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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zehnter Gesang.
250Dinge von ähnlicher Art auch in der größten Entfernung
Durch verborgne Kanäle mit Banden geheimer Verwandschaft
Zu verbinden. Doch du, mein unzertrennlicher Schatten,
Mußt mir folgen, denn keine Macht kann jemals uns scheiden
Aber damit die Schwierigkeit nicht zurücke zu kehren,
255Satan den Rückweg vielleicht durch diesen nimmerbetretnen

Unwegsamen Abgrund verhindre: so laß es uns wagen,
Ein verwägenes Werk, doch deiner und meiner Stärke
Völlig gemäß, zu versuchen. Laß einen Weg uns errichten
Ueber diese gewaltige Kluft; vom höllischen Abgrund,
260Bis zur neuerfundenen Welt, wo Satan itzt herrschet.

Uns wird dieses ein Denkmaal seyn von hohem Verdienste
Bey dem gesammten höllischen Heer; es wird die Gemeinschaft
Mit der Höll und der Welt, und ihre Wandrung von hinnen,
So wie etwan das Schicksal sie führt, gewißlich erleichtern.
265Jch kann nicht des Weges verfehlen, so mächtig empfind' ich

Diesen gewaltgen Jnstinkt, der zu dem Werke mich fortzieht.

Jhr gab alsobald drauf der magere Schatten zur Antwort:
Geh, wohin dein Geschick, und deine mächtige Neigung,
Dich hinführen! Lange will ich nicht hinter dir zaudern,
270Noch des Weges verfehlen, wenn du mich führest; so stark ist

Schon von ferne der Leichengeruch. Unzählige Beute
Wartet auf mich; ich schmecke bereits von allem Lebendgen
Auf der Erde den Todesgeschmack; auch soll dir mein Beystand
Zu
R 3

Zehnter Geſang.
250Dinge von aͤhnlicher Art auch in der groͤßten Entfernung
Durch verborgne Kanaͤle mit Banden geheimer Verwandſchaft
Zu verbinden. Doch du, mein unzertrennlicher Schatten,
Mußt mir folgen, denn keine Macht kann jemals uns ſcheiden
Aber damit die Schwierigkeit nicht zuruͤcke zu kehren,
255Satan den Ruͤckweg vielleicht durch dieſen nimmerbetretnen

Unwegſamen Abgrund verhindre: ſo laß es uns wagen,
Ein verwaͤgenes Werk, doch deiner und meiner Staͤrke
Voͤllig gemaͤß, zu verſuchen. Laß einen Weg uns errichten
Ueber dieſe gewaltige Kluft; vom hoͤlliſchen Abgrund,
260Bis zur neuerfundenen Welt, wo Satan itzt herrſchet.

Uns wird dieſes ein Denkmaal ſeyn von hohem Verdienſte
Bey dem geſammten hoͤlliſchen Heer; es wird die Gemeinſchaft
Mit der Hoͤll und der Welt, und ihre Wandrung von hinnen,
So wie etwan das Schickſal ſie fuͤhrt, gewißlich erleichtern.
265Jch kann nicht des Weges verfehlen, ſo maͤchtig empfind’ ich

Dieſen gewaltgen Jnſtinkt, der zu dem Werke mich fortzieht.

Jhr gab alſobald drauf der magere Schatten zur Antwort:
Geh, wohin dein Geſchick, und deine maͤchtige Neigung,
Dich hinfuͤhren! Lange will ich nicht hinter dir zaudern,
270Noch des Weges verfehlen, wenn du mich fuͤhreſt; ſo ſtark iſt

Schon von ferne der Leichengeruch. Unzaͤhlige Beute
Wartet auf mich; ich ſchmecke bereits von allem Lebendgen
Auf der Erde den Todesgeſchmack; auch ſoll dir mein Beyſtand
Zu
R 3
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[133/0155] Zehnter Geſang. Dinge von aͤhnlicher Art auch in der groͤßten Entfernung Durch verborgne Kanaͤle mit Banden geheimer Verwandſchaft Zu verbinden. Doch du, mein unzertrennlicher Schatten, Mußt mir folgen, denn keine Macht kann jemals uns ſcheiden Aber damit die Schwierigkeit nicht zuruͤcke zu kehren, Satan den Ruͤckweg vielleicht durch dieſen nimmerbetretnen Unwegſamen Abgrund verhindre: ſo laß es uns wagen, Ein verwaͤgenes Werk, doch deiner und meiner Staͤrke Voͤllig gemaͤß, zu verſuchen. Laß einen Weg uns errichten Ueber dieſe gewaltige Kluft; vom hoͤlliſchen Abgrund, Bis zur neuerfundenen Welt, wo Satan itzt herrſchet. Uns wird dieſes ein Denkmaal ſeyn von hohem Verdienſte Bey dem geſammten hoͤlliſchen Heer; es wird die Gemeinſchaft Mit der Hoͤll und der Welt, und ihre Wandrung von hinnen, So wie etwan das Schickſal ſie fuͤhrt, gewißlich erleichtern. Jch kann nicht des Weges verfehlen, ſo maͤchtig empfind’ ich Dieſen gewaltgen Jnſtinkt, der zu dem Werke mich fortzieht. Jhr gab alſobald drauf der magere Schatten zur Antwort: Geh, wohin dein Geſchick, und deine maͤchtige Neigung, Dich hinfuͤhren! Lange will ich nicht hinter dir zaudern, Noch des Weges verfehlen, wenn du mich fuͤhreſt; ſo ſtark iſt Schon von ferne der Leichengeruch. Unzaͤhlige Beute Wartet auf mich; ich ſchmecke bereits von allem Lebendgen Auf der Erde den Todesgeſchmack; auch ſoll dir mein Beyſtand Zu R 3

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/155>, abgerufen am 02.05.2024.