drinnen von Ungeheuern,
Welche mit Kopf und Schwanz sich in einander verwickelt.
Skorpionen sah man, und Aspis, und Amphisbänen,
550Und den gehörnten Cerast, und Hydern; die schreckliche Dipsas,

Und die Ellops, fruchtbar und wild. So wimmelte vormals
Nicht der mit Gorgonischem Blute besudelte Boden,
Noch die Ophiusa im Meer. Doch Satan blieb immer
Unter ihnen der größte; zu einem scheuslichen Drachen
555Wuchs er bereits, viel scheuslicher noch und größer, als jener,

Welchen im Pythischen Thal die Sonn' aus Schlamme gezeuget,
Der entsetzliche Python. Es schien auch, daß er sein Ansehn
Ueber die andern alle behalten; sie folgten gehorsam
Jhm ins offene Feld; da standen die übrigen Schaaren
560Dieser vom Himmel gefallnen rebellischen Rotte, gewaffnet

Noch in Ordnung, und warteten hier mit großem Verlangen,
Jhr erhabenes Haupt in hohem Triumphe zu sehen.
Aber sie sahn ein andres Gesicht, verschlungene Haufen

Von
q) Ein französischer Journalist hat
unsern Dichter wegen dieser Verrwand-
lung der Teufel in Schlangen getadelt,
und diese Verwandlung für kindisch aus-
geben wollen. Nach meinem Urtheile
aber ist sie eine von den glücklichsten Er-
findungen im ganzen Gedichte. Denn da
Satan unter der Gestalt einer Schlange
die ersten Menschen betrogen, so hätte
[Spaltenumbruch] der Dichter zu seiner und der Teufel Ver-
wandlung nicht leicht etwas aussinnen
können, das sich besser dazu geschickt hät-
te. Er giebt indeß mit vieler Kunst auch
in dieser Verwandlung dem Satan einen
Vorzug, indem er ihn zu einem großen
Drachen werden läßt, der über alle die
andern hervorragt. Z.
II. Theil. T

Zehnter Geſang.
545Waren nunmehr in Schlangen verwandelt [Spaltenumbruch] q) , als Mitverbrecher
Seiner verwegenen That. Das Geraͤuſch des Geziſches im Saale
War entſetzlich; es wimmelte drinnen von Ungeheuern,
Welche mit Kopf und Schwanz ſich in einander verwickelt.
Skorpionen ſah man, und Aſpis, und Amphisbaͤnen,
550Und den gehoͤrnten Ceraſt, und Hydern; die ſchreckliche Dipſas,

Und die Ellops, fruchtbar und wild. So wimmelte vormals
Nicht der mit Gorgoniſchem Blute beſudelte Boden,
Noch die Ophiuſa im Meer. Doch Satan blieb immer
Unter ihnen der groͤßte; zu einem ſcheuslichen Drachen
555Wuchs er bereits, viel ſcheuslicher noch und groͤßer, als jener,

Welchen im Pythiſchen Thal die Sonn’ aus Schlamme gezeuget,
Der entſetzliche Python. Es ſchien auch, daß er ſein Anſehn
Ueber die andern alle behalten; ſie folgten gehorſam
Jhm ins offene Feld; da ſtanden die uͤbrigen Schaaren
560Dieſer vom Himmel gefallnen rebelliſchen Rotte, gewaffnet

Noch in Ordnung, und warteten hier mit großem Verlangen,
Jhr erhabenes Haupt in hohem Triumphe zu ſehen.
Aber ſie ſahn ein andres Geſicht, verſchlungene Haufen

Von
q) Ein franzoͤſiſcher Journaliſt hat
unſern Dichter wegen dieſer Verrwand-
lung der Teufel in Schlangen getadelt,
und dieſe Verwandlung fuͤr kindiſch aus-
geben wollen. Nach meinem Urtheile
aber iſt ſie eine von den gluͤcklichſten Er-
findungen im ganzen Gedichte. Denn da
Satan unter der Geſtalt einer Schlange
die erſten Menſchen betrogen, ſo haͤtte
[Spaltenumbruch] der Dichter zu ſeiner und der Teufel Ver-
wandlung nicht leicht etwas ausſinnen
koͤnnen, das ſich beſſer dazu geſchickt haͤt-
te. Er giebt indeß mit vieler Kunſt auch
in dieſer Verwandlung dem Satan einen
Vorzug, indem er ihn zu einem großen
Drachen werden laͤßt, der uͤber alle die
andern hervorragt. Z.
II. Theil. T
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[145/0167] Zehnter Geſang. Waren nunmehr in Schlangen verwandelt q) , als Mitverbrecher Seiner verwegenen That. Das Geraͤuſch des Geziſches im Saale War entſetzlich; es wimmelte drinnen von Ungeheuern, Welche mit Kopf und Schwanz ſich in einander verwickelt. Skorpionen ſah man, und Aſpis, und Amphisbaͤnen, Und den gehoͤrnten Ceraſt, und Hydern; die ſchreckliche Dipſas, Und die Ellops, fruchtbar und wild. So wimmelte vormals Nicht der mit Gorgoniſchem Blute beſudelte Boden, Noch die Ophiuſa im Meer. Doch Satan blieb immer Unter ihnen der groͤßte; zu einem ſcheuslichen Drachen Wuchs er bereits, viel ſcheuslicher noch und groͤßer, als jener, Welchen im Pythiſchen Thal die Sonn’ aus Schlamme gezeuget, Der entſetzliche Python. Es ſchien auch, daß er ſein Anſehn Ueber die andern alle behalten; ſie folgten gehorſam Jhm ins offene Feld; da ſtanden die uͤbrigen Schaaren Dieſer vom Himmel gefallnen rebelliſchen Rotte, gewaffnet Noch in Ordnung, und warteten hier mit großem Verlangen, Jhr erhabenes Haupt in hohem Triumphe zu ſehen. Aber ſie ſahn ein andres Geſicht, verſchlungene Haufen Von q) Ein franzoͤſiſcher Journaliſt hat unſern Dichter wegen dieſer Verrwand- lung der Teufel in Schlangen getadelt, und dieſe Verwandlung fuͤr kindiſch aus- geben wollen. Nach meinem Urtheile aber iſt ſie eine von den gluͤcklichſten Er- findungen im ganzen Gedichte. Denn da Satan unter der Geſtalt einer Schlange die erſten Menſchen betrogen, ſo haͤtte der Dichter zu ſeiner und der Teufel Ver- wandlung nicht leicht etwas ausſinnen koͤnnen, das ſich beſſer dazu geſchickt haͤt- te. Er giebt indeß mit vieler Kunſt auch in dieſer Verwandlung dem Satan einen Vorzug, indem er ihn zu einem großen Drachen werden laͤßt, der uͤber alle die andern hervorragt. Z. II. Theil. T

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/167>, abgerufen am 23.11.2024.