Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Zu dem Werke, das du zu unternehmen gedenkest,
275Nicht entstehn; ich werde dabey wetteifernd dir helfen.

Also sprach er, und zog den Geruch der Todesverändrung
Auf der Erde mit Lust in sich. Als wenn sich ein Haufen
Fleischgefräßiger Vögel, obgleich viel Meilen entfernet,
Gegen den Tag der Schlacht zu weiten Ebenen ziehet,
280Wo sich versammelte Heere gelagert; es lockt der Geruch sie

Lebender Leichen, die schon in einem blutgen Gefechte
Auf den folgenden Tag dem nahen Tode bestimmt sind:
Also schnupfet das hagre Gespenst; so reckt es die Nase
Jn die verpestete Luft empor, und in solcher Entfernung
285Merkt es bereits den künftigen Raub. Drauf flogen sie beyde

Zu den Thoren der Hölle hinaus, und kamen ins wüste
Wilde anarchische Reich des finstern rauchenden Chaos,
Auf verschiedenen Seiten. Mit ihren vereinigten Kräften,
(Und sie war sehr groß die Gewalt, durch die sie es thaten,)
290Schwebten sie über der Fluth, und trieben das, was sie da fanden,

Dickes und schlammichtes, welches hier auf- und niedergerührt ward,
Wie in einer stürmischen See, von jeglicher Seite
Mühsam zusammengehäuft, hin nach dem Schlunde der Hölle.
Als wenn auf der Kronischen See zwey wüthende Winde
295Von den Polen her stürmen, und Eisgebirge versammeln,

Welche den eingebildeten Weg verstopfen, der ostwärts
Ueber Petsora vorbey zu den Küsten des reichen Cathai [Spaltenumbruch] n)
Führen
n) Petsora ist die nordöstlichste Pro-
vinz von Moskau, und Cathai ist eine
[Spaltenumbruch] Gegend von Asien und dem nordlichen
China. N.

Das verlohrne Paradies.

Zu dem Werke, das du zu unternehmen gedenkeſt,
275Nicht entſtehn; ich werde dabey wetteifernd dir helfen.

Alſo ſprach er, und zog den Geruch der Todesveraͤndrung
Auf der Erde mit Luſt in ſich. Als wenn ſich ein Haufen
Fleiſchgefraͤßiger Voͤgel, obgleich viel Meilen entfernet,
Gegen den Tag der Schlacht zu weiten Ebenen ziehet,
280Wo ſich verſammelte Heere gelagert; es lockt der Geruch ſie

Lebender Leichen, die ſchon in einem blutgen Gefechte
Auf den folgenden Tag dem nahen Tode beſtimmt ſind:
Alſo ſchnupfet das hagre Geſpenſt; ſo reckt es die Naſe
Jn die verpeſtete Luft empor, und in ſolcher Entfernung
285Merkt es bereits den kuͤnftigen Raub. Drauf flogen ſie beyde

Zu den Thoren der Hoͤlle hinaus, und kamen ins wuͤſte
Wilde anarchiſche Reich des finſtern rauchenden Chaos,
Auf verſchiedenen Seiten. Mit ihren vereinigten Kraͤften,
(Und ſie war ſehr groß die Gewalt, durch die ſie es thaten,)
290Schwebten ſie uͤber der Fluth, und trieben das, was ſie da fanden,

Dickes und ſchlammichtes, welches hier auf- und niedergeruͤhrt ward,
Wie in einer ſtuͤrmiſchen See, von jeglicher Seite
Muͤhſam zuſammengehaͤuft, hin nach dem Schlunde der Hoͤlle.
Als wenn auf der Kroniſchen See zwey wuͤthende Winde
295Von den Polen her ſtuͤrmen, und Eisgebirge verſammeln,

