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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Erster Gesang.
Ueber die andern hervor. Noch hatte seine Gestalt nicht
Ganz den ursprünglichen Schein verlohren, er schien nichts geringers,
Als ein Erzengel, welcher gefallen; allein nur verfinstert
An der Herrlichkeit, die bey ihm sonst übermäßig gestralet.
585Wie die aufgehende Sonne durch neblichte Horizontalluft
Schaut, mit abgeschnittenen Stralen; und so wie sie oftmals
Hinter dem Mond in düstrer Verfinstrung mit furchtbarem Schatten,
Unglück weissagend, die Völker erschreckt, und Monarchen in Sorgen
Wegen Staatsverändrungen setzt [Spaltenumbruch] a); so war er verfinstert,
590Aber an Glanz vortrefflicher noch, als die übrigen alle.
Zwar in sein Angesicht waren vom Donner ihm tiefe Narben
Eingegraben; und Sorge saß auf der erblasseten Wange;
Aber von seinen Augbraunen schaut ein Muth, ungeschrecket,
Und ein gesetzter Stolz, der auf Rache laurte. Sein Auge
595War voll Grimm, doch sah man drinn Zeichen von Reu, und von Mitleid,
Seine Gefährten, oder vielmehr, die im Laster ihm folgten,
(Ehmals so sehr beglückter!) verdammt und verurtheilt zu sehen
Zu dem Loos unaufhörlicher Pein; Millionen von Geistern,
Wegen ihres Vergehens nun aus dem Himmel getrieben,
600Und vom ewigen Glanz ob seiner Empörung verstoßen.
Dennoch standen sie noch in ihrem verblichenen Schimmer
[Spaltenumbruch]

Treu
so gewöhnt zu seyn; daß er sogar in
den Kupfern vor des Rolli Ueberse-
tzung des verlohrnen Paradieses noch
immer so vorgestellt wird, ob sich gleich
Milton so viel Mühe gegeben, diese
niedern Jdeen von den gefallnen En-
geln auszulöschen. Z.
a) Dieses ist das berühmte Gleich-
niß, weswegen dieses vortreffliche Ge-
dicht beynahe durch den Censor unter-
drückt worden, welcher Hochverrath
darinn zu finden glaubte. N.
E

Erſter Geſang.
Ueber die andern hervor. Noch hatte ſeine Geſtalt nicht
Ganz den urſpruͤnglichen Schein verlohren, er ſchien nichts geringers,
Als ein Erzengel, welcher gefallen; allein nur verfinſtert
An der Herrlichkeit, die bey ihm ſonſt uͤbermaͤßig geſtralet.
585Wie die aufgehende Sonne durch neblichte Horizontalluft
Schaut, mit abgeſchnittenen Stralen; und ſo wie ſie oftmals
Hinter dem Mond in duͤſtrer Verfinſtrung mit furchtbarem Schatten,
Ungluͤck weiſſagend, die Voͤlker erſchreckt, und Monarchen in Sorgen
Wegen Staatsveraͤndrungen ſetzt [Spaltenumbruch] a); ſo war er verfinſtert,
590Aber an Glanz vortrefflicher noch, als die uͤbrigen alle.
Zwar in ſein Angeſicht waren vom Donner ihm tiefe Narben
Eingegraben; und Sorge ſaß auf der erblaſſeten Wange;
Aber von ſeinen Augbraunen ſchaut ein Muth, ungeſchrecket,
Und ein geſetzter Stolz, der auf Rache laurte. Sein Auge
595War voll Grimm, doch ſah man drinn Zeichen von Reu, und von Mitleid,
Seine Gefaͤhrten, oder vielmehr, die im Laſter ihm folgten,
(Ehmals ſo ſehr begluͤckter!) verdammt und verurtheilt zu ſehen
Zu dem Loos unaufhoͤrlicher Pein; Millionen von Geiſtern,
Wegen ihres Vergehens nun aus dem Himmel getrieben,
600Und vom ewigen Glanz ob ſeiner Empoͤrung verſtoßen.
Dennoch ſtanden ſie noch in ihrem verblichenen Schimmer
[Spaltenumbruch]

Treu
ſo gewoͤhnt zu ſeyn; daß er ſogar in
den Kupfern vor des Rolli Ueberſe-
tzung des verlohrnen Paradieſes noch
immer ſo vorgeſtellt wird, ob ſich gleich
Milton ſo viel Muͤhe gegeben, dieſe
niedern Jdeen von den gefallnen En-
geln auszuloͤſchen. Z.
a) Dieſes iſt das beruͤhmte Gleich-
niß, weswegen dieſes vortreffliche Ge-
dicht beynahe durch den Cenſor unter-
druͤckt worden, welcher Hochverrath
darinn zu finden glaubte. N.
E
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[33/0047] Erſter Geſang. Ueber die andern hervor. Noch hatte ſeine Geſtalt nicht Ganz den urſpruͤnglichen Schein verlohren, er ſchien nichts geringers, Als ein Erzengel, welcher gefallen; allein nur verfinſtert An der Herrlichkeit, die bey ihm ſonſt uͤbermaͤßig geſtralet. Wie die aufgehende Sonne durch neblichte Horizontalluft Schaut, mit abgeſchnittenen Stralen; und ſo wie ſie oftmals Hinter dem Mond in duͤſtrer Verfinſtrung mit furchtbarem Schatten, Ungluͤck weiſſagend, die Voͤlker erſchreckt, und Monarchen in Sorgen Wegen Staatsveraͤndrungen ſetzt a); ſo war er verfinſtert, Aber an Glanz vortrefflicher noch, als die uͤbrigen alle. Zwar in ſein Angeſicht waren vom Donner ihm tiefe Narben Eingegraben; und Sorge ſaß auf der erblaſſeten Wange; Aber von ſeinen Augbraunen ſchaut ein Muth, ungeſchrecket, Und ein geſetzter Stolz, der auf Rache laurte. Sein Auge War voll Grimm, doch ſah man drinn Zeichen von Reu, und von Mitleid, Seine Gefaͤhrten, oder vielmehr, die im Laſter ihm folgten, (Ehmals ſo ſehr begluͤckter!) verdammt und verurtheilt zu ſehen Zu dem Loos unaufhoͤrlicher Pein; Millionen von Geiſtern, Wegen ihres Vergehens nun aus dem Himmel getrieben, Und vom ewigen Glanz ob ſeiner Empoͤrung verſtoßen. Dennoch ſtanden ſie noch in ihrem verblichenen Schimmer Treu z) a) Dieſes iſt das beruͤhmte Gleich- niß, weswegen dieſes vortreffliche Ge- dicht beynahe durch den Cenſor unter- druͤckt worden, welcher Hochverrath darinn zu finden glaubte. N. z) ſo gewoͤhnt zu ſeyn; daß er ſogar in den Kupfern vor des Rolli Ueberſe- tzung des verlohrnen Paradieſes noch immer ſo vorgeſtellt wird, ob ſich gleich Milton ſo viel Muͤhe gegeben, dieſe niedern Jdeen von den gefallnen En- geln auszuloͤſchen. Z. E

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/47>, abgerufen am 22.11.2024.