Welche den eingebildeten Weg verſtopfen, der oſtwaͤrts
Ueber Petſora vorbey zu den Kuͤſten des reichen Cathai [Spaltenumbruch] n)
Fuͤhren
n) Petſora iſt die nordoͤſtlichſte Pro-
vinz von Moskau, und Cathai iſt eine
[Spaltenumbruch] Gegend von Aſien und dem nordlichen
China. N.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="17">
            <l>
              <pb facs="#f0156" n="134"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Zu dem Werke, das du zu unternehmen gedenke&#x017F;t,<lb/><note place="left">275</note>Nicht ent&#x017F;tehn; ich werde dabey wetteifernd dir helfen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="18">
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;prach er, und zog den Geruch der Todesvera&#x0364;ndrung</l><lb/>
            <l>Auf der Erde mit Lu&#x017F;t in &#x017F;ich. Als wenn &#x017F;ich ein Haufen</l><lb/>
            <l>Flei&#x017F;chgefra&#x0364;ßiger Vo&#x0364;gel, obgleich viel Meilen entfernet,</l><lb/>
            <l>Gegen den Tag der Schlacht zu weiten Ebenen ziehet,<lb/><note place="left">280</note>Wo &#x017F;ich ver&#x017F;ammelte Heere gelagert; es lockt der Geruch &#x017F;ie</l><lb/>
            <l>Lebender Leichen, die &#x017F;chon in einem blutgen Gefechte</l><lb/>
            <l>Auf den folgenden Tag dem nahen Tode be&#x017F;timmt &#x017F;ind:</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;chnupfet das hagre Ge&#x017F;pen&#x017F;t; &#x017F;o reckt es die Na&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Jn die verpe&#x017F;tete Luft empor, und in &#x017F;olcher Entfernung<lb/><note place="left">285</note>Merkt es bereits den ku&#x0364;nftigen Raub. Drauf flogen &#x017F;ie beyde</l><lb/>
            <l>Zu den Thoren der Ho&#x0364;lle hinaus, und kamen ins wu&#x0364;&#x017F;te</l><lb/>
            <l>Wilde anarchi&#x017F;che Reich des fin&#x017F;tern rauchenden Chaos,</l><lb/>
            <l>Auf ver&#x017F;chiedenen Seiten. Mit ihren vereinigten Kra&#x0364;ften,<lb/>
(Und &#x017F;ie war &#x017F;ehr groß die Gewalt, durch die &#x017F;ie es thaten,)<lb/><note place="left">290</note>Schwebten &#x017F;ie u&#x0364;ber der Fluth, und trieben das, was &#x017F;ie da fanden,</l><lb/>
            <l>Dickes und &#x017F;chlammichtes, welches hier auf- und niedergeru&#x0364;hrt ward,</l><lb/>
            <l>Wie in einer &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;chen See, von jeglicher Seite</l><lb/>
            <l>Mu&#x0364;h&#x017F;am zu&#x017F;ammengeha&#x0364;uft, hin nach dem Schlunde der Ho&#x0364;lle.</l><lb/>
            <l>Als wenn auf der <hi rendition="#fr">Kroni&#x017F;chen</hi> See zwey wu&#x0364;thende Winde<lb/><note place="left">295</note>Von den Polen her &#x017F;tu&#x0364;rmen, und Eisgebirge ver&#x017F;ammeln,</l><lb/>
            <l>Welche den eingebildeten Weg ver&#x017F;topfen, der o&#x017F;twa&#x0364;rts</l><lb/>
            <l>Ueber <hi rendition="#fr">Pet&#x017F;ora</hi> vorbey zu den Ku&#x0364;&#x017F;ten des reichen <hi rendition="#fr">Cathai</hi> <cb/>
<note place="foot" n="n)">Pet&#x017F;ora i&#x017F;t die nordo&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;te Pro-<lb/>
vinz von Moskau, und Cathai i&#x017F;t eine<lb/><cb/>
Gegend von A&#x017F;ien und dem nordlichen<lb/>
China. <hi rendition="#fr">N.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;hren</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0156] Das verlohrne Paradies. Zu dem Werke, das du zu unternehmen gedenkeſt, Nicht entſtehn; ich werde dabey wetteifernd dir helfen. Alſo ſprach er, und zog den Geruch der Todesveraͤndrung Auf der Erde mit Luſt in ſich. Als wenn ſich ein Haufen Fleiſchgefraͤßiger Voͤgel, obgleich viel Meilen entfernet, Gegen den Tag der Schlacht zu weiten Ebenen ziehet, Wo ſich verſammelte Heere gelagert; es lockt der Geruch ſie Lebender Leichen, die ſchon in einem blutgen Gefechte Auf den folgenden Tag dem nahen Tode beſtimmt ſind: Alſo ſchnupfet das hagre Geſpenſt; ſo reckt es die Naſe Jn die verpeſtete Luft empor, und in ſolcher Entfernung Merkt es bereits den kuͤnftigen Raub. Drauf flogen ſie beyde Zu den Thoren der Hoͤlle hinaus, und kamen ins wuͤſte Wilde anarchiſche Reich des finſtern rauchenden Chaos, Auf verſchiedenen Seiten. Mit ihren vereinigten Kraͤften, (Und ſie war ſehr groß die Gewalt, durch die ſie es thaten,) Schwebten ſie uͤber der Fluth, und trieben das, was ſie da fanden, Dickes und ſchlammichtes, welches hier auf- und niedergeruͤhrt ward, Wie in einer ſtuͤrmiſchen See, von jeglicher Seite Muͤhſam zuſammengehaͤuft, hin nach dem Schlunde der Hoͤlle. Als wenn auf der Kroniſchen See zwey wuͤthende Winde Von den Polen her ſtuͤrmen, und Eisgebirge verſammeln, Welche den eingebildeten Weg verſtopfen, der oſtwaͤrts Ueber Petſora vorbey zu den Kuͤſten des reichen Cathai n) Fuͤhren n) Petſora iſt die nordoͤſtlichſte Pro- vinz von Moskau, und Cathai iſt eine Gegend von Aſien und dem nordlichen China. N.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/156
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/156>, abgerufen am 02.05.2024.